Interview

Polka und Rock´n´Roll im Sturm – Interview mit Georgij von Russkaja, Teil 2

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Christian (RM): Weil Du gerade die US-Tour angesprochen hast, die ist ja Eure Erste. Habt ihr da Bammel davor oder überwiegt die Vorfreude?

Georgij: Also erstmal freuen wir uns extrem darauf, bauschen damit jedes mulmige Gefühl unter. Natürlich ist es ein neuer Kontinent, ein neues Land, wie werden sie uns dort aufnehmen, wie kommt das Kokettieren mit dem Russischen von uns dort an. Die momentane politische Lage und Berichterstattung ist dort, was Russland angeht, bestimmt nicht in einem positiven Licht zu sehen. Und das macht uns schon ein wenig Sorgen, aber ich hoffe dass die Menschen die zu einem Rockkonzert gehen schon gut differenzieren können und keine politische Unwissenheit in Form von Ablehnung und Aggressivität mitbringen zu unseren Shows.

Christian: Bleiben wir noch kurz bei der Livesituation. Gibt es einen Ort, wo Du unbedingt mal auftreten willst?

Georgij: Du, in Wirklichkeit, bin ich in der Seele schon ein kosmopolitischer Mensch, sodass ich am liebsten überall gewesen wäre. Reisen an sich ist ja schon sehr interessant und dann noch Musik für verschiedene Kulturen zu spielen, wenn du jetzt auf einem Festival in Spanien stehst, siehst Du ausgelassene feiernde Menschen, wenn Du auf einem Festival in Polen stehst genau die gleiche Begeisterung. Musik vereint jede Nation, jedes Volk! Aber einen besonderen Ort? Ja doch, das Wembley Stadion, hmmm Größenwahnsinnig, aber es ist sicher geil, ich kann das nachvollziehen als Musiker, wenn man einfach die gleiche Gänsehaut kriegt, wenn ich sehe wie Freddy Mercury „Yeeejaaaaa“ singt und die Leute singen mit ihm mit, vor allem wenn ich dann mit unten stehe und mitsinge.

Christian (RM): Wie hat sich eigentlich die musikalische Mischung aus Polka, Ska und Rock ergeben, die ist ja doch eher speziell?

Georgij: Leider nicht ganz, es gibt schon ein paar Bands die sowas ähnliches machen und „unalltägliches“ kombinieren. Man muss aber jetzt bei der Band Russkaja dazusagen, dass ich es so leite, dass alle Leute, die mitmachen, einen musikalischen Input verspüren und ihre Kreativität irgendwie ausleben wollen, egal aus welcher Richtung diese kommen, schau ich natürlich auch, was das ist und ob es funktioniert. Da gebe ich schon Freiraum und das brauche ich sogar irgendwie. Als Beispiel, vor Russkaja hab ich viel Metal gemacht, der jetzt bei der Band nicht im Vordergrund steht, sondern eher die Polka-Abteilung und das ist auch gut so. Aber wir merken halt schon diese Intensität wo ich herkomme, die kommt beim Rock- und Metalpublikum gut an und mir persönlich taugt es extrem, wenn die Gitarren plötzlich aufglühen. Ich steh auf ein geiles Riff, ich steh auf Jump in the Groove und ich will auch mal ins Mikro reinbrüllen, ein Ventil aufmachen, du weißt was ich meine. Das war immer schon geil und wenn sich das so gut kombinieren lässt mit dem Balkan Klezmer, der Polka, dann wunderbar.

Christian (RM): Eure Texte sind ja eine Mischung aus Russisch, Englisch und Deutsch. Kommt das einfach so aus Dir raus, oder ist das eher ein anstrengender Prozess?

Georgij: Da muss ich zugeben, dass es in Englisch schon ein bisschen schwieriger ist. Ein paar Reime kann ich schon finden, aber ich bin halt da schon ein wenig eingeschränkt in der Sprache und habe in der Vergangenheit sehr viel mit Songwritern zusammengearbeitet, die English Native Speaker sind. Anders sieht es mit meiner Muttersprache Russisch und Deutsch aus, das ist aber eh klar.

Christian (RM): Ich hätte dann noch gerne ein paar Erinnerungen von Dir. Welches war das Beste/Skurrilste Erlebnis mit der Band?

Georgij: Weißt Du, es gibt ein Erlebnis, vielleicht nicht das Beste, aber schon sehr einschneidend, das war 2008 in Kroatien, genauer in Poreč direkt am Strand. Und auf einer Wiese zwischen dem Strand und so Lokalhütten haben sie die Bühne aufgebaut, zwischen zwei Palmen haben die unseren Backdrop aufgehängt. Bei dem vierten Song hat es dann plötzlich zum Tröpfeln begonnen, wir haben uns da nicht weiter stören lassen, wir haben gespielt, die Leute haben getanzt, alles war in Bewegung und die Stimmung ziemlich ausgelassen. Der Veranstalter hat in der Zwischenzeit schon mal einen Regenschirm über das Mischpult anbringen lassen, damit das keinen Schaden nimmt. Das Tröpfeln ist dann immer stärker geworden und so wurde auch über das Schlagzeug ein Schutz gegen das Wasser von oben angebracht, damit die Felle nicht nass werden und auch über die Verstärker wurde was getan. Und ich war gerade an einem langen Ton zum Singen, und plötzlich ging es nicht mehr weiter. Ich hab mich dann umgedreht und sehe wie die hinter mir alles panisch zusammenpacken und merke, dass es mittlerweile schon fett regnet. Ich hab mir da noch nichts weiter gedacht, es regnet halt, aber ist ja warm, ist ja Sommer. Und plötzlich fangen die Sachen an in die Luft zu wirbeln, das war dann schon irre.

