Ihr wollt wissen was hinter den Songs von „Alle Kinder sind tot“ steckt? Dann werft mal ein Auge auf die Track by Track Analyse der Band höchst selbst.
Auf jungen Stuten lernt man fluten
Man soll sein neues Album nicht zimperlich eröffnen, haben wir uns gedacht. Der Song setzt einen tollen Ton für alles was danach kommt, ist gleichzeitig meditativ, tanzbar und richtig ätzend.
Ist Euch aufgefallen, dass am Ende der Teufel persönlich erscheint?
Influencer:innen hassen diesen Trick (mit Liser)
Hier hätten wir uns fast mit unserem Label überworfen. Der Song hat als Studie über Noise und Stille angefangen; erst auf Drängen dieser herzlosen Musikbusiness-Haie haben wir ihn dann augenrollend umgestrickt und eine Pop-Punk-Hymne aus dem Ärmel geschüttelt, das ist natürlich ein Klacks für uns. Die liebe Liser haben wir tatsächlich einfach auf der Straße angequatscht, am Rande der c/o Pop in Köln, und schwupp, war sie nicht nur Feature im Song, sondern auch Regisseurin des Musikvideos dazu und Support für unsere Tour diesen Herbst!
Influencer:innen hassen diesen Skit
Ungemein wichtig für die Dramaturgie des Albums! Auf Peitsche folgt Zuckerbrot und dann, tja, das hier. Wer möchte, kann passend zum vorangegangenen Song Gewaltexzess und Voyeurismus heraushören. Wer nicht möchte, kann einfach die Augen zu machen, genießen und träumen.
Alle Kinder sind tot (mit Sperling)
Nunja, das ist wohl kein besonders optimistischer Blick in die Zukunft (kratzt sich verlegen am Kopf). Aber wer hatte den Gedanken denn nicht schon mal: Ist es nicht das beste für die Welt, irgendwie ein paradoxer Altruismus, wenn die beschissenen Menschen einfach weg sind, die Natur ungestört ihr Ding machen kann und vielleicht eine neue Spezies eine Chance bekommt?
Auch wenn der Titel komplexe Bedeutungsebenen hat, tut er natürlich weh, auch beim hundertsten Mal hören, beim schreiben, beim lesen, beim aufnehmen, beim mixen. Das komische ist: Den gab es schon, bevor Russland die Ukraine überfallen hat und plötzlich tatsächlich Kinder zu Tode gebombt wurden, in einem Nachbar-Nachbarland von Deutschland. Wir haben überlegt, was wir mit dem Song und dem Titel machen, aber tatsächlich ist der seit vor dem Krieg fertig und wir haben ihn nicht mehr angerührt.
In jedem Fall ist dieser Song hochgradig therapeutisch für uns, mal so richtig abkotzen und sich schütteln, um danach mit optimistischerem, konstruktiverem Blick auf die Welt zu schauen.
Mancave (mit Riffsn/Grossstadtgeflüster)
So klingt das, wenn die Kochkraft Methode probiert. Wir haben beschlossen, einfach mal was richtig verrücktes zu machen, uns im Studio aufgeteilt und für genau eine Stunde in einzelne Räume verzogen, mit der Aufgabe, irgendwas zu erschaffen, Text, Musik, egal. Dabei kamen die Trommelei, die höhlenmenschige Grundhaltung und ein paar Textzeilen raus. Der fiese Bass ganz am Anfang, das ist Beray, wie er auf dem REWE-Parkplatz komische Mundgeräusche ins Handy macht, dank modernster Studiotechnik kunstvoll verfremdet!
Zu Grossstadtgeflüster hatten wir eh schon einen guten Draht – das Feature anzufragen war dann voll der Geistesblitz super schnell umgesetzt.
Inhaltlich muss man wahrscheinlich nicht viel sagen – dieses ganze Thema Manosphere ist einfach so ekelhaft und die Mancave als deren bürgerlicher Auswuchs hat einfach eine saftige Schelle verdient.
Wir fahren schnellerer
Die Kochkraft scheut ja grundsätzlich eher das unumwundene politische Statement. Nicht so hier! Wenn wir eins sind, dann ja wohl liberal, nein, libertär. Uns nimmt niemand was weg! Die Freiheit wird am Gaspedal verteidigt! Jede totgeraste Familie ist ein echtes Stück Freiheit, jedes Stück Trauer und Elend ein stolzer Schritt in Richtung zivilisatorischer Olymp. Und der ganze Dreck erst, herrlich, das ist der vielberedete Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält!
