Land: USA

Genre: Modern Metal/Rock

Starset mischen die Welt des Rock nun schon seit einigen Jahren gewaltig auf. Mit ihrer Mixtur aus Stadion Rock, hymnisch-poppigen Refrains und einer ausgeklügelten Bühnenshow haben sie sicherlich zahlreiche Festivalgänger in echte Fans verwandelt. Die Kombination der elektronischen Elemente und der (sogar auf der Bühne live eingespielten) symphonischen Streicher verleihen dem Rock/Metal-Gewand ihrer Lieder eine futuristische Note um den Zuhörer zu begeistern und ihn regelrecht in die Science Fiction Geschichte ihrer Alben einzusaugen.

Auf ihrer letzten Platte „DIVISIONS“ experimentierte die Band viel mit der Intensität der jeweiligen Elemente. Mal waren die Gitarren präsenter und lieferten proggigere Riffs als je zuvor (Where The Skies End), ein anderer Song schraubte den Pop auf Maximum (Faultline), jedoch ohne den typischen Starset-Sound zu verlieren. Der springende Punkt ist, dass sich dieses Album sehr frisch anfühlte und doch überall dick und fett Starset aufgedruckt hatte.

Nun erscheint am 22. Oktober 2021 das neuste Werk der Amerikaner mit dem Titel „HORIZONS“. Versprochen wurde ein härteres Album, aber was mich im Vorfeld am Meisten interessierte war, ob die kreative Experimentierfreude vom Vorgänger beibehalten wurde. Und die Antwort darauf ist leider etwas ambivalent.

Das Intro Unveiling The Architecture versprüht nur so die finstere post-apokalyptische Energie, die Soundtracks zu Sci-Fi-Flicks wie Blade Runner oder Dune ausstrahlen. Leider wird daran im Rest des Albums nur wenig angeknüpft. The Breach kann dann als erster vollwertiger Song auch wirklich als 100% Starset beschrieben werden. Die klassische Formel für Opener wird hier zur Perfektion angewendet. Ein explosiver Start geht in ruhigere Strophen über und mündet schließlich in einen einfach mitsingbaren Chorus. Der eingebaute Breakdown ist etwas „Neues“ im weitesten Sinne doch erhebt den Song trotzdem nicht in die Liga vom experimentell-proggigen Manifest – dem Starter der vorherige Platte.

Formel ist leider ein Wort das im Zusammenhang mit „HORIZONS“ öfter in den Mund genommen werden muss. Eine Formel für Songs zu haben ist nicht immer negativ – im Gegenteil: Starset haben mit dieser Formel ihre Fanbase überhaupt erst aufbauen können. Doch wenn eine Formel zu oft eingesetzt wird können beim Hörer Abnutzungserscheinungen hervorgerufen werden. Schwächere Songs des Albums leiden stark unter diesem Übereinsatz. Alchemy beispielsweise bringt nichts wirklich Neues auf den Tisch und das was der Track bringt, haben andere Songs schon besser hinbekommen. Außerdem nervt der Refrain mehr als dass er begeistert und nimmt, im Gegensatz zu den wirklich guten Strophen, zu viel Raum ein.

Trotzdem bringt das Starset-Schema auch ein paar sehr gute Songs hervor: Singleauskopplung Leaving This World Behind erinnert beim ersten Durchgang sicher stark an Perfect Machine von „DIVISIONS“, birgt aber bei genauerem Hinhören viel Individuelles im Bereich des Starset-Schemas. Besonders die Strophen sind wunderbar instrumentiert und für mich der wahre Ohrwurm-Teil des Songs. Außerdem besitzt der Bass hier viele komplexere Parts die erst nach und nach zum Vorschein kommen. Und genau so sollten Lieder, die einem bestimmten Schema folgen sein – innovativ trotz Restriktionen.

Glücklicherweise behalten Starset auch teilweise den proggigen Ton des Vorläufers bei. Devolution brilliert mit einem regelrechten Riffgewitter und dem Spoken Word Part in der Songmitte. Außerdem packt Sänger Dustin Bates hier endlich seine Screams aus obwohl Devolution keineswegs der typische „härteste Song des Albums“ ist für den dieser Gesangsstil normalerweise reserviert wird.

