Genre: Industrial/Metalcore
Land: England
Große Band, große Erwartungen. Nach dem hochgelobten „Holy Hell“ aus 2018 kehren die Architekten des modernen Metalcore nun aus der Stille zurück. „For Those That Wish To Exist“ heißt die neue Scheibe. Ohne großes Drumherum tauchen wir nun gemeinsam in die Welt dieses großen Albums ein.
Meine Anspielungen auf das Wort „groß“ bestehen nicht ohne Grund, denn diese Scheibe besitzt 15(!) Songs. Meiner Meinung nach ein schlechter Start für die Architects, denn für mich liegt die Würze mehr in der Kürze. Bevor zu viele mittelmäßige Songs rausgehauen werden, nehme ich lieber weniger, und dafür gute Songs, ja vielleicht sogar ein paar Dauerbrenner.
Ein eher positives Zeichen setzte die Band jedoch mit der ersten Singleauskopplung Animals. Hier werden die industriellen Einflüsse, welche die Scheibe dominieren, stolz präsentiert. Außerdem ist der Klargesang-Anteil um einiges höher als auf „Holy Hell“. Beides sagt mir persönlich sehr zu, da ich den puren Metalcore-Stil der Band auf Dauer etwas anstrengend fand und dementsprechend auch das Vorgängeralbum nur stellenweise richtig gefeiert habe.
Aber nun eins nach dem anderen. Fangen wir doch am Anfang an. Do You Dream Of Armageddon? beginnt episch, orchestral, elektronisch, melancholisch und choral. So ein Intro hätte ich beispielsweise eher von Epica erwartet (wenn auch in einer sehr viel mehr überbordenden Version). Der Übergang in den ersten großen Song Black Lungs ist reibungslos. Auch ausgekoppelt symbolisiert dieses Lied den „alten“ Stil der Band sehr stark, verbindet ihn aber mit gut eingesetzten Streichern und einen klar gesungenen Ohrwurmrefrain. Die bewährten Breakdowns dürfen natürlich auch nicht fehlen. Ein frühes Highlight des Albums!
Giving Blood glänzt mit seinen stark perkussiven Strophen und dem „High Energy“-Chorus. Die Screams sind hier schon hörbar zurückgedreht und die ruhige Bridge verleiht dem Ganzen noch etwas mehr Emotionalität.
Discourse Is Dead bringt wieder mehr „Holy Hell“-Vibes mit sich. Jedoch fühlt er sich auch nicht wie ein unveröffentlichter Bonus Track an: verstärkt mit orchestralem Background und weniger fokussiert auf Gitarrenakrobatik weiß er aber doch zu überzeugen.
Highlight Nummer Zwei fährt das Orchester nun wirklich auf 200 % hoch. Dead Butterflies ist eine gefühlsbetonte Powerballade mit Architects-Touch, von der ich nie wusste, dass ich sie wollte. Mittlerweile ist dieser Song jedoch nicht mehr aus meinem Kopf herauszubekommen. Hier werden vielleicht sogar Hörer aufmerksam, die die Band bisher als „pures Geschrei“ abgestempelt haben. Aber hört und seht doch selbst:
Weiter geht es mit, ähm, Rammstein?! Zumindest vermutete ich das, als ich das Intro und tragend-stampfende Elektro-Motiv von An Ordinary Extinction zum ersten Mal hörte. Schnell wird jedoch klar, dass es sich hierbei um einen absoluten Industrial-Banger der Architects handelt, denn Sam Carters Screams sind nicht die Form Vocals, die ein Till Lindemann bevorzugen würde. Der Song ist wirklich sehr anders als man es von der Band gewohnt ist, aber trotzdem unverkennbar ihr Stil – sehr hörenswert!
Mit Impermanence strahlt der harte Gesang wiederholt in den Strophen während man sich im Refrain auf den Klargesang verlässt. Ein Feature von Parkway Drives Winston McCall bereichert den zweiten Breakdown des Tracks und verleiht dem Ganzen noch etwas mehr Death Metal-Charakter.
Allgemein ist die erste Hälfte des Albums durchgehend stark, aber, wie befürchtet, ändert sich das ab dem nächsten Song. Flight Without Feathers ist mit Abstand der langweiligste Song von „For Those That Wish To Exist“. Die 0815-Post Rock-Ballade steht der Band leider nicht. Auch wenn es mich etwas an meine absolute Lieblingsband Starset erinnert, ist das Lied leider ein zu starker Absturz von dem High, auf dem sich die Platte bisher befunden hat.
Glücklicherweise springt Little Wonder direkt wieder auf den verlassenen Zug auf. In Anlehnung an Bring Me The Horizon bringt dieser Song den besten Refrain des ganzen Albums mit und macht Post Rock/Pop um einiges besser als sein Vorgänger. Zum Ende hin gibt es sogar einige Screams und einen Breakdown oben drauf. Absolut genial!
Da ich Animals bereits besprochen habe, mache ich hier mit dem Nachfolgesong Libertine weiter. Hier werden erneut Screams und Klargesang 50/50 gemixt, es gibt eine gute Hook und ein sehr guter Einsatz von Elektroparts.
Die nächsten drei Songs des Albums nenne ich liebevoll „Cuttingfloor-Material“. Bestimmt werden mich hier ein paar von euch kritisieren, aber wie schon anfangs erwähnt, komme ich aus der Rubrik „Qualität statt Quantität“. Goliath beeindruckt mich einfach nicht so sehr, da es einer ähnlichen Struktur folgt wie viele Songs des Albums und nichts wirklich Neues mitbringt.
Demi God klingt sehr experimentell in seiner Struktur und dem orientalischen Einsatz des Orchesters. Leider gelingt es der Band hier nicht, genug Spannung aufzubauen, um mich bei Laune zu halten.
Meteor fällt in die Kategorie der actionreichen Songs, ist aber leider zu eintönig in den Drums und dem allgemeinen Tempo. Auch der Refrain rettet hier nichts mehr.
Closer Dying Is Absolutely Safe rundet das Album sehr gut ab, indem seine musikalische Gestaltung am Opener anschließt. Episch, orchestral, elektronisch, melancholisch und choral; all diese Worte passen auch hier perfekt. Zu ergänzen wäre der balladeske Charakter, der hier (im Gegensatz zu Flight Without Feathers) sehr gut passt.
„For Those That Wish To Exist“ hätte so gut sein können. Die Überlegung eines Doppelalbums stand laut Dan Searles Interview mit „Kerrang!“ sogar im Raum … Glücklicherweise überschattet die gute erste Hälfte des Albums den mediokren hinteren Teil.
Fazit: „For Those That Wish To Exist“ ist ein hervorragender Versuch von Architects, sich als Industrial/Metalcore-Band neu zu erfinden. Einige Songs der insgesamt 15 hätten weggelassen werden können, aber ansonsten sind die anderen Tracks unglaublich vielseitig, ansteckend und zählen zum besten Material der Band.
Dafür bekommen die Engländer 8 von 10 möglichen Bängs
„For Those That Wish To Exist“ erscheint am 26. Februar 2021 via Epitaph Records und ist als CD, LP und digitaler Download erhältlich.
Die Band:
- Sam Carter – lead vocals
- Josh Middleton – lead guitar, backing vocals, production
- Adam Christianson – rhythm guitar, backing vocals
- Alex „Ali“ Dean – bass, keyboards, drum pad
- Dan Searle – drums, percussion, programming, production
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