
Heute möchte ich einmal ein „etwas anderes“ Interview mit einem unserer Fotografen bei Rockmagazine.net führen. Roland ist so etwas wie ein Urgestein und schon von Anfang an dabei. Als Konzertfotograf ist er für uns überall unterwegs, nicht nur in seiner Heimatstadt München.
Uli: Roland, wie wird man eigentlich Konzertfotograf?
Roland: Zunächst ist es mir wichtig zu sagen, dass ich mich als einen ambitionierten Amateurfotografen sehe, der die Konzertfotografie im nicht kommerziellen Rahmen betreibt. Für mich war es einfach gesagt die Herausforderung, die dieser Bereich der Fotografie mit sich bringt. Man hat wenig Zeit, ist mit vielen anderen Fotografen in einem oft engen Graben zusammen und hat mit schwierigen Aufnahmewinkeln und Lichtverhältnissen zu kämpfen.
Uli: Wie kamst du zur Konzertfotografie ?
Roland: Zunächst einmal war ich ja selbst fast 40 Jahre als Leadsänger verschiedener Bands auf der Bühne gestanden. Ich habe also ein gutes Hintergrundwissen darüber, was sich auf und hinter der Bühne abspielt. Die Fotografie war schon seit vielen Jahre mehr als nur ein kleines Hobby, allerdings konnte ich mich noch nicht auf einen fotografischen Bereich festlegen. Wenn man die 2 Bereiche zusammenführt, kommt man letztendlich auf die Konzertfotografie. Richtig begonnen hat es aber erst, als ich angefangen habe, für das Rockmagazine zu fotografieren. Das Magazin hat mir doch sehr viele Türen geöffnet und auch die Möglichkeit gegeben, auf den größeren Konzerten und Festivals zu arbeiten.
Uli: Was spielt sich in so einem Graben vor der Bühne ab?
Roland: Die Bedingungen sind je nach Veranstaltung unterschiedlich. Grundsätzlich hat man bei Konzerten, die einen Graben vor der Bühne besitzen, die ersten drei Lieder Zeit, um seine Bilder zu machen. Danach muß man den Graben verlassen und darf meistens auch nicht weiter fotografieren. Eines der Probleme dabei ist oft, dass man von den Ordnern erst in den Graben gelassen wird, wenn die Band bereits das erste Lied anspielt. Bis man dann seine Tasche deponiert und sich positioniert hat, ist das erste Lied schon fast rum. Ein anderes Problem ist, dass die Bands oft am Anfang erst ihre Show aufbauen. Da ist es meist sehr dunkel auf der Bühne und während der ersten Songs tragen die Akteure auch nicht selten noch Umhänge über ihrer eigentlichen Bühnenkleidung.

Uli: Was meinst du mit schwierigen Aufnahmewinkeln ?
Roland: Die Bühnen sind ja immer etwas erhöht gebaut. Das kann bei Festivals bis zu 3 Meter Höhe bedeuten. Man kann also eventuell nur die Leute am vorderen Bühnenrand fotografieren. Ich habe schon einige Fotografen gesehen, die sogar kleine Leitern benutzten, um die Höhe etwas auszugleichen. Ist die Bühnenhöhe nicht so groß, steht der Musiker eventuell einen Meter vor dir, was Probleme mit den Objektiven zur Folge haben kann. Bei einem Weitwinkel kann zum Beispiel eine schlanke Sängerin schnell etwas dicker werden oder du bekommst Probleme mit der Tiefenschärfe.
Uli: Ich habe mal gelesen, dass Lichtmischer und Fotografen selten Freunde werden.
Roland: Die Lichtverhältnisse sind für mich eines der grössten Probleme bei der Konzertfotografie. Zunächst setzen sie lichtstarke Objektive voraus, die leider sehr teuer sind. Bei kleineren Clubs aber auch auf großen Veranstaltungen wird oft die gesamte Bühne in rotes oder blaues Licht gehüllt. Gerade rotes Licht bereitet der Kamera Probleme bei der Schärfe. Die Farbe lässt sich aber in der Nachbearbeitung noch etwas korrigieren. Bei blauem Licht bleibt einem nur ein blaues Foto oder die Schwarz-Weiß Konvertierung. Das nächste Problem ist der Nebel. Ein beliebter Effekt, der die Szene aber schwer fotografieren lässt. Bei kleinen Bühnen ist meistens für längere Zeit kein Musiker mehr sichtbar. Bei großen Festivalbühnen verfliegt der Nebel zwar schneller, allerdings wird dort oft auf der Bühne ein ständiger leichter Nebel gehalten, damit die Lichteffekte besser sichtbar werden. Ich habe da mal als Beispiel unbearbeitete Fotos vom Dimmu Borgir Konzert beim Area53 in Leoben, bei dem du ja auch dabei warst, mitgebracht.
Uli: Du bist immer mit 2 Kameras unterwegt, hat das bestimmte Gründe ?
Roland: Da kann ich dir gleich mehrere wichtige Gründe nennen. Zum einen hast du während der drei Lieder einfach zu wenig Zeit, um die Objektive zu wechseln. Ein schneller Objektivwechsel birgt auch die Gefahr, dass dir ein Objektiv aus der Hand gleitet und auf den Boden fällt. Das kann sehr schnell das Ende für das Objektiv bedeuten und eine teure Reparatur nach sich ziehen. Ein anderes Problem ist der Staub. Ich erinnere mich dabei an Wacken, als 2018 diese Gluthitze war und eine regelrechte Staubschicht über dem Gelände lag. Wenn du jetzt noch einen Moshpit vor der Bühne hast, gleicht das einem kleinen Sandsturm. Bei solchen Verhältnissen ein Objektiv zu wechseln würde unweigerlich Staubpartikel in die Kamera bringen, was teure Reinigungen bzw. Reparaturen zur Folge hätte.
Uli: Warum braucht man überhaupt 2 oder mehrere Objektive ?
Roland: Die Bühnen auf den Festivals sind oft sehr groß. Wenn man dann am falschen Ende der Bühne steht oder den weit zurückgesetzten Drummer fotografieren möchte, braucht man ein Teleobjektiv. Wenn die Musiker aber direkt vor dir positioniert sind, brauchst du ein Weitwinkel. Das gleiche gilt auch, wenn sich die Musiker zu einer Gruppe zusammenstellen.

