Interview

Sperling – Jojo im Interview zu Zweifel

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Am vergangenen Freitag erschien mit „Zweifel“ das emotionale Debut Album der jungen Band Sperling. Einige Tage davor nahm sich Jojo, Rapper und Texter der Band, Zeit für ein paar Fragen zum Album.

Patrick (Rockmagazine): Wie geht es euch aktuell in dieser doch sehr schwierigen Zeit?

Jojo: Wir sind auf jeden Fall sehr happy, aber auch sehr aufgeregt so kurz vor dem Release. Wir arbeiten jetzt schon zwei Jahre an dem Release und auch an unserem Sound, sodass wir es nicht abwarten können, der Welt endlich unser fertiges Album zu zeigen.

Natürlich ist die Pandemie auch nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Unser Zeitplan, unsere Tour und schließlich der ganze Release haben sich verschoben oder mussten abgesagt werden. Wir werden versuchen, in diesem Jahr noch eine Tour und Shows zu spielen – da werden wir aber erstmal abwarten, wie sich das Jahr so entwickelt.

Uns fehlt vor allem das Live spielen. Wir haben die Songs schon so lange fertig, haben uns intensiv mit unserem Sound auseinandergesetzt und die Texte sind persönlicher und emotionaler als vorher. Gerade dann will man mit der Musik raus in die Welt, um den Leuten zu zeigen, an was wir gearbeitet haben. Uns fehlt auch der persönliche Kontakt zu unseren Fans und unserem Publikum. Durch unser Bandhandy, bei dem uns jeder schreiben und mir auch Material schicken kann, das nicht unbedingt auf den Social Media Kanälen landet, haben wir unsere Follower auch besser kennengelernt und es macht jede Menge Spaß, zu sehen, wer unsere Fans eigentlich sind. Sowas ist in Livestreams oder anderen Alternativen einfach nicht dasselbe.

Patrick (Rockmagazine): Ursprünglich seid ihr mit einem anderen Namen unterwegs gewesen. Wie seid ihr dann auf Sperling gekommen?

Jojo: Als wir uns einen neuen Namen überlegt haben, stand der Name ‚Sperling’ als einer der ersten Vorschläge im Raum. Auch wenn wir danach noch weiter hin und herüberlegt haben, sind wir immer wieder bei Sperling gelandet. Es ist auf der einen Seite ein schönes, kurzes Wort, welches einem leicht über die Lippen geht, auf der anderen Seite finden wir das Bild schön, dass ein Singvogel mit viel Abstand zu uns Menschen in der Luft schwebt und uns zusieht. In meinen Texten erzähle ich viel Persönliches und Emotionales von mir selbst. Dafür versuche ich auch oft, etwas Abstand zu mir selbst zu gewinnen, um in Worte fassen zu können, was in mir vorgeht.

Außerdem siedelt sich der Sperling überall da an, wo sich auch Menschen niederlassen. Er bleibt in Menschennähe und harrt aus, obwohl es im Winter kalt wird. Das fanden wir ein sehr schönes und passendes Bild für uns und unsere Musik.

Patrick (Rockmagazine): Euer Stil erinnert im ersten Moment doch sehr an Heisskalt zu ihren Anfängen. Hört man aber intensiv zu, hört man eine ganz eigene Richtung. Wie hat sich euer Stil so entwickelt?

Jojo: Unser Stil entsteht durch unsere unterschiedlichen Musikrichtungen, aus denen wir kommen, aber auch durch unsere ungewöhnliche Besetzung an sich.

Max und ich zum Beispiel kommen eher aus dem Rap, Josh und Malte bringen Post-Hardcore- und Indie-Elemente mit, während Luca auch aus dem Klassischen kommt. Durch die Besetzung entstand dann ein ungewöhnlicher Mix aus Rap, Post-Hardcore und Cello, der uns von Anfang an so gut gefallen hat, dass uns klar war, dass das die Musik ist, die wir gerne machen möchten und hinter der wir stehen können.

Das Düstere in unserer Musik kommt hauptsächlich durch die Themen, die wir behandeln. Dazu passt einfach keine lockere, fröhliche Musik, sondern sie muss eine gewisse Schwere beinhalten, um zum Inhalt der Texte zu passen.

Patrick (Rockmagazine): Hatte Corona irgendwelche Auswirkungen auf die Aufnahme von „Zweifel“?

