Genre: Jazz/Art Rock
Land: Norwegen
Selbst ich als PC-fixierter Stubenhocker muss zugeben: so ein bisschen Natur ab und zu, tut gut! Ähnliche Gedanken mussten Saywhat bei der Kreation ihres Debütalbums „Scenery“ auch gehabt haben, denn dieses klingt für mich sehr „natür-lich“. Die Jungs aus Norwegen spielen instrumentalen Jazz/Art Rock, der von rockigen Passagen bis hin zur Akustik-Ausflügen alles bietet, was das Herz begehrt.
Die Platte wird mit dem Stück Kristiansand eröffnet. Klavier, Streicher und ein sanft gespieltes Schlagzeug leiten den Song ein, bis dann auch die E-Gitarre mal zum (melodischen) Zug kommt. Der nächste Vergleich für den Sound des Stückes ist das Kauan-Album „Kaiho“ – alle Fans dieser Art von Musik werden sicher auch bei Saywhat fündig.
In Grasslands übernimmt die E-Gitarre sehr schnell das Ruder, während ein treibendes Schlagzeug und Akustik-Gitarren das Tempo vorgeben. Auch der Bass gibt immer wieder Impulse und würzt so den Track. In Windy wird der Spieß dann umgedreht und die akustischen Töne ergreifen die Melodieführung. Das Tom-lastige Drumming gibt dem Song eine cinematische Note.
Sval ist eines der Highlights für mich. Die sehr verspielte Melodie – vorgetragen durch Klavier und Akustik-Gitarre – klingt einfach wundervoll und gibt den restlichen Instrumenten reichlich Vorlagen zum Mitspielen. Selten habe ich Lieder gehört, die so eine Leichtigkeit versprühen wie Sval und das macht es zu etwas Besonderem.
Mit Hardanger kommt auch eines meiner Lieblingsinstrumente: das Saxophon. Im Lied immer dominanter werdend, liefert es sich am Ende ein herausragendes Duell mit der E-Gitarre und dem Bass. Doch vor diesem fulminanten Finale leistet der Track bereits ganze Arbeit. Als Hörer fließt man quasi auf der immer größer und instrumental diverser werdenden Welle der Musik mit.
Die erste Hälfte von Dokotoka ist genau das, was viele Jazz-Hater als „Rumspielerei“ bezeichnen würden. Hier wird jedoch in Wahrheit mit Keyboard und Gitarre ein musikalisches Motiv entwickelt und über den ganzen Track hinweg frei exploriert. Auch für mich persönlich ist diese Art Song nicht in jeder Situation die passende Untermalung, aber abwechslungsreich und interessant ist Dokotoka definitiv.
Rausschmeißer Waiting klingt für mich nach einer nostalgischen Gedankenreise. Nach Erinnerungen an die Kindheit mit allen ihren Höhen und Tiefen. Musikalisch ist das Solo der E-Gitarre sehr stark und die gesamte Aufmachung des Tracks mit Klavier und Glockenspiel erschafft eine tragfähige Leinwand für experimentelle Ausflüge.
„Scenery“ ist insgesamt ein gutes Album, jedoch gibt es einige Macken. Der Mix könnte stellenweise noch etwas Politur vertragen. Gerade in Grasslands ist die E-Gitarre zu sehr im Vordergrund und die übrigen Instrumente verschwinden zu sehr hinter den lauten Soli des Gitarrenspielers. Des weiteren sind manche Soloeinlagen einfach zu lange. Das quasi rein aus Soli bestehendem Dokotoka hätte ruhig etwas mehr Substanz vertragen oder gekürzt werden können. Außerdem ist der rote Faden des Albums manchmal einfach weg. Die Kritik mag zwar augenscheinlich lächerlich klingen – es handelt sich hier schließlich um Jazz – aber auch freiere Musik sollte einen roten Faden im Album aufweisen, der den Hörer dazu bringt, dranzubleiben.
Im Großen und Ganzen beschränkt sich meine Kritik jedoch stark auf die Songs Grasslands und Dokotoka, die meiner Meinung nach die schwächsten Stücke von „Scenery“ sind. Eine Streichung dieser beiden hätte dem roten Faden der Scheibe sicher gut getan.
Glücklicherweise haben Saywhat demnächst die Chance, meine Kritik aufzunehmen und sie in ihrem zweiten Album umzusetzen. Dieses ist nämlich schon auf dem Weg und soll durch einen Crowdfunding-Kampagne finanziert werden. Dazu findet man mehr Informationen auf der Instagram-Seite der Band.
Fazit: „Scenery“ von Saywhat ist ein Album für Fans von langen Soli, experimentellen Songs und dem Flow(effekt), der durch Musik beim Hörer eintreten kann. Wer dem Alltag gerne mal mit ein paar Tagträumereien entkommen will, hat hier sicher den richtigen Soundtrack dazu gefunden. Auch wenn die Band musikalisch sicher noch Luft nach oben hat, ist „Scenery“ ein solides Debüt, das hungrig nach mehr macht.
Von mir gibt es dafür 7,5 von 10 Bängs!
„Scenery“ ist als digitaler Download erhältlich.
Die Band:
Steinar Jeffs – Guitar
Simen Børven – Bass
Kristian Frøland – Drums
Nicolay Tangen Svennæs – keys
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