Was braucht es dazu, um Musik als „schlecht“ abzustempeln?

Bestimmt hat da jeder Mensch seine eigenen Standards und Bewertungsmethoden, aber für mich gibt es ein ganz bestimmtes Kriterium, das gute und schlechte Musik unterscheidet und das heißt Langeweile. Wenn mich ein neuer Song kalt lässt, mich nicht begeistert und ich mich frage, wann er endlich zu Ende geht, damit ich dazu übergehen kann, die hervorragende Heavy Rotation-Playlist des Rockmagazines auf Spotify auf die Ohren zu bekommen, dann ist dieser Song in meinen Augen schlecht.

Aber was kann man als Songwriter tun, um das aufkommende Gefühl der Langeweile beim Hörer zu verhindern?

Genau diese Frage scheinen sich Entorx beim Schreiben ihres neusten Albums Faceless Insanity“ gestellt zu haben. Die Gruppe aus Deutschland hat es dabei noch besonders schwer, denn sie bewegen sich mit ihrem Death Metal mit thrashigen Einflüssen in einem Genre, das schnell langweilig werden kann: Immer das gleiche Blastbeat-Drumming, unverständlicher Gesang und die ewige „Hau drauf“-Mentalität kann sehr schnell ermüdend wirken. Haben Entorx es geschafft, ein abwechslungsreicheres Album zu kreieren oder fällt Faceless Insanity“ am Ende doch unter die Kategorie 0815-Death Metal?

Der Opener Overture – Condemnation fängt auf alle Fälle vielversprechend an. Atmosphärische Pianoklänge, die an Fleshgod Apocalypse erinnern, Regen- und Gewittereffekte und gesprochene Parts von amerikanischen Pressekonferenzen (ja, auch Trump ist dabei) eröffnen das Album. Statements zu Guantanamo und Waterboarding werden durch den Satz: „These restrictions make no sense.“ beendet und der erste richtige Song Black Dawn beginnt. Blastbeats und Gitarrenriffs brettern auf den Hörer ein, hörbare Black Metal-Einflüsse und eine, von Gitarren(dis)harmonien geprägte Solosektion werden hier zum Besten gegeben.

Der Song ist ohne Frage harter Tobak, mir persönlich jedoch stellenweise zu langatmig. Doch Hypocritical Faith beendet diesen Anflug von Langweile schlagartig. Pigsqueals und ein stark treibendes Schlagzeug beginnen den Song, später kommt überraschend noch Klargesang hinzu, der leicht an Marko Hietala von Nightwish erinnert. Eine garantierte Live-Granate und exzellente Wahl für eine Single!

Weiter geht es mit PTSD, einem thrashig angehauchten Track, der nach einer weiteren kurzen Darbietung von Klargesang in eine Art Death Metal-Walzer übergeht!

Das nachfolgende Gitarrenintermezzo Isolation hätte ruhig noch ein Teil des vorherigen Songs bleiben können. Allein gesehen ist es weniger herausstechend, aber eine gute Abwechslung zum Death Metal der vorherigen Songs, was natürlich Pluspunkte von mir gibt.

Madness Unchained zeigt wieder die Black Metal-Einflüsse der Band und ist mir auch wieder etwas zu lange.

Zum Glück kommt danach der Part des Albums, der mir am Besten gefällt. Angeführt vom thrashigen Paranoid Conspiracy, der durch seinen Gojira-mäßigen Breakdown und den tiefen Growls von Sänger René Baron glänzt, unternehmen Entorx mit dem darauffolgenden Song Morbid Rage einen Ausflug in Richtung Death’n’Roll. Sogar ein Reggae-Part, der stark an Jinjer erinnert, ist in diesem absoluten Hit enthalten. 

Doch mit dem Albumcloser Doomed setzten die Jungs noch einen drauf. Obwohl der Song mit seinen zehn Minuten Laufzeit alle anderen Tracks weit an Dauer überbietet, tappen Entorx nicht in die Falle der langweiligen Longplayer.

Mit abwechslungsreichem Songwriting und der Beimischung von ruhigeren Passagen ist dieser Song, trotz seiner Überlänge, mein absoluter Favorit von Faceless Insanity“. Als kleiner Leckerbissen für Langzeitfans gibt es dann noch eine neu aufgelegte Version eines Klassikers der Band als Bonus Track serviert und dann ist das Album auch schon wieder zu Ende.

Konzerte mit Vader, Cypecore und ein eigens organisiertes Underground-Festival namens „Kill Your Brain Fest“ sind nur einige Meilensteine in der bald elfjährigen Karriere der Band. Entorx bereichern nämlich die Metalszene bereits seit 2009, was die Erfahrung der Mitglieder unterstreicht und genau diese Erfahrung spiegelt sich in ihrem neuen Album wieder.

Bis auf ein paar Kleinigkeiten habe ich hier nichts zu bemängeln, Faceless Insanity“ ist ein Death Metal Album, das es immer wieder aufs Neue schafft zu überraschen und der Langeweile ein Schnippchen zu schlagen!

Fazit: Wer auf gut geschriebenen Death Metal mit Einflüssen aus allen Richtungen der Musik steht, sollte sich Faceless Insanity“ unbedingt anhören. 

Von mir gibt es für die Platte satte 8 von 10 Bängs.

acht von zehn

„Faceless Insanity“ erscheint am 29. Mai 2020.

 

By Elias

Schreiberling aus Leidenschaft, Metal-Enthusiast seit der Schulzeit. Verirrt sich gern in den Tiefen des Prog und bestaunt moderne Ansätze zu Rock und Metal.

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