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Haken – Virus – Prog mit Inkubationszeit – Album Review

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2020 ist bisher das beschissenste Jahr des Jahrhunderts. Soziale Kontakte in der echten Welt sind quasi illegal, die Wirtschaft ist auf dem absteigenden Ast, und ein Virus aus Asien hat es geschafft, die erste weltweite Pandemie mit weitreichenden Folgen für die gesamte Menschheit des 21. Jahrhunderts zu werden.

Aber das Jahr brachte auch gute Dinge hervor, vor allem im Gebiet Progressive Metal. Erst kamen Caligula’s Horse mit ihrer neuen Platte um die Ecke (zu der ich auch einen brisanten Artikel geschrieben habe) und jetzt sind die Prog-Giganten Haken mit neuem Material zurückgekehrt.

Das ironischerweise „Virus“ getaufte Werk ist die Fortsetzung der Geschichte, die das vorherige Album „Vektor“ begonnen hat.

Aber ist die neue Scheibe genauso infektiös, wie der Namensvetter des Corona-Biers?

Mit ein, zwei, ja sogar drei Hördurchgängen erschließt sich dieses Album dem Hörer nur in Bruchteilen. Nicht alle Songs sind klemmende Ohrwürmer wie der Opener Prosthetic, der diesen Status durch seinen Refrain schnell erreicht.

Viele der Lieder brauchen Zeit, um vollkommen erfasst werden zu können. Schließlich ist das hier Prog und kein Powerwolf-Album, bei dem fast jeder Song nach dem immer gleichen Schema geschrieben wird.

Invasion zum Beispiel kommt mit seinen an Du Hast von Rammstein erinnernden Strophen erstmal sehr überfordernd daher. Aber nach mehrfachem Hören taten sich bei mir viele Türen auf: Das Ende des Songs spiegelt den Anfang in veränderter Form und mit anderer Instrumentierung wider. Es gibt System Of A Down-Einflüsse, der Refrain wird immer mit unterschiedlichen Rythmuspassagen präsentiert, und und und!

Wenn ich Musiktheoretiker wäre, könnte ich sicher über diesen Song alleine eine Facharbeit schreiben und das, obwohl es noch sehr viel längere Songs auf „Virus“ gibt.

Das Herzstück des Albums Messiah Complex besitzt eine Länge von über 17 Minuten! Zur besseren Begutachtung wurde der Song von der Band in fünf Parts aufgeteilt und bietet so viel, dass ich auch nach dem zehnten Durchgang nur einen kleinen Teil des Songs erfassen konnte.

Messiah Complex I: Ivory Tower fängt vergleichsweise weniger verspielt an und bietet jazzige Strophen und einen getragenen Refrain, der im Ohr bleibt. Messiah Complex II: A Glutton For Punishment glänzt mit komplexem Drumming und einem alienartigen Gesangspart. In Messiah Complex III: Marigold können sich die Headbanger unter den Haken-Fans vergnügen, Messiah Complex IV: The Sect besitzt Referenzen zum Song Cockroach King vom ersten Album der Band und Messiah Complex V: Ectobius Rex ist das epische Finale des Songgebildes.

Ich glaube, ich habe die Worte Messiah Complex noch nie in meinem Leben so häufig geschrieben wie in diesem Artikel, aber dieser Song kann nicht genug Lob bekommen. Er bietet etwas für alte und neue Fans der Band und man kann nach Belieben zwischen den Parts wechseln, wenn man nicht die ganzen 17 Minuten hören möchte – fantastisch!

Aber genug Lob, denn leider ist „Virus“ nicht perfekt.

Der 10-Minuten-Song Carousel zieht sich stellenweise und hat es als einziger Song des Albums geschafft, mittendrin meine Aufmerksamkeit zu verlieren.

Die Pseudoballade Only Stars verblasst im Vergleich zu den anderen Songs, schafft es aber trotzdem, durch ihre post-apokalyptische Stimmung das Album passend zu beenden.

Einen Favoriten vom Album herauszusuchen fällt mir schwer, da alle Songs sehr einzigartig sind. Das durch einen nahtlosen Übergang verbundene Songduo The Strain und Canary Yellow gefällt mir mit jedem Hördurchlauf immer besser, da sie die etwas ruhigere Seite der Band betonen, aber auch nie ganz in Balladengewässer abdriften.

Für Fans von Banger-Songs empfehle ich Prosthetic und Prog-Puristen werden mit Messiah Complex und Invasion auf ihre Kosten kommen.

Fazit: Alles in allem wird „Virus“ den geduldigen Hörer belohnen. Haken haben ein Album geschaffen, das sich über jeden weiteren Durchlauf mehr und mehr entfaltet.

Von mir gibt es für „Virus“ 9 von 10 FFP2-Schutzmasken und genauso viele Bängs.

neun von zehn

„Virus“ erscheint am 10. Juli 2020 via Inside Out Music und ist als CD, LP und digitaler Download erhältlich.

Die Band:

Ross Jennings – vocals
Charlie Griffiths – guitar
Rich Henshall – guitar & keys
Diego Tejeida – keys
Conner Green – bass
Raymond Hearne – drums 

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Elias

Schreiberling aus Leidenschaft, Metal-Enthusiast seit der Schulzeit. Verirrt sich gern in den Tiefen des Prog und bestaunt moderne Ansätze zu Rock und Metal.

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