Jojo: Die Aufnahmen an sich entstanden schon im September 2019 – das konnten wir also zum Glück noch ohne Einschränkungen machen. Auf den Release, die Promophase und vor allem die Tour hat es sich aber dann umso stärker ausgewirkt. Der ganze Release-Zeitplan hat sich um fast ein ganzes Jahr verschoben und all unsere Pläne komplett durcheinandergebracht. Etliche Liveshows, die abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden mussten, genauso wie verschiedene Interviews, Podcasts und einige andere Aktionen, die wir geplant hatten.

Abgesehen von den organisatorischen Dingen, war es für uns persönlich einfach schwer, uns nicht normal sehen und treffen zu können. Gerade vor einem Release braucht man das Zusammensein, sich einfach mal treffen, ohne an Musik zu arbeiten, sondern einfach nur, um Zeit miteinander zu verbringen. In erster Linie sind wir ja vor allem gute Freunde und das fehlt einem natürlich. Wir hoffen jetzt einfach, dass bald wieder ein wenig Normalität einkehrt und wir das, was wir verpasst haben, zusammen nachholen können.

Patrick (Rockmagazine): Wie lange macht ihr schon gemeinsam Musik?

Jojo: Gegründet haben wir uns 2013 nach einen Musikprojekt für den SWR, an dem Luca, Josh und ich beteiligt waren. Uns hat es so viel Spaß gemacht, zusammen Musik zu machen, dass wir damit nicht aufhören wollten und beschlossen haben, eine Band zu gründen. Damals wussten wir noch nicht genau, in welche Richtung sich unsere Musik entwickeln würde. Ich weiß noch, dass Josh mich ganz am Anfang gefragt hat ob ich auch singen könnte. Ich sagte: „Naja, nicht wirklich gut“, er antwortete: „Na gut, dann rappen wir eben“.

Zu der Zeit hatten wir noch einen anderen Gitarristen, der allerdings aus Zeitgründen nicht mehr mitmachen konnte. Deshalb haben wir uns aus Joshs vorheriger Band unseren Gitarristen Malte und unseren Bassisten Max geklaut, die auch sofort super viel Bock hatten. Seit 2015 sind wir in der aktuellen Besetzung zusammen und seit 2020 auch unter dem Namen ‚Sperling‘.

Patrick (Rockmagazine): Wie entstehen eure Songs? Ist jeder von euch am Texten und Komponieren beteiligt?

Jojo: Es ist unterschiedlich. Früher war es meistens so, dass ich die Texte einfach geschrieben und dann mit in den Proberaum gebracht habe. Heute schreibe ich die Texte lieber auf ein fertiges Instrumental, weil ich finde, dass ich mich so viel besser auf eine Stimmung oder einen Vibe einlassen kann.

Meistens produziert Malte schon zu Hause eine Demo vor, manchmal mit fertigem Arrangement, manchmal auch nur eine Strophe oder einen Refrain, und bringt diese dann mit in die Probe. Der fertige Song entsteht dann immer zusammen im Proberaum. Die Texte schreibe ich alleine, je nach Song dauert das manchmal einen Tag, manchmal auch einen Monat oder länger.

Bei dem Song Bleib zum Beispiel war es so, dass Malte die Demo schon so gut wie fertig mitgebracht hat und meinte, „da können wir uns ja mal in Ruhe dransetzen und gucken, ob er uns gefällt.“ Nach dem ersten Mal anhören waren wir aber alle schon so begeistert, dass wir bis auf Kleinigkeiten nichts mehr daran ändern wollten und er sofort auf dem Album gelandet ist. Bei dem Song Mond hingegen war es ganz anders. Der Song handelt von der Zeit nach einer Beziehung und dem Umgang damit und mit sich selbst. Da hatte ich den Text kurz danach geschrieben und war mir noch gar nicht sicher, ob daraus überhaupt ein Song wird, weil er mir eigentlich zu persönlich war, um ihn zu veröffentlichen. In einer Probe hat unser Bassist Max dann eine Melodie gespielt. Mehr aus Zufall, um etwas am Sound auszuprobieren. Das hat dann aber so gut auf den Text gepasst, dass wir in der Nacht noch Demos ausgetauscht haben und der Song Mond entstanden ist. Von daher ist es immer unterschiedlich und hängt von der Situation und dem Vibe ab.

Patrick (Rockmagazine): Warum fiel eure Wahl beim Albumtitel auf den des wohl schwersten Songs des Albums?

