Christian (RM): Ich möchte zu Beginn des Interviews gleich mal zwei Jahre zurück gehen, denn Ihr habt ja schon 2020 neue Songs auf dem Abstandskonzert in München gespielt. Wie weit war das Album zu dem Zeitpunkt schon?
Thomas (Schandmaul): Das Album war im Prinzip geschrieben, wie waren in einer Phase, wo die Songs nur noch arrangiert werden mussten. Es war ja geplant, das Ding viel früher rauszubringen, so Anfang 2021.
Christian (RM): Warum dann die Verzögerung um ein Jahr?
Thomas: Weil wir uns gesagt haben, eine Veröffentlichung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn man danach nicht auf Tournee gehen kann, bringt nichts. Und so haben wir uns gesagt „Eile mit Weile“! Im Nachhinein haben sich die Studioaufnahmen coronabedingt auch noch länger gezogen als geplant. Weil die ganzen Auflagen mit Abstand und allen möglichen Regeln, das wir überhaupt was einspielen konnten im Studio, dieses zu organisieren kam dann auch noch erschwerend hinzu. Der Hauptgrund war aber tatsächlich, dass wir kein Album rausbringen wollten, ohne die Chance, dieses live auf Tournee präsentieren zu können.
Christian (RM): Ein Song, den ihr damals schon gespielt habt, ist ja auch der Titeltrack Eures Neuen Werkes, nämlich Knüppel aus dem Sack, der erfrischend hart rüberkommt und etwas aus eurem „normalen“ Stil etwas heraussticht. Wie ist der entstanden?
Thomas: Ich sag mal, der Text entstand so langsam und die Musik drängte sich sogleich auf. Das war irgendwie kein langes Überlegen, es war klar, dass wir da dieses Märchen, Tischlein deck dich, mit einem Augenzwinkern aufarbeiten und das man sich da mit dem Knüppel befasst, der durchaus ein interessantes Objekt ist. Wer hätte es sich da nicht ab und an gewünscht, so etwas zu besitzen und wenn man darüber nachdenkt, was wäre, wenn jeder so einen Sack hätte? Wo geht’s dann hin? Und da hat sich sogleich auch die härtere Gangart und Musik aufgedrängt. Wir verstehen das Ganze textlich wie auch musikalisch mit dem nötigen Zwinkern. Die Entstehung von Knüppel aus dem Sack hat einen Riesenspaß gemacht. Das es der Titeltrack wird, ergab sich dann durch den Namen. Man sucht ja dann immer so eine Überschrift, dann schaut man sich ja erstmal die Titel durch, die auf dem Album zu finden sind, ob sich da was hervordrängelt. Und Halloooo den Knüppel aus dem Sack, die Katze aus dem Sack lassen, Halloooo hier sind wir wieder, das war wie Arsch auf Eimer!
Christian (RM): Der Song eröffnet ja auch gleich das Album, hab ihr denn da keine Angst, Eure „Oldschool“-Fans damit zu verschrecken?
Thomas: Nein, ehrlich gesagt hab ich da keine Angst, denn der „Oldschool“ Fan, den du ansprichst, würde sich niemals damit zufrieden geben, nur ein Lied zu hören. Der würde schon weitermachen, von mir aus auch erschreckt und eventuell betroffen. Aber er würde dann auch sehr schnell feststellen, das dass durchaus ein Schandmaul Album ist mit allen Facetten, die wir so haben.
Christian (RM): Es sind ja ein paar Gastauftritte zu finden auf dem kommenden Album, Alea von Saltatio Mortis, Ben von Feuerschwanz und auch Albi und Pat von Fiddler´s Green. Sind das gute Freunde von Euch oder wie ist es dazu gekommen?
