In einer Zeit, in der Stars oft schneller verglühen, als sie aufsteigen, gibt es Musiker*innen, die über Jahre da sind und sich ins kollektive Gedächtnis gespielt haben. Die sich verändern und neu erfinden. Einer dieser Künstler ist Jo Halbig, Sänger & Gründer der Killerpilze, einer der prägendsten deutschsprachigen 00er-Jahre Bands, die nahezu über jeden TV-Bildschirm geflattert ist und über fast 2 Jahrzehnte den Wandel eines Teenie-Chart-Acts mit Europa-Tourneen zur filmpreisgekrönten Punkrock-Kult-Band vollzogen hat, die auch über die Pubertät ihrer Fans hinaus immer Teil der Szene war.
Nach 17 Jahren Dauer-Tour, 8 Alben und einem Kino-Film ist Ende 2019 aber erstmal Schluss auf unbestimmte Zeit. Für Jo Halbig eine einschneidende Veränderung, „erstmal ein großer Schock, fast ein Identitätsverlust“, wie er selbst sagt und dennoch erweist sich diese Phase des Umbruchs als Türöffner für neue Gedanken und Wege. In den letzten dreieinhalb Jahren war die Gitarre für ihn eher Relikt aus vergangenen Tagen und Erinnerung an die ekstatischen Live-Shows, die er mit seiner Band bis 2019 spielte. Bis Jo Anfang 2023 wieder beginnt, erste neue Text-Ideen zu sammeln, zwischen seiner Heimatstadt München und Berlin zu pendeln, um neue Songs zu schreiben und sich seine eigene Sound-Welt zusammen mit Produzenten wie Joschka Bender und Wieland Stahnecker zu bauen. „Ich habe das Gefühl, noch lange nicht alles gesagt zu haben und ich bin nun endlich bereit, das Stück für Stück zu teilen“ schreibt er auf seinem Instagram- Kanal zu seiner hoffnungsvoll klingenden Debüt-Single Alle Waren Da.
Weiter schreibt er: „Meine Musik soll ein Herzland für euch sein. Ein Ort, an dem wir alle gleich sind, der Hoffnung gibt. Und das hier ist der Start.“ Alle Waren Da zeigt Jo Halbig in einem völlig neuen Licht. Frisch umgesetzter Indierock-Sound, hymnische Chöre und ein clever zeitloser Song, der den Neubeginn zwischen Nachdenklichkeit und Leichtigkeit perfekt einläutet und sich mehr der UK-Ästhetik eines Sam Fenders als deutscher Pop-Produktionen bedient. Auch in den Clips auf Social-Media wie TikTok und Instagram, wo Fans seit seiner Ankündigung vor wenigen Tagen begeistert kommentieren, zeigt sich einer, der wenig auf Klischees gibt und zwischen den Welten wandelt. Er kann Menschen mitnehmen. Die Fans von früher. Deren Eltern. Aber auch viele neue Musikfans, die seine Hauptband nie gehört haben.
In den Liedern seiner angekündigten Debüt-EP geht es um Liebe und Freundschaft, ums Älterwerden, um psychische Probleme und dass das Private eben doch Politisch ist. Aber es ist eben nicht nur pure Befindlichkeit – und das macht die Musik des Solo-Debüts so interessant. Immer mit einem Schuss Hoffnung in manchmal hoffnungslos scheinenden Zeiten. Hier entfaltet sich ein Musiker, der eine völlig neuartige musikalische Spielwiese entdeckt hat und seinem DIY-Ethos nie abgeschworen, sowie seine Einflüsse zwischen den Stones, Punk und Popmusik nie verleugnet hat.
Fotocredit: Eric Joel Nagel