Uli: Ihr bekommt meistens freien Eintritt zu den Konzerten.
Roland: Das ist richtig, darf aber nicht überbewertet werden. Bei kleinen bis mittleren Veranstaltungen sind die Eintrittspreise zwischen 5 bis 50 Euro. Demgegenüber hast du dir Equipment von mehreren Tausend Euro gekauft und sitzt neben dem Fotografieren auch noch Stunden an der Nachbearbeitung. Anfahrt, eventuelle Übernachtung und Getränke zahlst du auch selbst.
Uli: Bei großen Festivals sind die Eintrittspreise aber bedeutend höher.
Roland: Das ist richtig, aber große Festival haben auch zusätzliche Anforderungen. Mein größtes Problem ist z. B., das Equipment sicher unterzubringen. Wenn es keine Schließfächer gibt oder einen unbewachten Parkplatz, bleibt oftmals nur ein Hotelzimmer und da bist du schnell mit 200-300 Euro dabei. Ein anderes Problem ist, die Akkus deiner Kameras und deines Notebooks aufzuladen. Wenn es einen Pressebereich gibt, haben die zwar meistens Steckdosen, aber man sollte sein Zeugs dort auch nicht unbeaufsichtigt aufladen. Wenn du deine Sache ernst nimmst, bleibt dir auch wenig vom allgemeinen Festivalspaß. In Wacken werden z. B. 7 Bühnen bespielt. Da hetzt man von einer Bühne zur anderen und ist während der erwähnten drei Lieder so auf das Fotografieren konzentriert, dass man die Musik nur am Rande wahrnimmt. Zwischendurch sollte man auch die Bilder auswählen, optimieren, einem Redakteur zur Verfügung stellen usw.
Uli: Du erwähntest gerade einen Redakteur – was macht der dann?
Roland: Im Idealfall bist du als Team auf den Konzerten oder Festivals. Während ich mich um die Bilder kümmere, schreibt ein Redakteur den Bericht dazu. Falls er im Vorfeld Interviews mit den Bands ausgemacht hat, kann ich auch Bilder zum Interview fotografieren. Gute Redakteure haben meisten ein sehr ausgeprägtes Hintergrundwissen über viele Bands und die verschiedenen Musikstile. Sie können auch das Gesamtbild der Konzerte besser auf sich wirken lassen und darüber schreiben.

Uli: Kann man von der Konzertfotografie leben ?
Roland: Dazu kann ich nur Vermutungen anstellen, weil ich damit nichts verdiene. Ich denke, es gibt ein paar wenige Profifotografen, die von der Konzertfotografie leben können. Für die meisten ist es wahrscheinlich eher ein Nebenbereich, während die Haupteinnahmequellen Portrait-, Hochzeits-, Event-, Mode-, Foodfotografie usw sind. Einige arbeiten direkt für die größeren Magazine oder Agenturen und werden von denen bezahlt. Wie gesagt, das ist nur meine Annahme.
Uli: Warum verlangst du kein Geld für deine Fotos ?
Roland: Das hat im Moment noch mehrere Gründe. Ich betreibe die Konzertfotografie ja nebenberuflich als Hobby und meine Firma sieht es nicht gerne, wenn ich damit Geld verdienen würde. Das hängt mit der speziellen Art meines Jobs zusammen. Dann möchte ich auch junge Bands unterstützen, die außer ein paar Handyfotos meistens keine Erinnerungen an ihre Auftritte haben und diese aus Qualitätsgründen in den verschiedenen Social Media Kanälen oft auch nicht verwenden können (oder sollten). Die Gagen vieler Bands bestehen meistens aus dem Versprechen, bekannter zu werden oder den Benzinkosten. Diesen Bands etwas für meine Fotos abzunehmen wäre für mich keine Option.