Thomas: Definitiv. Man kennt sich seit zig Jahren, man läuft sich bei diversen Festivals über den Weg, man kennt sich und tauscht sich untereinander auch aus in diesem Genre, im Sinne von das Publikum ist speziell und begrenzt. Da fragt man dann schon mal rum, wann geht der andere auf Tournee, nicht dass man sich gegenseitig vors Auto fährt. Wann bringt ihr Eure CD raus? Ok, dann bringen wir sie da raus. Man spricht sich ab, man guckt, man beobachtet, man quatscht miteinander und so sind Freundschaften entstanden. Und so tritt man auch gerne bei den anderen auf als Gast, der eine hier, der andere da, und dann alles umgekehrt. Das ist, sag ich mal, momentan auch IN. Und wieso auch nicht, es hat Spaß gemacht die Jungs für uns singen und spielen zu lassen.
Christian (RM): Bei den Jungs von Fiddler´s Green musste ich etwas überlegen, wer das sein könnte, singen sie da ja ungewohnt auf Deutsch, was sie normal nicht machen.
Thomas: Ja, der Patrick war dabei und der Albi, die haben halt ihren typischen Chor reingebracht. Mit Fiddler´s Green haben wir ja schon dieses Sauflied, der Teufel hat den Schnaps gemacht, eingespielt und da haben die ja den englischen Part gesungen. Die kennen wir schon ewig und wohnen auch ums Eck, teilweise in München, teilweise in Nürnberg, Erlangen und so weiter. Der Tobi, hat uns ja auch schon die Schwangerschaftsvertretung gemacht, als unsere Geigenspielerin trächtig war, sag ich mal böse (und mit einem Augenzwinkern). Das ist eine tiefe Freundschaft, die uns mit den Jungs verbindet. Da singen sie dann auch mal auf Deutsch, das bekommen sie dann hin, sie sind der Sprache mächtig.
Christian (RM): Ich interpretiere normal nichts in Lieder rein, aber kann es sein das Irgendwann auch so zu verstehen ist das er von Kontakt zu den Fans vor der Bühne, oder zu Menschen generell handelt?
Thomas: Richtig, Du sprichst nebenbei das einzige Lied an das Corona kennengelernt an, sozusagen. Dieses entstand im Lockdown, und es spricht ganz klar „jetzt sitzen wir hier und wollen eigentlich losfahren und gemeinsam feiern, Party machen“. Es steckt eben die Hoffnung darin irgendwann wird’s auf jeden Fall wieder gehen. Dieses Lied haben wir noch nachgeschoben und hat es eben auch auf die Platte geschafft. Platte sagt man aber gar nicht mehr, Playlist wäre vielleicht besser, es ist ja alles nicht mehr so wie es mal war.
Christian (RM): Die Band Schandmaul hat ja jetzt doch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und etliche Alben auf den Markt gebracht, hattet ihr da auch schon mal Ermüdungserscheinungen bzw. Probleme mit der Muse, die Euch einfach nicht küssen wollte?
Thomas: Das erlebt man immer mal wieder, weil diese Madame Muse, benennen wir sie doch genau so, die ist halt auch mal eine Zicke mitunter. Sie lässt sich nicht zwingen zu kommen, man muss ihr halt nur die Gelegenheit geben das man da ist wenn sie kommt. Dann sollte man auch parat stehen wenn es möglich ist. Man hat halt Phasen, da läuft es! Ich schreibe bereits am nächsten Album, weil ich immer schreibe, und dann klappts mal und dann kommen eins, zwei, drei am Stück und sprudelt nur so. Und dann sitze ich hier aber auch mal und drehe Däumchen und Madame besucht mich eben nicht, deswegen muss ich aber auch da sein, weil es ja sein könnte das sie vorbeischaut. Das weiß man halt nicht und deswegen fängt man früh an zu schreiben und zum Sammeln, denn wenn wir in dem Turnus bleiben, wo wir alle zwei Jahre was veröffentlichen wollen hat man schon gesammelt und es ist dementsprechend was da. Das heißt es gab schon immer Probleme das sie einen nicht küsst, hat aber bisher dann doch noch immer funktioniert. Ich hab jetzt da keine Angst das mir nichts einfällt, dann soll es in dem Moment halt nicht sein. Ich versuche auch nichts übers Knie zu brechen, in Sachen Kreativität, da kommt meist nur Grütze raus. Erzwungene Kreativität läuft nicht, also bei mir nicht.