Wir sind total dankbar, dass wir Christian Lindner und die nordrhein-westfälische FDP-Fraktion als starke Partner für Inspiration und Umsetzung dieser Nummer gewinnen konnten. Danke Jungs! #neverstopfighting
Tanz mit Attitüd’
Wenn man so drüber nachdenkt, ist das wohl der einzige Song auf dem Album, der nicht gegen, sondern für etwas ist. Dafür aber für etwas sehr gutes.
Moonwalk durch die Nachbarschaft
Hier ging es mit dem Vorsatz los, die dümmste Melodie der Welt zu erfinden und möglichst penetrant unisono zu, äh, verarbeiten. Hat ganz gut geklappt, oder? MAN DARF UNS AUCH MAL LOBEN!
Der Hund ist übrigens nicht irgendeiner, sondern der wahrhaftige Bonnheimer, den Produzent David Maria Trapp mit ins Studio gebracht hat, wo wir zwei Wochen gewohnt haben. Wir hatten also de facto für zwei Wochen einen Hund! Fürs Recording mussten wir den Bonnheimer tiergerecht ärgern, damit er bellt. Das ging so: Der Bonnheimer ist natürlich super lieb und schätzt seine Leute sehr, also hat Lana ihn auf den Arm genommen (der Bonnheimer ist klitzeklein), sich ans Mikro gestellt und David hat so getan, als wolle er Lana eine reinhauen. Der Bonnheimer so: Beschütz! Beschütz! Bell! Bell!, aber auch Wedel! Wedel!.
Danach durfte er sich was zu essen aussuchen.
Moonwalk Reprise
Dieses Stück ist als einziges ganz konservativ mit Notenpapier und Bleistift entstanden.
Was geht los da rein? (mit Leitkegel)
Leider ist der Song in Zusammenarbeit mit Leitkegel entstanden, das ist so eine Rockband, ein bisschen wie Tocotronic, nur nicht so sanglich. Und unser heißgeliebter Live-Mischer Gilbert „The Bridge“ Gelsdorf hat an Gitarre und Tasten mitgeschrieben, der ist nämlich ein unglaublicher Allround-Musiker.
Die zentrale, clownig-orientaleske musikalische Idee ist von Beray, der als in Deutschland geborener Sohn türkischstämmiger Eltern ganzschön viel Scheiße erlebt und reichlich in menschliche Abgründe geschaut hat. Übergeordnet kann man ja wahrscheinlich sagen, dass sich dieses Album an verschiedenen Facetten des Spießertums abarbeitet – hier ist das offensichtlich Xenophobie in Gesellschaft und Politik, gepaart mit Trashkultur und Beiläufigkeit. („Was geht los da rein?“ ist ja ein geistreicher Ausspruch Brigitte Nielssens im Dschungelcamp oder so (WTF an dieser Stelle)). „Kritik am Opium fürs Volk angesichts so vieler augenfälliger Schieflagen“ könnte man wohl auch sagen.
Was reimt sich auf Deutschlandfahne?
Das Instrumental hierzu war das allererste, was wir fürs neue Album gemacht haben. Das war echt ein besonderer Moment: Das letzte Album ein paar Jahre her, seitdem ein bisschen Personalkarussell – wer kann denn vorher sagen, ob das überhaupt klappt, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem bestimmten Haufen an Leuten ein Album zu schreiben? Fast forward, paar Stunden später, mitten in der Nacht in Berays Studio: Das grobe Instrumental steht, wir basteln gerade das Intro (Lana höchstpersönlich spielt übrigens die Trompete – gelernt ist gelernt) und liegen Tränen lachend, Bäuche haltend auf dem Fußboden. Es gibt einen Flow, eine Leichtigkeit, die Bohrung nach Inspiration ist mehr als geglückt: Es sprudelt nur so. Wir machen ein Album! Einer der schönsten Kochkraft-Momente überhaupt.
Liebe = Krokodil
Für die Songwriting-Session haben wir uns zur Abwechslung bei Produzent David im „Energiekreis Zuckerhut“-Studio in Bonn getroffen. Dort gibt es tolle Möglichkeiten, aber natürlich war der Ausgangspunkt der blödeste Sound aus einem billigen Keyboard, der etwas an einen Tischtennisball erinnert oder an das Geräusch, wenn im Cartoon jemand auf seinen Zähen Xylophon spielt (passiert ja regelmäßig).
Fotocredit: Nicki Frenking
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