Jojo: Der Song Zweifel ist für uns ein besonderer Song. Er war einer der ersten Songs nach unseren EPs und wir haben lange an ihm herumgebastelt. Wir waren einfach nie wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. Wir hatten viele verschiedene Versionen davon, teilweise sogar mit anderem Text und anderem Instrumental, haben alleine und auch mit verschiedenen Produzenten daran gearbeitet, bis wir ihn quasi schon aufgegeben hatten. In einer unserer Vorproduktionssession mit unserem Produzenten Beray Habip, der auch das Album gemacht hat, haben wir die unfertige Demo mehr aus Zufall laufen lassen und Beray hatte sofort eine Idee für den Song. Die Lösung war ganz einfach: Wir hatten immer versucht, neue und andere Sachen in den Song mitaufzunehmen anstatt Elemente wegzulassen und den Song zu vereinfachen. Nachdem wir viele Sachen aussortiert hatten, waren wir auf einmal super happy mit dem Song und es ist inzwischen einer unserer Lieblingstitel.

Wir haben uns für den Namen Zweifel entschieden, weil er das Thema für die anderen Songs vorgibt. Jeder Song auf dem Album hat mit Zweifeln zu tun. Zweifel an uns selbst, an anderen, an Entscheidungen, die wir getroffen haben oder noch treffen werden. Deshalb ist der Zweifel für uns das Hauptthema des Albums und deshalb haben wir es auch so genannt.

Patrick (Rockmagazine): Schaut man sich das Cover etwas genauer an, steht nicht nur der Albumtitel darauf, sondern auch der kurze Zusatz Ein Album der Band Sperling. Steckt da mehr dahinter oder wolltet ihr einfach mal was machen, was nicht jede Band so umsetzt?

Jojo: Wir sind einfach riesen Fans des Artworks, das Lucas Mayer für uns geschaffen hat. Es ging von Anfang an in die richtige Richtung und als es dann fertig war, war es genau, wie wir es uns erhofft hatten. Ich finde, es fängt die Düsternis auf dem Album perfekt ein, ohne ein düsteres Bild zu sein. Die Farben, in Kombination mit der unbekannten Frau und den toten Vögeln, haben für uns einfach genau die Stimmung transportiert, die wir mit der Platte ausdrücken wollten.

Der Satz entstand einfach, weil das Album Geschichten erzählt. Geschichten von Sperlingen. Und jede gute Geschichte hat einen Einleitungssatz.

Patrick (Rockmagazine): Was waren die größten Hürden während der Entstehung von „Zweifel“?

Jojo: Eine Albumproduktion ist immer viel Arbeit. Man muss andere Dinge erst mal unterstellen, muss viel Zeit und Mühe investieren. Abgesehen davon ist es natürlich auch eine finanzielle Herausforderung für eine junge Band wie uns. Hier haben wir allerdings großartige Unterstützung von der Initiative Musik bekommen.

Der Prozess der Entwicklung an sich hat uns unglaublich viel Spaß gemacht, war aber auch sehr anstrengend und hat uns an unsere Grenzen gebracht. Wenn man ein Album schreibt, in dem so viel persönliche und emotionale Themen drinstecken, muss man sich bei der Produktion unweigerlich mit sich selbst und seinen inneren Dämonen auseinandersetzen. Das kann auf jeden Fall aufreibend sein. Ich habe an mir selbst gemerkt, wie ich immer wieder daran verzweifelt bin. Da ist es wichtig, so etwas offen mit seinen Bandkollegen und auch mit dem Produzenten zu kommunizieren und anzusprechen. Wir haben uns gegenseitig immer wieder aus unseren Tiefs geholt, haben uns gegenseitig abgelenkt und auf den Spaß daran konzentriert. Alleine deshalb werde ich den Entstehungsprozess dieses Albums wohl niemals vergessen.  

Patrick (Rockmagazine): Welcher Track ist euer persönlicher Favorit auf diesem Album?

Jojo: Da gibt es zwar geteilte Meinungen, aber unsere Top 3 sind auf jeden Fall Mond, Toter Winkel und Zweifel. Vielleicht liegt es daran, dass gerade in diesen Songs so viel von unseren Sorgen, Ängsten und bedrückenden Gedanken preisgegeben wird, nochmal mehr als in den anderen Titeln. Vor allem bei Zweifel und Mond hat die Entstehungsgeschichte auch dafür gesorgt, dass es sehr besondere Songs für uns geworden sind. Generell kann ich persönlich sagen, dass ich unsere ruhigen und traurigen Songs immer ein bisschen mehr mag als die lauten. Ich glaube, das liegt daran, dass ich traurigen Songs mehr abgewinnen kann, da diese einfach mehr Tiefe und Schwere mitbringen und mich deshalb stärker berühren.