Uli: Stichwort Social Media, bist du dort auch aktiv ?
Roland: Ich habe einen FB Account und bin auf Instagram. FB dient mir eigentlich nur, um Kontakt mit den Bands aufzunehmen und ihnen die Bilder zukommen zu lassen. Mein Hauptaugenmerk liegt auf meinem Instagram Account unter @rolandlorenzphotography. Vieles von mir findet man aber auch auf den Accounts vom Rockmagazine (rockmagazine.net)
Uli: Was veröffentlichst du auf Instagram ?
Roland: Instagram hat für mich verschiedene Funktionen. Zunächst kann ich meine Bilder einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Jeden Like für ein Bild empfinde ich als so eine Art virtuelles Schulterklopfen, so ein „Hast du gut gemacht“ und das ist quasi meine Bezahlung. Das nächste ist natürlich auch die Anzahl der Follower. Mehr Follower bedeuten für mich, dass ich mit meiner Arbeit vorankomme und mich weiterentwickle. Manchmal können viele Follower auch mit ein Grund für eine Akkreditierung sein.

Uli: Vielleicht sollten wir den Lesern den Begriff Akkreditierung erklären.
Roland: Um auf einem Konzert mit einem professionellen Equipment fotografieren und die Fotos danach veröffentlichen zu dürfen, benötigt man vom Veranstalter eine (Presse-) Akkreditierung. Die meisten Akkreditierungen bekomme ich aufgrund meiner Mitarbeit in unserem Rockmagazine.net.
Uli: Wir kommen langsam zum Ende unseres Interviews. Was möchtest du unseren Lesern noch mit auf den Weg geben ?
Roland: Da gäbe es eigentlich 2 Personengruppen, denen ich etwas zu sagen hätte. Die erste wären einige Veranstalter. Wir Konzertfotografen nehmen eine Menge Geld und Zeit in die Hand, um für eure Veranstaltung Werbung zu machen, sie zu fotografieren und darüber auch noch einen Bericht zu schreiben. Dafür werden wir manchmal von den Ordnern wie die letzten Penner und Schmarotzer behandelt. Das verwundert und schmerzt etwas. Zum Glück gibt es auch Ausnahmen wie z. B. beim Amon Amarth/Arch Enemy Konzert von Global Concerts in München. Wir wurden freundlich in einen großzügigen Bereich neben der Bühne geführt, machten unsere Fotos während der ersten 3 Lieder im Graben und durften zusätzlich während des ganzen Konzerts noch vom Rande aus weiter fotografieren. Das ist nicht unwichtig, weil wir vom Rand aus noch ein Gesamtbild der Veranstaltung bzw. der Bühne machen können, z. B. als Eingangsbild für einen Artikel. Die Veranstalter der großen Festivals möchte ich bitten, die Akkreditierungen nicht erst kurz vor dem Festival zu vergeben. Wir brauchen alle etwas Vorlauf und Planungssicherheit.
Die Bands, zumindest die kleineren, die großen wird das nicht interessieren. Ich bekomme meistens ein bis zwei Mal im Jahr von euch den Hinweis, dass ich ein Konzert von euch fotografieren könnte. Das mache ich auch gerne, sofern es mir zeitlich möglich ist. Alle zwei Jahre bekomme ich dann die Ankündigung eines Albums mit der Bitte, dass wir vom Rockmagazine.net eine Rezension schreiben sollten. Auch das machen wir gerne, sofern sich ein Redakteur findet, der bei der Vielzahl der Neuerscheinungen Zeit dazu hat. Das verläuft immer nach einem ewig gleiche Schema. Ich würde mir wünschen, dass ihr mich, sobald die Lage es wieder zulässt, mal in euren Proberaum einladet oder wir gehen auf ein gemeinsames Bier. Dabei könnten sich interessante Bilder und Reportagen über den Werdegang eurer Band entwickeln. Ich kann auch gerne mal eine Tour begleiten.
Ansonsten alles Gute, bleibt gesund und kommt hoffentlich gut durch diese schwere Zeit. Wer Lust hat, kann auch gerne mal bei meinem Instagram Account @rolandlorenzphotography vorbeischauen, sehen, was ich so treibe, und mir ein Like hinterlassen oder noch besser, folgt mir 😊

Uli
Seit den 90er Jahren journalistisch unterwegs. Sehr schlechter Schlagzeuger mit deutlichen Rechtschreibschwächen. Mitbegründer der legendären Punkrockband "The Ketchup Boys", welche 1989 ihren einzigen Auftritt hatte. Spricht mehrere Sprachen, kann einhändig Fahrrad fahren und mag Musik.