Es ist dann einer der stärksten Orkane seit 1972 über die Küste gekommen, genau in dem Moment, das musst Du Dir so vorstellen wie im Film, plötzlich wird alles schwarz und grau, der Kameramann war so paralysiert, dass er einfach weitergefilmt hat, die Leute haben versucht noch irgendwie Unterschlupf zu finden. In den nahegelegenen Lokalen wurde es dann schnell eng, wir dazu noch mit unseren Instrumenten und Verstärkern und so. Ich hab dann während dem ganzen Stress mal kurz innegehalten, hab gedacht „Scheiße, ich bin jetzt bin auf die Socken und allem „Waschelnass“, plötzlich fliegt da noch ein fünf Meter Teil von einem Sonnenschirm vorbei. Ich hab noch versucht diesen aufzuhalten, was eigentlich total sinnfrei war, und dann hab ich einfach nur noch da gestanden und hab gedacht: „Ok, und jetzt spüre ich einfach die brachiale Gewalt der Natur, die kann jetzt einfach so im Nu alles platt machen.“

Und weißt Du was das Erstaunliche war? Es ist nichts passiert, niemand wurde verletzt von den Leuten aus unserem Umfeld, außer unserem Posaunisten, über diesem hing ein Bild mit Masken dran, neun Stück. Dadurch, dass durch den Sturm innerhalb von Sekunden dieses Lokal übervoll war und dadurch wiederum war innerhalb dieses Raums ein Temperaturanstieg, dass sich der Kleber von den Masken gelöst hat, es war extrem heiß, und die sind dann unserem Mann auf den Kopf gefallen. Er hat sich eine Platzwunde zugezogen, überall war Blut.

Auch ein sehr schönes Erlebnis war der Heiratsantrag bei uns auf der Bühne in Wacken und sie hat Gott Sei Dank ja gesagt. Viele Jahre später haben wir sie wieder bei einem Konzert gesehen und schon mit Babysitter zu Hause. Davon wird es einen Bildausschnitt geben bei dem Film, der über Russkaja kommen wird!

Christian (RM): Soso, über Euch kommt demnächst ein Film? Kannst Du uns da schon mehr darüber sagen?

Georgij: Ich kann dazu noch nichts verraten, außer dass wir versuchen, dass es möglichst viele Leute zu sehen bekommen.

Christian (RM): Was war denn dein schlechtestes Erlebnis mit der Band?

Georgij: Eine sehr unangenehme Sache war, als mir bei einem Konzert eine Bierflasche ins Gesicht geworfen wurde. Diese hat mich gleichzeitig zwei Zähne gekostet, einen zerschmettert und den anderen komplett rausgehauen. In den Medien wurde dann berichtet, dass das aus dem rechten Sektor geflogen kam und es gab da auch Postings aus dieser Richtung. Das war nicht so schön.

Christian (RM): Dann hätte ich jetzt nur noch zwei Fragen für Dich und eine davon wäre: Welche Frage sollte man Dir in zehn Jahren stellen?

Georgij: Das ist eine interessante Frage, warte ….. lass mal überlegen …. eine Frage, die sich wahrscheinlich rentieren würde, wäre „Würdest Du das alles nochmal so machen?“. Oder auch „Hast Du alles erreicht, was Du erreichen wolltest? Und wo geht es jetzt noch hin?“. Weil für uns, die Band und mich, ist es so, dass Russkaja sich in einer kontinuierlichen Entwicklung befinden und wenn es uns unser Leben ermöglicht, können wir das Leben von Russkaja auch weitergestalten. Das geht ineinander und solange wir daran glauben, können wir auch in die Band investieren, das ist so.

Christian (RM): Dann will ich mich schon mal bedanken für Die Zeit, die Du für uns aufgebracht hast und wünsche euch vollen Erfolg für die US-Tour. Hättest Du denn noch ein Schlusswort für die Fans?

Georgij: Unbedingt, für alle im Publikum, die uns annehmen: wir besingen ab und zu auch Sozialkritisches, was uns beschäftigt, aber wir versuchen niemandem unsere Meinung aufzuzwingen. Wir bringen den Leuten Rock´n´Roll, Musik und Freude am Leben, Freude miteinander Zeit zu verbringen, und damit meinen wir nicht unbedingt uns, wir dienen halt als musikalische Untermalung, wir wollen einfach, dass ihr mit Euren Freunden Zeit verbringt und das genießen könnt. Wenn es Dir bei uns nicht gefällt, kannst Du ja auch wieder gehen, oder kommst erst gar nicht. Wenn es Dir allerdings bei uns gefällt, bist du immer herzlich willkommen, so einfach ist das. Mein Schlusswort wäre ein Wunsch, nämlich Friede für Dein Zuhause – покой для вашего дома!

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Christian B

Ich höre alles von traditionellem Heavy Metal, Black, Death, Trash, Folk. Power über Punkrock und was es sonst noch so alles gibt, gut muss es halt sein. Bei was es mir allerdings die Zehennägel aufstellt ist langweiliger Prog wie in Dream Theater, Queensrÿche, Opeth und co. zelebrieren. Da schlafe ich schlichtweg ein.

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