Ronnie Atkins – Solo-Debut „One Shot“ des Pretty Maids-Frontmanns – Album-Review

GENRE: Hard Rock
Herkunft : Dänemark
Es ist nun schon 36 Jahre her, dass ich Ronnie Atkins (mit bürgerlichem Namen eigentlich Paul Christensen) das erste Mal als junger Spund im zarten Alter von 16 Jahren live erleben konnte:
Mit seiner Stammband Pretty Maids war er 1985 in Mannheim Support für Saxon auf deren „Innocence is no Excuse“-Tour und erstmals auf größerer Europatour, um ihr Hammer-Debut-Album“ Ret, Hot and Heavy“ zu promoten, was auch heute noch für mich zu den 3 besten Alben der Dänen gehört.

Inzwischen haben sich unsere Wege mehrfach gekreuzt und Ronnie führt auch Dank seiner zusätzlichen Auftritte zusammen mit Avantasia meine persönliche Liste bei Setlist.fm der am meisten live gesehenen Sänger knapp an. Somit gehört Ronnie ganz klar zu meinem Alltime-Faves am Mikro und gleichzeitig zu den Helden meiner Jugendzeit, denn bislang hat er mich live in den letzten 3,5 Jahrzenten noch nie richtig enttäuscht, auch wenn live in den letzten Jahren der Gesang wohl auch altersbedingt das ein oder andere Mal nicht mehr ganz die Klasse der 80er und 90er Jahre erreichte .
Aber das ist wohl dem Zahn der Zeit geschuldet , wovon auch andere Größen im Hard&Heavy-Business nicht verschont blieben. Hier fällt mir ganz spontan Graham Bonnet und Gary Barden auf der MSG-DVD vom „Bang your Head 2019“ ein, wo die Töne mehr als nur einmal nicht getroffen wurden.
Nachdem die „hübschen Dienstmädchen“ um die Jahrtausendwende meines Erachtens bei Ihren Veröffentlichungen qualitativ einen Durchhänger hatten und erstmals 2010 mit Ihrem „Pandemonium“–Album wieder voll ins Schwarze bei mir trafen, konnte das hohe Niveau auch bei den folgenden Alben bis zum letzten Werk „Undress your Madness“ von 2019 auf überdurchschnittlichem Niveau gehalten werden. Ganz nebenbei veröffentlichte Ronnie auch noch zwei erstklassige Veröffentlichungen mit Erik Martensson (u.a. Eclipse) in Form ihres Sideprojekts Nordic Union.
So war ich natürlich mehr als gespannt, wie Ronnie`s erstes Solo-Album „One Shot“ ausfällt, welches ja nach dem Bekanntwerden seiner Krebsdiagnose entstand. Die erste Vorabauskopplung „Real“ überzeugte schon mal und steigerte nochmals bei mir die Spannung auf den Veröffentlichungstermin des Albums .
Nun kommt „One Shot“ am 12. März in die Läden und ich muss meinen Hut ziehen, was Ronnie hier trotz der schwierigen (Corona-)Zeiten und seiner ganz persönlichen Situation geschaffen hat. Ein erstklassiges Hardrock-Album, welches nur so strotzt vor erstklassigen Melodien und einem positiven Gute-Laune -Feeling.
Nicht bloß ein Abklatsch der Pretty Maids, sondern ein eigenständiges erwachsenes Album, bei dem man aber trotzdem sofort erkennt, wer hier am Mikro steht. Eigentlich schon längst überfällig, bringen doch viele Frontmänner /-frauen erfolgreicher Band ihre Solowerke auf den Markt, oftmals jedoch mehr oder weniger erfolgreich. Dies dürfte Ronnie erspart bleiben, kann er doch auf eine treue Schar von Fans aus dem melodischen Hardrock-Lager bauen.
„Um ehrlich zu sein, hatte ich ursprünglich gar nicht die Absicht, ein Soloalbum zu machen, aber aus verschiedenen Gründen und vor allem wegen meiner persönlichen gesundheitlichen Situation habe ich mich schließlich dazu entschlossen, es zu versuchen“, so Atkins.
„Um Ostern 2020 herum und nur etwa sechs Wochen, nachdem mir gesagt wurde, dass alles scheinbar sehr positiv für meine Gesundheit aussah, wurde bei mir leider Krebs im Stadium 4 diagnostiziert und mir wurde gesagt, dass er unheilbar sei, was eine niederschmetternde Nachricht für mich war. Unnötig zu sagen, dass das ein totaler Wendepunkt war und ich für eine Weile in eine Art Paniksituation geriet! Aber als sich der Staub gelegt hatte. Ich erkannte, dass es zwei Möglichkeiten gab, die Situation anzugehen. Ich konnte mich hinsetzen, die Fakten akzeptieren und mich selbst bemitleiden oder ich konnte mich aufraffen, mir Ziele setzen, meine Träume verfolgen und weiterleben! Und mit der fantastischen Unterstützung meiner Familie und meiner wahren Freunde entschied ich mich für Letzteres“, fährt Atkins fort.
Dies war sicherlich die bessere Entscheidung, wäre uns Fans dann doch dieses hörenswerte Werk vorenthalten worden. Ronnie schaffte es trotz dieser belastenden Situation den Kopf soweit frei zu bekommen, dass ihm mit „One Shot“ ein sehr persönliches Werk gelungen ist, das ihm sicherlich dabei half, die schlechten Nachrichten um seine Krebsdiagnose besser zu bewältigen.
Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, raffte er sich auf und schaffte auch mit der Unterstützung zahlreicher musikalischer Weggefährten ein absolut hörenswertes Album. Unter anderem unterstützen ihn bei den Aufnahmen Allan Sørensen (Pretty Maids), Morten Sandager (ex-Pretty Maids), Pontus Egberg (ex- The Poodles, King Diamond), Anders Ringman (Randy Pipers Animal) , Pontus Norgren (ex-The Poodles, Hammerfall), Kee Marcello (ex-Europe), Oliver Hartmann (Avantasia, Hartmann) , John Berg , Linnea Vikström Egg (QFT) und Björn Strid (Soilwort, The Night Flight Orchestra) an den Instrumenten und an den Backing-Vocals. Zusammen mit seinem PM-Kollegen und Produzenten Chris Laney wurde das Album geschrieben, das Mischen übernahm anschließend PM-Hausproduzent Jacob Hansen.