Auch die elektronische Seite der Band darf sich auf „HORIZONS“ ausleben. In Annihilated Love bekommen vor allem Fans von Songs wie Unbecoming eine Kandidaten für ihr Siegertreppchen der besten Starset-Tracks. Wer jedoch mehr auf den symphonischen Teil der Truppe steht, sollte bei Otherworldly richtig sein. Die schmalzige Halbballade wird mit ausschweifenden Ausflügen für Geige und Cello zum orchestralsten Werk der Platte.

Doch noch einmal zurück zu Annihilated Love. Er ist der achte Track des Albums und während andere Platten zu diesem Zeitpunkt längst das Ende anpeilen gehen Starset noch weitere acht Songs bis auch auf „HORIZONS“ einen Schlussstrich gezogen wird. 16 Lieder sind leider eine auffällig hohe Anzahl und das schreit für mich nur nach Qualitätsabfall. Meine Meinung über die perfekte Anzahl an Liedern für ein Album sollte mittlerweile bekannt sein, aber für alle Neulinge werde ich sie nochmals kurz zusammenfassen: Qualität vor Quantität (10-11 Songs sind meist genug). Starset haben diese Regel traurigerweise gebrochen. Neben den sichtbaren Highlights von „HORIZONS“ gibt es auch klar erkennbare Filler-Songs. Alchemy, Symbiotic und Disappear fallen für mich klar in letztere Kategorie. Symbiotic versucht sichtlich der poppigste Song des Albums zu sein, fällt er aber im Angesicht der anderen radiofreundlichen Hits wie Earthrise oder Otherworldly ziemlich flach. Ersterer besitzt übrigens eine so wunderschöne erste Strophe, die ihr unbedingt hören müsst:

Disappear hat als große Ballade der Platte noch das weit überlegene Otherworldly als Rivale und verliert wegen der zu häufigen Wiederholung des mediokren Refrains auf ganzer Länge. Ein weiterer Fehlschlag stellt Closer Something Wicked dar. Der sehr mysteriös klingende Song ist mit Sicherheit der am weitesten von der Starset-Formel entfernte Track auf „HORIZONS“ – einen Applaus dafür. Jetzt wäre es nur noch schön gewesen wenn das Lied auch irgendeinen musikalisch hochwertigen Stempel in meinem Kopf hätte hinterlassen können…

Doch nun wieder zu etwas Positivem. Mein heimlicher Favorit von „HORIZONS“ ist definitiv Tunnelvision. Man nehme ein paar Elemente vom hymnischen Trials des Vorgängeralbums „DIVISIONS“, einen stupide einfachen Refrain und eine Prise an Experimentarium und erzeugt so dieses Monster der Kreativität (oder Faulheit, wenn man den Einwort-Refrain getrennt vom Rest des Songs betrachtet). Die punktierten Einsätze der Gitarren während den stark orchestrierten Strophen und besonders die fast nach Reggae klingende zweite Strophe machen extra viel Spaß. Jedoch gerade der oben erwähnte „Refrain für Textlernmuffel“ fühlt sich eigentlich wie ein großer Kritikpunkt an, ist aber zu gut instrumental ausgeschmückt als dass er irgendjemanden wirklich stören könnte.

Als letzten Anspiel-Tipp möchte ich Dreamcatcher noch etwas beleuchten. Hier wurde ein wirklich epischer Song für Starset-Verhältnisse geschrieben, der Fans aller Aspekte der Band glücklich machen sollte. Insbesondere der Drumpart gefällt mir hier sehr gut!

Fazit: Alles in allem ist „HORIZONS“ ein weiteres exzellentes Album von Starset. Teilweise bekommt man was man erwartet, aber oftmals hat die Band auch ein paar Überraschungen gezaubert. Das größte Problem der Platte ist der massive Song-Count (16), der freilich um drei bis vier Songs hätte gesenkt werden können. Trotzdem kann ich nicht anders als eine klare Kaufempfehlung auszusprechen, denn wenn Starset etwas produzieren ist garantiert hervorragendes Material dabei!

Von mir bekommt die Platte 8 von 10 Bängs!

acht von zehn

“HORIZONS“ erscheint am 22. Oktober 2021 via Fearless Records/Spinefarm Records und ist als CD, LP und digitaler Download erhältlich.

Die Band:

Dustin Bates – Gesang

Ron DeChant – Bass, Keyboard

Brock Richards – Gitarre

Adam Gilbert – Schlagzeug

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By Elias

Schreiberling aus Leidenschaft, Metal-Enthusiast seit der Schulzeit. Verirrt sich gern in den Tiefen des Prog und bestaunt moderne Ansätze zu Rock und Metal.

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