Land: Finnland

Genre: Melodic Death Metal

Was in Deutschland die Autoindustrie ist, ist in Finnland der Metal. Eine so große Anzahl an harten Qualitätsexporten bringt kein Land der Welt auf den Markt. Insomnium sind eines der finnischen Flaggschiffe des Melodic Death Metal. Mal sehen ob sie mit ihrem neusten Album “Anno 1696“ ins Schwarze treffen oder ob der Schuss nach hinten losgeht…

Mein größtes Problem mit der Band ist ihre Eintönigkeit. Viele Songs des Vorgängeralbums “Heart Like A Grave“ dümpelten meiner Meinung nach nur vor sich hin und endeten ohne erkennbare Höhepunkte. Der Opener der neuen Platte hat glücklicherweise genug Abwechslung. Mit Akustikgitarren geht es los (wie auf jedem guten Melodeath-Album). Hinzu kommt eine grunzende Erzählerstimme, die die düstere Atmosphäre untermalt. Die gesamte Band steigt schließlich mit Blastbeats und Black Metal-Riffing ein. Der Pre-Chorus wird in diesem Stil gespielt, aber danach wechseln die Finnen in gewohnte Melodeath-Gewässer mit komplementären Gitarrenmelodien und etwas weniger “Wall Of Sound“. Die Black Metal-Parts sind zwar eine willkommene Abwechslung, aber das Schlagzeug nimmt durch die laute Abmischung manchmal etwas zu viel Raum in ihnen ein.

White Christ nimmt dem Album ein wenig den Wind aus den Segeln. Das Schlagzeug, das im Song davor etwas zu aktiv war, ist hier zu zahm und gleichförmig. Die Gitarren haben nur gegen Ende ein interessantes Solo. Der Refrain ist in Ordnung, bleibt aber nicht so in Erinnerung wie der von 1696. Es passiert einfach zu wenig in diesem knapp sechsminütigen Lied.

Dafür beginnt das achtminütige Godforsaken sehr spannend für einen Insomnium-Song – mit Frauengesang. Johanna Kurkela hat in diesem Death Metal-Brecher immer wieder Auftritte mit esoterisch-mysteriösen Gesangsparts, die sehr an The Bee von den Landsmännern von Amorphis erinnern. Die Band selbst lässt in diesem Song auch ihre Amorphis-Seite mit orientalisch klingenden Gitarrenmelodien, sowie Schlaginstrumenten raus. Aber soft ist Godforsaken deshalb noch lange nicht: Insomnium produzieren hier stellenweise ein echtes Shred-Fest.

Single-Auskopplung Lilian ist der klassische Insomnium-Track: Hochmelodisch, hohes Tempo und hoher Suchtfaktor. Die Doublebass-Drums und Gitarrenakrobaten der Gruppe dürfen sich austoben und das ist auch gut so. Aber hört doch selbst:

Starless Paths kombiniert die Black Metal-Einflüsse aus 1696 und die melodischen Gitarren aus Lilian. Der Song bleibt durchgehend unterhaltsam und hat echte Höhepunkte, wie beispielsweise das grandiose Finale. So wünsche ich mir mein Insomnium.

Der nächste Archetyp im Katalog der Finnen ist der des einen Songs mit viel Klargesang. Auf “Anno 1696“ wird dieser durch The Witch Hunter bedient. Der Track ist durch den klar gesungenen Refrain, die massentauglicheren Drums und die hochmelodischen Gitarren der perfekte Song für Metal-Anfänger, die sich mal an etwas mit Growls herantasten wollen. Auch wenn er nicht mein Lieblingssong dieses Archetyps ist, kann er trotzdem gut mit seinen Kollegen und den hohen Standards der (meisten) anderen Songs des Albums mithalten.

Das Rausschmeißer-Duo The Unrest und The Rapids könnten nicht verschiedener sein. The Unrest ist eine akustische Ballade mit süßen Gitarren und Klavier-Einwürfen. Traurig und schön zugleich repräsentiert dieser Song vielleicht mehr als alle anderen des Albums den Kern von Insomnium: Emotionen hervorrufendes Songwriting. The Rapids beginnt zwar ruhig, doch die Action lässt nicht lange auf sich warten. Erneut kommen alle Waffen aus Insomniums instrumentalem Arsenal zum Einsatz – sogar Synths und leicht orchestrale Ansätze sind hörbar vertreten.

Insomnium 2022. From left Jani Liimatainen (guitar), Markus Vanhala (guitar), Niilo Sevänen (vocals and base), Ville Friman (guitar), Markus Hirvonen (drums). Century Media Records. Photo by Terhi Ylimäinen

“Anno 1696“ endet zwar stark, ist aber bei Weitem kein perfektes Album. Die ersten vier Songs, insbesondere White Christ sind schwächer bis wesentlich schwächer als die letzten vier. 1696 braucht etwas zu lange um wirklich Fahrt aufzunehmen und Godforsaken (trotz seiner Experimentierfreude) und Lilian kommen nicht an das eben besprochene Rausschmeißer-Duo oder Starless Paths heran. Die letzten vier Tracks klingen abwechslungsreicher, kommen schneller in Fahrt und machen einfach mehr Spaß als die trägere erste Hälfte der Platte.

Fazit: Insomnium liefern auf “Anno 1696“ wie gewohnt soliden bis exzellenten Melodic Death Metal. Auch wenn von “Hit“ bis “Miss“ alle Arten von Songs auf der Platte vorhanden sind, ist das Gesamtwerk doch um Längen besser als nur Mittelmaß. Fans von Insomnium (und Melodeath) werden “Anno 1696“ sicher lieben und für Neulinge kann das Album als Einstieg in die Diskografie der Band dienen, da es jede erdenkliche Stilrichtung der Finnen beinhaltet.

Von mir gibt es dafür 7 von 10 möglichen Bängs.

sieben von zehn

“Anno 1696“ erscheint am 24. Februar 2023 via Century Media Records und ist als CD, LP und digitaler Download erhältlich.

Die Band:

Niilo Sevänen – Bass, Vocals
Markus Vanhala – Gitarre
Ville Friman – Gitarre, Vocals
Jani Liimatainen – Gitarre
Markus Hirvonen – Schlagzeug

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By Elias

Schreiberling aus Leidenschaft, Metal-Enthusiast seit der Schulzeit. Verirrt sich gern in den Tiefen des Prog und bestaunt moderne Ansätze zu Rock und Metal.

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