„Ich konnte die Tatsachen auf keinen Fall ändern. Die ganze Welt stand still, und die Zukunftsaussichten für Konzerte waren sehr ungewiss und sind es bis heute! Im Grunde bedeutete das, dass wenn ich die Idee eines Soloalbums verwirklichen wollte, es jetzt sein musste, da ich nicht unbedingt alle Zeit der Welt habe. Ich hatte all diese Ideen auf meinem iPhone aufgenommen, von denen ich das Gefühl hatte, dass sie zu gut waren, um nie das Licht der Welt zu erblicken, und ich schrieb zu dieser Zeit viel, um meine Frustration abzubauen„, so Atkins
„Da ich nicht in der Lage war, die Aufnahmen selbst zu machen, da ich von der alten Schule bin und ein kompletter Idiot, wenn es um IT, Pro Tools usw. geht. Ich habe mich mit meinem PM-Freund und Feuerkünstler Chris Laney zusammengetan, der mich buchstäblich aufgemuntert und überzeugt hat, weiterzumachen. Also beschloss ich, loszulegen und nahm buchstäblich meine Ideen entweder auf dem Klavier oder der Gitarre und mit einem Mellotron-Klick auf, um den Beat und den begleitenden Gesang zu halten. Dann schickte ich diese an Chris, der die Instrumentierung in Stockholm machte und mir dann die Demos zurückschickte. Dann habe ich zuerst den Gesang aufgenommen, was genau das Gegenteil von dem ist, was man normalerweise macht, aber aufgrund der Ungewissheit meiner gesundheitlichen Situation wollte ich sie aufnehmen. Danach haben wir die Basisspuren aufgenommen, Schlagzeug, Gitarren, Keyboards, Backing Vocals, etc. Eine seltsame Vorgehensweise, zumindest für mich, aber sie funktionierte. Und so schritt diese Prozedur im Laufe des Sommers langsam voran und wurde schließlich zu einem Album mit 11 neuen Songs“, erklärt Atkins.
„Ohne den Enthusiasmus von Chris, der vom ersten Tag an mein ständiger Partner bei diesem Projekt war, hätte ich dieses Projekt nicht durchführen können. Darüber hinaus hatte ich das Vergnügen, mit einer Vielzahl großartiger Musiker/Sänger wie Pontus Norgren, Kee Marcello, Olliver Hartmann, Pontus Egberg, Linnea Vickström Egg, Björn Strid und nicht zuletzt meinen PM-Verwandten Allan Sørensen und Morten Sandager zusammenzuarbeiten“, fährt Atkins fort.
„Musikalisch und textlich war dieses Album ein anderer Prozess für mich, wenn man bedenkt, was alles passiert ist. Musikalisch hätte es in verschiedene Richtungen gehen können. Es ist immer eine Frage, wie man es haben möchte. Ein guter Song ist ein guter Song, es kommt also wirklich darauf an, wie er verpackt ist. Aber ich habe mich entschieden, dass es die Fans ansprechen soll, die Fans, die mir seit fast 40 Jahren folgen, also ist es im Grunde ein melodisches Rockalbum mit einem schweren Twist. Textlich hat es auch einen anderen Ansatz. Es fiel mir schwer, über Sex, Drogen und Rock’n’Roll etc. zu schreiben, aufgrund der Situation, in der ich mich befinde, also ist es wohl etwas persönlicher und vielleicht manchmal melancholisch geworden. Aber es spiegelt meine Gedanken zu dem Zeitpunkt wider, an dem diese Texte geschrieben wurden“, schließt Atkins
Den Anfang des Albums macht „Real“ , was auch schon als Video veröffentlicht wurde. Ein erstklassiger Song, der allen Fans von melodischem Hardrock gefallen wird und der dank des Refrains sofort im Ohr hängenbleibt.
Mit dem Titelsong „One Shot“ kommt einer der Highlight. Als Ballade beginnend, mit Klavier untermalt, nimmt der Song im Laufe der Zeit richtig Fahrt auf und endet in einem tollen Refrain und Solo. Besser hätte der Song nicht ausfallen können.
Ob das fast poppig angehauchte „Subjugatet, oder das zu Beginn an die Maids erinnernde „Frequency of Love oder „Before the rise of an empire“, immer wieder schafft es Ronnie mit tollen Melodien zu überzeugen.
Es folgt „Miles Away“ , für mich einer der Highlights des Albums, balladesk und leicht getragen beginnend, mündet dieser Song zum Höhepunkt in eine Gänsehaut schaffenden Refrain , Melodic-Rock par excellance .
„Picture Yourself“ schafft es dann unweigerlich, Aufbruchstimmung zu erzeugen, ein Song wie fürs Cabrio-fahren bei Sonnenschein gemacht. Auch „I Prophesize“ geht in die gleiche Richtung, und verbreitet irgendwie positive, gute Laune bei mir, auch wenn irgendwie immer Ronnies Erkrankung in meinem Hinterkopf herumgeistert.
Den Abschluss bildet „When Dreams are not enough“, ein würdiger Schlussong, der ein Album ohne Schwachpunkt beschließt und den Finger auf die Repeat-Taste tippen läßt.
Fazit:
Nach fast 40 Jahren Pretty Maids hat es sich Ronnie Atkins mehr als verdient, sein ganz persönliches Album in Form eines Solo-Albums aufzunehmen. Auch ohne seinen kongenialen Partner Ken Hammer an der Gitarre schafft er es auch Solo, ein absolut hörenswertes Album zu schreiben, was seine herausragenden Fähigkeiten als Sänger und Songwriter aufzeigt.
In Anbetracht der gesundheitlichen Situation und der nicht gerade hoffnungsvollen Gesamtsituation ist es umso erstaunlicher, welch positive Ausstrahlung die Songs des Albums haben. Vor Kraft strotzend, ein positives Feeling verbreitend, ein rundum tolles Album was mich zu 100 Prozent begeistert.

