Ein Blick hinter die Kulissen der legendären Hansa Studios in Berlin Kreuzberg

Wie wird eigentlich Musik produziert und wie sieht es in einem Aufnahmestudio aus?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich mir eine der führenden Adressen unter den Tonstudios ausgesucht, nämlich die legendären Hansa Studios in Berlin/Kreuzberg.

An einem sonnigen Augustsamstag schließe ich mich einer Besuchergruppe von Berlin Musictours an. Um 11.30 Uhr startet die Tour an der Köthener Straße 38 mit Inhaber Thilo Schmied, der uns  zunächst allgemeine Informationen zum Gebäude gibt.  

Fotoquelle: https://www.musictours-berlin.de/

Heute kaum noch vorstellbar standen die Hansa Studios bis 1989 direkt an der Berliner Mauer. Aus den Fenstern blickte man auf Wachtürme, Todesstreifen und Stacheldraht, keine 700 m bis zum Grenzübergang Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße.

Die Hansa Studios zählen auch international zu den erfolgreichsten Recording Studios. Depeche Mode, U2, Nick Cave, Marillion… die Liste der bekannten Bands und Künstler ist lang, sehr lang! Und genau deshalb gibt es auch viele Geschichten und Anekdoten – Thilo Schmied kennt sie und ein paar davon erzählt er auf seinen Touren.

Unser Weg führt uns zuerst  in  die imposanten Eingangshalle mit schwarzem Marmorboden, Stuckdecke und einer goldenen Firmentafel.

In den 60er Jahren richtete die Plattenfirma Ariola ein Tonstudio in dem kriegsbeschädigten Haus in der Köthener Straße ein. Man nutzte für die Aufnahmen zunächst den Meistersaal. 1975 kauften die Brüder Thomas und Peter Meisel das Gebäude und bauten es zu einem modernen Musikproduktionshaus aus, um dort hauptsächlich Schlager aufzunehmen. Stars wie Rene Kollo, Drafi Deutscher, Mireille Mathieu, Juliane Werding, Marianne Rosenberg und Co. schufen dort Hits wie vom Fließband. 

In den 70er Jahren entdeckte auch David Bowie seine Liebe zu Berlin. Von Drogensucht gezeichnet zog es ihn ausgerechnet in diese quirlige Metropole, die für ihr ausschweifendes Nachtleben bekannt war. Er nahm in „THE BIG HALL BY THE WALL“ die sogenannte Berliner Trilogie auf, zu denen auch die Studioalben Low und „Heroes“ gehören. Bowie kam zusammen mit seinem Freund Iggy Pop nach Berlin und wohnte mit ihm in einer WG. Iggy nahm  in den Hansa Studios seinen wohl populärsten Song THE PASSENGER auf.

Durch eine Glastür kommen wir in den Garderobenbereich. Eine schmuckvolle Jugendstil-Treppe führt  in die Wandelhalle. Fans von Depeche Mode werden die Treppe sicher wiedererkennen:

Fotoquelle: https://www.musictours-berlin.de/

Und dann öffnet sich für uns die Tür zum legendären Meistersaal:

Lichtdurchflutet, eine kleine Bühne, Parkettboden, Intarsiendecke in sieben Metern Höhe mit einer Wahnsinns-Akustik:  Von diesem „Kathedralen-Sound“ ließen sich nicht nur David Bowie, Depeche Mode und U2 inspirieren. Auch die Einstürzende Neubauten experimentierten hier für ihren Pre-Industrial Sound.

Über die Lautsprecher des Saals spielt Thilo Schmied „Heroes“ ein! Was für ein Klangerlebnis!

Auf dem Weg ins Studio 1 unter dem Dach sehen wir uns noch den Grünen Salon an, in dem früher der Kontrollraum des Meistersaales untergebracht war. Eine direkte Sichtverbindung zwischen Künstlern und Musikern gab es nicht. Man kommunizierte über Kameras und Monitore. Heute ist hier eine kleine Bar im Stil der 20/30er Jahre eingerichtet.

Im Studio 1 dürfen wir nicht mehr fotografieren und Thilo muss den Tontechnikern versprechen, nichts zu verstellen – es läuft gerade eine Musik-Produktion und wir können die Mittagspause der Künstler für einen Blick in die „heiligen“ Aufnahmeräume nutzen.

Der Kontrollraum sieht noch fast genauso aus wie in den 80er Jahren. Herzstück des fetten Technik Set Ups ist das Mischpult 4000 E von der Firma SSL ( Solid State Logic) in Hansa-Studio-Blau – seinerzeit extra so bestellt. Anschaffungskosten damals: um die 1,3 Millionen D Mark, und es gab davon mindestens zwei im Haus! Das 4000 E war damals das Modernste, was es auf dem Markt gab – eine Revolution! Und es produziert auch heute mit seinen 56 Kanälen immer noch Aufnahmen auf höchstem Niveau. Wir hören u.a. in den Song „Stripped“ von Depeche Mode rein, bei dem neben einem Autostarter tatsächlich auch Feuerwerkskörper verwendet wurden.

Hier ist Thilo ganz in seinem Element und seine Begeisterung ist ansteckend!  

Neben dem Kontrollraum gibt es einen mit Marmor verkleideten Bereich, der sich ohne 90 Grad Winkelecken für satte Drum Recordings eignet, den kleinen Bass-Raum, der mit geringer Schallreflektion besonders für Bass- und Gitarrenaufnahmen genutzt wird, sowie den großen Liveraum.

Wenn Du in Berlin bist, kann ich Dir den Besuch der Hansa Studios mit Thilo nur wärmstens empfehlen. Ohne Führung sind die Räume übrigens nicht öffentlich zugänglich.

Und wenn Du mehr über David Bowie, Depeche Mode oder U2 in Berlin erfahren möchtest – es gibt spezielle Touren – zu Fuß oder per Bus. Eine Übersicht und Termine findest Du hier.

By Karina

Karina ist für uns an Rhein und Ruhr unterwegs. Sie hört neben Metal auch Irish Folk Punk, Deutsch- und Mittelalterrock. Für gute Musik ist ihr kein Weg zu weit.

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