Ein Song, der immer ein wenig untergeht, aber auch zu meinen absoluten Favoriten zählt, ist der letzte Song Schlaflied. Er handelt vom friedlichen Einschlafen nach einem langen und anstrengenden Leben und hat etwas so Trauriges und gleichzeitig so Hoffnungsvolles, dass dieser kleine Track auch weit oben bei meinen Lieblingen gelandet ist.  

Patrick (Rockmagazine): Was habt ihr für Ziele oder Wünsche für die Zukunft?

Jojo: Unser größter Wunsch ist es, endlich wieder raus unter Leute und live spielen zu können. Uns fehlt der Kontakt zu unseren Fans und auch zu unserer Freundes-Crew, mit denen man danach abhängen kann und selbst Konzerte anschaut.
Wir haben auf jeden Fall vor, eine Tour und Liveshows nachzuholen, die letztes Jahr leider nicht stattfinden konnten. Wie und wann genau wissen wir natürlich selbst noch nicht, da werden wir abwarten, wie sich das kommende Jahr so entwickelt. Für unser Album hoffen wir einfach, dass jeder, der es hört, etwas für sich mitnehmen kann. Wir machen Musik für uns und unsere Fans, für die, die schon seit Anbeginn dabei sind, aber auch für diejenigen, die uns gerade erst kennengelernt haben. Ich versuche, in meinen Texten meine Zweifel und Ängste zu verarbeiten, weil ich glaube, dass es da draußen viele Menschen gibt, denen es genauso geht. Menschen, die nicht wissen, wie sie das Chaos in ihrem Kopf bewältigen sollen. Wir hoffen, dass gerade diese Menschen unserer Musik etwas Mut und Hoffnung entnehmen können, auch wenn es zuerst nicht danach klingen mag.

Patrick (Rockmagazine): Welche Bands könnt ihr unseren Lesern noch empfehlen?

Jojo: Es gibt viele junge Bands, wie wir es sind, die wir in den letzten Jahren kennen- und feiern gelernt haben. Zuerst fällt mir die Band KOJ ein. KOJ machen Deep Dark Indie, sehr sphärisch, manchmal leise, manchmal nicht. Das sind nicht nur sehr talentierte Musiker, sondern auch tolle Menschen. Vor allem mit Simon von der Gathen haben wir immer wieder zu tun, da er unsere Musikvideos zu Baumhaus und Laut produziert hat.

Unser Produzent Beray ist ebenfalls Drummer in der Band Kochkraft durch KMA, die ihre Musik selbst als „Neue deutsche Kelle“ bezeichnen. Auch sie erzählen vom Zustand der Welt und sich selbst. Die Musik ist wahnsinnig innovativ und macht einfach nur Spaß beim Zuhören.

Bei unserem Label Uncle M, zu deren Familie wir seit letztem Jahr gehören, gibt es ebenfalls viele spannende und krasse Bands, die wir gerade erst kennenlernen. Kind Kaputt, Catapults oder Flash Forward zum Beispiel. Also, gerne mal bei Uncle M vorbeischauen und deren Website und Playlists auschecken, da gibt es immer interessante neue Bands und News.

Patrick (Rockmagazine): Zum Abschluss: Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern sagen willst?

Jojo: Erstmal vielen Dank für das Interview und eure Zeit. Wenn euch unsere Musik interessiert, schaut doch gerne mal auf unseren Kanälen vorbei oder schreibt unserem Bandhandy (0175-2818556) ne WhatsApp. Luca wird euch – fast immer – direkt antworten. Ansonsten hoffen wir, dass euch unser Album Zweifel gefällt und ihr etwas Gutes für euch selbst mitnehmen könnt.

Passt auf euch und eure Freunde auf und bleibt gesund in dieser anstrengenden Zeit. Wir hoffen jedenfalls, dass das nächste Jahr ein wenig besser wird und wir sind gespannt, was alles noch vor uns liegt.

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Patrick

geb. 1993, Musik-Fan seit 2010, Verheiratet, Ein Sohn, Bevorzugte Genres: Metalcore, Post-Hardcore, Progressive Metal, Pop-Punk, Alternative Rock. Neben seiner sozialen Ader ist Patrick auch für feinste Recherche und Tiefe in seinen Reviews und Berichten bekannt.

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