Ronnie ist einfach ein Meister des Genres und Vollblutrocker durch und durch, der sich auch durch diese Horrordiagnose nicht unterkriegen lässt.
Bleibt zu hoffen, dass Ronnie noch genügend Zeit bleibt, die Geburt seines „Babys“ richtig zu genießen und noch viele weitere Alben zu veröffentlichen, ganz gleich ob mit den Pretty Maids , Nordic Union oder auch Solo.
Zum Schluss hoffe ich, dass ich noch die Chance bekomme, Ronnie Atkins ein weiteres Mal live zu sehen. Sollte dies, warum auch immer, nicht mehr möglich sein, möchte ich ganz persönlich schon heute Danke an Ronnie für die letzten 36 Jahre toller Livemusik sagen.
In diesem Sinne Ronnie , stay „Red, hot & Heavy“
Für mich ist „One Shot“ schon jetzt das Album des Monats, so dass es von mir nur eine Bewertung geben kann: ganz klar 10 Bängs, nicht nur wegen der zu Beginn genannten Punkte.

Tracklist:
1. Real
2. Scorpio
3. One Shot
4. Subjugated
5. Frequency Of Love
6. Before The Rise Of An Empire
7. Miles Away
8. Picture Yourself
9. I Prophesize
10. One By One
11. When Dreams Are Not Enough
„One Shot“ erscheint am 12. März 2021 über Frontiers Records als CD im Jewel Case und als LP (180g Gatefold) und kann hier vorbestellt werden:
https://www.frontiers.shop/new-releases/1127/ronnie-atkins-one-shot-cd-jewelcase
Line-up:
Ronnie Atkins: Lead and backing vocals
Chris Laney: Rhythm guitars, keyboards and backing vocals
Allan Sørensen: Drums
Morten Sandager: Keyboards
Pontus Egberg: Bass
Acoustic guitars: Anders Ringman
Lead guitars/solos: Pontus Norgren, Kee Marcello, Oliver Hartmann, John Berg, Chris Laney
Additional backing vocals: Chris Laney, Linnea Vikström Egg, Oliver Hartmann, Bjørn Strid
Produced by: Chris Laney
Mixed by Jacob Hansen
Links:
https://www.facebook.com/RonnieAtkinsOfficial
https://www.instagram.com/ronnie_atkins_official

Thomas
Musikalisch bin ich seit den 80er vor allem im melodischen Hard& Heavy-Dschungel unterwegs und immer auf der Suche nach neuen und alten Perlen. Meine absoluten Faves sind Queenaryche, Y&T, Die Toten Hosen... u.v.a......teilweise geht mein Blick aber auch mal über den Tellerrand in Richtung Speed/Trash/Death...solange Melodien erkennbar sind. Auch wenn ich schon zu der Ü50-Fraktion gehöre, findet man mich bei Konzerten und Festivals fast immer Front of Stage, denn Sitzplatz bei Rockkonzerten, das geht gar nicht. Erst wenn es ohne Rollator mal nicht mehr gehen sollte, ist die Tribüne vielleicht ne Alternative.