Christian (RM): Wie läuft das überhaupt bei Euch ab mit dem Songwriting und im Studio? Demokratie oder Diktatur?
Thomas: Das ist Demokratie, ganz klar. Bei uns gibt es verschiedene Leute die Ideen haben und Lieder schreiben, die stellen das dann vor, teilweise schon aufgenommen oder am Klavier, an der Gitarre, was weiß ich, und das wird dann in der Band vorgestellt. Das hört man sich dann an und dann geht der Daumen entweder rauf oder runter. Und wenn wir entscheiden wir arbeiten daran weiter geht’s in den Proberaum, die Instrumente werden ausgepackt und die persönlichen individuellen Gewürze, jeder bringt sich ein und dann wird so lange daran rumgeschraubt bis der Schandmaul – Eintopf fertig ist und schmeckt, und zwar allen. Und dann hat man eine Auswahl von einigen Liedern, und dann wird sich nochmal tief in die Augen geschaut, welcher davon kommen jetzt aufs Album. Meist sind ja mehr da als man dann braucht bzw. merkt man dann auch beim Arrangieren und beim Spielen, das sich das eine oder andere vordrängelt, sich stärker anfühlt. Oder man hat schon Ideen, wo man merkt, da geht das Publikum ab oder da fangen sie an zu Heulen, dass wollen wir haben.
Christian (RM): Vor ein paar Tagen hast Du Dich auf Social Media über die kostenlose Musik in der heutigen Zeit beklagt, willst Du Dich dazu noch etwas genauer äußern? Wie sehr bezieht sich das auch auf Spotify und co?
Thomas: Definitiv, es ist erschreckend was du da verdienst bzw. was nicht. Es ist im Prinzip umsonst, das kann man sich auch vorstellen. Man zahlt da irgendwelche Monatsbeiträge, hast Zugriff auf Millionen von Titeln, es kommt im Endeffekt nichts an beim Künstler. Wie bewegen uns im 0,00 irgendwas Cent Bereich, da muss eine alte Frau lange für stricken, das da überhaupt was rauskommt. Für den Hörer/Konsumenten ist es komfortabel, das steht ja außer Frage. Und das ist ein Trend, der sich jetzt auch schon länger abzeichnet, für uns bleibt halt das Livegeschäft. Der Eintrittspreis wird verwendet um die Bühne, die Show zu finanzieren und die Leute die dort arbeiten. Am meisten tust Du uns dann wohl, wenn Du Dir Dein T-Shirt dort kaufst. Wir sind quasi Textilhändler, so schaut es aus!
Christian (RM): Wie konsumierst Du dann Musik?
Thomas: Ich habe nicht mal ein Smartphone (was man jetzt nicht sehen kann im Text, aber Thomas hält einen fast schon altertümlichen Handyknochen in die Kamera), ich habe kein Spotify. Ich habe CDs und Vinyl, und einen Schallplattenspieler dazu. Was mir erschreckend auffällt ist ja das die Lieder heutzutage in irgendwelchen Playlists verpackt sind und die Leute oft mal nicht wissen was sie da hören, nach dem Motto „wie gefällt dir Song 3 in der Liste was weiß ich“ – „Ja, denn find ich auch gut“. Die wissen die Band nicht, die wissen nichts, die finden den Song halt cool. Und wenn ich mir eine CD kaufe, dann höre ich mir die an und tue dabei nichts anderes, ich leg mir die ein, setze mich auf die Couch und höre mir das Album durch. Ich höre nebenbei keine Musik, wenn ich etwas mache, läuft keine Musik, ich lauf nicht rum mit Stöpseln im Ohr, so konsumiere ich Musik nicht. Also wenn ich Musik höre, dann höre ich sie und ist das was ich in dem Moment tue.
