Genre: Symphonic Death Metal/Dark Metal
Land: Griechenland
Nach fünf Jahren Wartezeit haben es die griechischen Giganten von Septicflesh endlich geschafft: ihr neustes Album „Modern Primitive“ erblickt das Licht der Welt. Während der Vorgänger „Codex Omega“ in den Medien gut ankam, habe ich jedoch ein paar Probleme mit der Platte gehabt. Trotz phänomenalem Mixing und spitzenmäßigen Performances der gesamten Band, wurde „Codex Omega“ doch sehr schnell sehr repetitiv. Nach den ersten paar Liedern kam nichts Neues oder Überraschendes mehr hinzu und gerade Septicflesh leben von dem gewissen Wow-Faktor, der durch brillante Orchestrierung, brachiale Riffs oder besonders gesungene Passagen ausgelöst wird. Hat die Band mit fünf Jahren Vorbereitungszeit diesen Wow-Faktor wiederentdeckt?
The Collector führt uns in die Welt von „Modern Primitive“ ein. Septicflesh nutzen auf ihrem neuen Album viele orientalisch klingende Instrumente und im Intro des ersten Liedes ist dies keine Ausnahme. Langsam schließen sich den Klängen der Oud (arabisches Saiteninstrument) auch Streicher an, bevor dann mit einem Schlag die gesamte Band hinzukommt. Brachial wie eh und je spielen die Gitarristen ihre Headbanger-Riffs, begleitet von bedrohlichen Blechbläsern. Growler Spiros Antoniou beweist bereits auf dem ersten Song, dass er einer der Besten im Business ist. Insgesamt ist The Collector perfekt, um die Musik von Septicflesh kennenzulernen – brutal, markerschütternd und trotzdem wunderschön.
Wie Fanfaren läuten die Blechbläser den nächsten Song ein – Singleauskopplung Hierophant. Der, durch seinen marschierenden Rhythmus und eingängigen Refrain sehr kultisch klingende Track ist eines der Highlights des Albums. Besonders die Mittelsektion mit dem Einsatz des Chors beweist mir, warum ich diese Band so liebe: Orchestrale Elemente und Band spielen zusammen in (Dis)Harmonie und erzeugen so eine episches Liedfragment, das ohne diese Fusion nie zustande gekommen wäre. Auch der Videoclip zum Song ist absolut sehenswert und erinnert stark an den Trailer eines high-budget Kinofilms. Aber seht selbst:
„Modern Primitive“ besitzt ein paar entscheidende Pluspunkte, die es bereits ohne die Auseinandersetzung mit den einzelnen Songs zu einem starken Album macht. Beispielsweise unterstützt die festgelegte Reihenfolge der Lieder deren Qualität. Das sehr riffintensive Neuromancer gefällt mir persönlich sehr viel besser, wenn ich es nach dem stark auf das Orchester fokussierte Self Eater höre. Als Single hatte mich Neuromancer nicht überzeugt, aber als Teilstück von „Modern Primitive“ macht es absolut Sinn.
Während Neuromancer seinen Schwerpunkt doch sehr auf das Riffing der Gitarren setzt, gibt es auch immer wieder Momente, in denen aufbauende Orchesterparts zum Besten gegeben werden. In diesen hat auch Sänger bzw. ägyptischer Pharao (schaut euch das Video an, der Mann ist entweder Pharao oder ägyptischer Gott) Sotiris Vayenas seinen Platz. Die geniale Dynamik, die Spiros Antonious Growls und Sotiris Vayenas, manchmal erzählende, manchmal singende Klargesangsstimme bilden, kommt besonders in Hierophant und Neuromancer zur Geltung.
Wer mal erleben will wie es klingt, wenn das Orchester einen härteren Part übernimmt als die Metal-Band selbst, sollte sich Coming Storm nicht entgehen lassen. Vergleichbar mit Mad Architect von „The Great Mass“ legen die Griechen hier richtig an Tempo zu und lassen es aussehen, als wäre der titelgebende Sturm schon längst hier. Die schier verrückt klingenden Trompeten prägen diesen Song ganz gewaltig, der am Ende doch ein wenig abbremst und mit einer dualen Vocal-Performance der beiden Sänger endet.
Ein weiterer Pluspunkt an das Album an sich, ist der allgemeine Ton, den „Modern Primitive“ wahrt. Die Platte klingt nach einem harten Sequel zum Film The Prince Of Egypt oder nach dem Lebenszyklus eines Pharaonenreiches. Alles ist erhaben, brachial und episch. Besonders beweist dies der Höhepunkt der Scheibe – A Desert Throne. Sämtliche Stärken der Band – harte Breakdowns, melodische Orchesterparts und eingängige Refrains – sind in diesem Song vereint. Während in anderen Tracks entweder das Orchester oder die Bandelemente die Oberhand behalten, arbeiten hier beide gleichermaßen zusammen. Die Gitarren duellieren sich im Refrain regelrecht mit dem Orchester um die Melodieführung, während sie in den Strophen und Breakdowns für die nötige Härte sorgen.
Titelsong Modern Primitives gehört nach den vielen härteren Tracks eher in die hymnische Kategorie. Der klar gesungene Refrain ist zwar nicht so stark wie beispielsweise Hierophant, bleibt aber trotzdem im Kopf. Vor allem vor dem Hintergrund des wütenden Ukrainekrieges, kann einen der Text dieses Liedes und der Albumtitel schon zum Nachdenken bringen. „Inventing new ways to wreck destruction.“ Sind wir im Inneren immer noch dieselben Wilden wie vor Tausenden von Jahren? Jäger und Sammler mit iPhones und Atomwaffen?
Leider muss ich an diesem Punkt auf die Schwächen von „Modern Primitive“ eingehen. Gerade die letzten zwei Lieder ziehen das Album in der Gesamtwertung ein wenig runter. Psychohistory klingt wie eine schwächere, aber aggressivere Version von A Desert Throne und A Dreadful Muse nimmt zwar zum Ende hin eine dramatisch-theatralische Form an, aber der Weg dorthin baut für mich keinerlei Spannung auf. Trotzdem haben Septicflesh mit ihrem neuen Album wieder viel beeindruckende Musk geschrieben, die mich sicher noch für den Rest des Jahres begleiten wird.
Fazit: Auf „Modern Primitive“ erwartet euch top abgemischter, brachial-epischer Symphonic Death Metal, der klingt, als stamme er aus einer verzerrten Horror-Version des alten Ägypten. Septicflesh haben mit ihrem neuen Album ein Werk geschaffen, das davon profitiert als Album gehört zu werden. Jeder Teil der Band (inklusive Orchester) hat in den fünf Jahren Bearbeitungszeit ein gehöriges Upgrade verpasst bekommen und trotz kleiner Kritikpunkte ist am Ende ein überstarkes Werk dabei herausgekommen.
„Modern Primitive“ bekommt von mir 8,5 von 10 biblischen Plagen (oder Bängs für alle Nicht-Ägypter).
„Modern Primitive“ erscheint am 20. Mai 2022 via Nuclear Blast und ist als LP, CD und digitaler Download erhältlich.
Die Band:
Sotiris Vayenas – Gitarre, Gesang
Spiros „Seth“ Antoniou – Bass, Gesang
Christos Antoniou – Gitarre
Dinon „Psychon“ Prassas – Gitarre
Kerim „Krimh“ Lechner – Schlagzeug
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