Christian (RM): Wir waren auf dem Biergarten Open Air im Backstage/München im Oktober, was ja eigentlich ganz nett war, aber es fehlte halt die Action und die eigentliche Livesituation für uns Fans. Wie habt ihr die Konzerte, Strandkorb oder Abstandskonzerte, wie auch immer von der Bühne aus erlebt?
Thomas: Es ist im Prinzip das Gleiche, zumindest in der Art und Weise wie wir unsere Musik da präsentierten. Ich könnte mir eher vorstellen das man da so eine Halle bestuhlt und die Leute sitzen da, wie in so einem Klassik Konzert und dann sitze ich auch, weißt Du was ich meine? Da sitzen wir dann auf so Barhockern, haben einen schicken Anzug an und machen dann ein dementsprechendes Set. Aber wenn man rumeiert und Action macht auf der Bühne wollen wir vom Konzept her eine Party vor der Bühne, wo die Leute tanzen, ausrasten und mitgröllen. Ich meine wenn ihr sitzt, sollten ihr auch sitzen, wie sieht das sonst aus. Ich meine ihr sitzt da und wir springen auf der Bühne rum wie nicht gescheit, für wen auch? Ganz ehrlich, es hat sich genauso beschissen angefühlt wie für Euch da unten! Das ist nichts.
Christian (RM): Soweit ich weiß habt ihr zumindest keines dieser reinen Onlinekonzerte gespielt, oder?
Thomas: Doch doch, eines im Nürnberger Hirsch und eines für Magenta Music 360. Das ist ja nochmal eine Stufe perverser, weil Dein Publikum ist eine Kameralinse und Du tust nur so als ob da jemand wäre. Weißt Du, da mach ich dann lieber ein Video, da weiß ich das es nicht live ist und ich weiß das keiner zuschaut, das ist dann wie ein Film. Aber ein „Live“ Konzert ohne Publikum, das ist komisch, lieber nicht mehr!
Christian (RM): Dann hoffen wir das es im November, wenn ihr auf Tour seid, keine neuerliche Corona Welle und dementsprechende Auflagen gibt.
Thomas: Hoffen wir es.
Christian (RM): Apropos live, ihr seid ja auch schon eine Weile unterwegs, und habt schon so manche Location gesehen, aber gibt es noch nen Ort wo Du unbedingt auftreten willst?
Thomas: Waldbühne Berlin, einfach weil ich da schon ein paarmal als Zuschauer war, die würde ich gerne mal bespielen. Aber es ist jetzt kein tiefgehegter Traum, wo mein Leben davon abhängt, sowas habe ich nicht. Im Großen und Ganzen kann man sagen das ich das ich eher der Club und Hallen Typ bin. Ich bin lieber auf Tournee als auf Festivals, ich mag es halt einfach, wenn man ankommt, und es ist Deins, man kommt an und lernt die Bühne und die Location kennen, man macht den Soundcheck, so nach dem Motto Dein Haus, Dein Reich und abends kommen die Fans wegen Dir und wollen Deine Musik hören die Du machst. Das finde ich schöner als auf einem Festival, wo 200 Bands auftreten, wo man auf die Bühne gehetzt und wieder runtergefegt wird, aber das ist was rein Persönliches. Auch hier freue ich mich auf die kommende Tournee, aufs Holz geklopft das sie stattfinden möge!
Christian (RM): Welche Frage sollte man Dir in zehn Jahren stellen? (auch Schandmaul kommen mir mit dieser Frage nicht aus!)
Thomas: hmmm, wo bin ich dann? Da stehe ich kurz vor sechzig. Wie schaffen sie es in ihrem Alter immer noch so agil auf der Bühne zu wirken?
Christian (RM): Das war es dann auch schon wieder bis auf das Schlusswort an die Fans?
Thomas: Schaut Euch um, wir kommen in Eure Nähe, also hoch mit dem Arsch, wir kommen live vorbei, das ist was anderes als auf Kopfhörer und machen Spaß, wir sehen uns.
Christian (RM): Dann sage ich danke fürs Interview und für Deine Zeit und wünsche Euch viel Erfolg, gute CD-Verkäufe und eine erfolgreiche Tour!