Endlich wieder „Raise your Fist“ – Konzertreview zu DORO’s erstem Drive-In-Konzert in Worms

Was die Corona- Krise mit uns (Metal-/Musik-)Fans alles so macht. Ich vermeide als „bekennender Innenraumstehplatzbesucher “ eigentlich so weit wie möglich Sitzplätze bei Rockkonzerten. Aber nachdem ich am 13.06. auf mein Toten Hosen Konzert in Stuttgart Covid19-bedingt leider verzichten musste, entschloss ich mich, zusammen mit Redaktionskollege und Fotograf Oliver, kurzfristig dem anderen Megastar aus Düsseldorf einen Besuch abzustatten.

Im Rahmen des RadioRegenbogen2 Rocksommers spielte unsere Metalqueen Doro Pesch mit ihrer Mannschaft den ersten Drive-In-Livegig in Ihrer inzwischen über 35-jährigen Karriere in der Carantena-Arena mitten in Worms in der Pfalz.

Da mein letzter Livegig schon über 3 Monaten zurücklag (mein letztes Konzert war damals in Vor-Corona-Zeiten Audrey Horne in Wiesbaden. Den Review findet Ihr hier) machten wir uns an diesem sonnigen Samstagabend mit Kühltasche und (Autofahrer-)Radler bewaffnet auf den Weg nach Worms.

Dort ließen wir uns auch durch die aufgestellten Schilder „Zum Schutz vor Coronna! Bleibt zuhause“ am Stadteingang von Worms nicht abhalten und stellten uns an der Carantena-Arena angekommen brav in die überschaubare Autoschlange an der Zufahrt zum Veranstaltungsgelände. Hier gab es zunächst ein Flugblatt mit den heute erhältlichen Merchandise-Artikel, die 150 Meter weiter am Verkaufsstand erworben werden konnten. Nach der Einlasskontrolle ging es dann in die Wartebox, bevor jedes Fahrzeug einzeln von einem Ordner zu seinem endgültigen Stellplatz eingewiesen wurde. Hierbei war zwar etwas Geduld gefragt, denn die Parkposition wurde glücklicherweise auch von der Größe des Fahrzeugs abhängig gemacht, so dass nicht unbedingt ein SUV direkt vor einem Kleinwagen abgestellt wurde. So konnte gewährleistet werden, dass  auch jeder Besuchern gute Sicht zur Bühne oder Videowall hatte, um den Abend genießen zu können. Dies klappte auchg ganz gut, und aufgrund des ausreichend großen Zeitfensters auch völlig entspannt. Zwischen den Fahrzeugen blieb ca. 2m Abstand, sodass auch alle Corona-Vorschriften eingehalten werden konnten.

Nachdem jeder Besucher ohne Zeitdruck seinen Platz eingenommen hatte, galt es zunächst mal die auf der Videoleinwand neben der Bühne eingeblendete Funkfrequenz für die Tonübertragung am Autoradio einzustellen. Anschließend blieb bis zum Beginn um 21 Uhr noch genügend Zeit, sein mitgebrachtes Picknick oder ein Konzertbier zu genießen.

Während Oliver sich mit Mund-Nasenschutz bewaffnet mit seiner Fotoausrüstung auf den Weg zur Bühne machte, war auch ich zunächst dazu verdammt, meinen Sitzplatz hinter dem Lenkrad einzunehmen und mit Blick durch die Windschutzscheibe hindurch auf die Queen of Metal aus dem Autoradio zu warten.

Pünktlich um 21 Uhr war es dann soweit: DORO enterten die Bühne und begannen Ihren ersten Liveauftritt nach der Zwangspause gleich mit einem Klassiker in Form von Earthshaker Rock. Unterstützt durch Pyroeffekte legte sich Doro, wie immer in Lederoutfit und diesmal mit Motörhead-Shirt gekleidet, gleich zu Beginn mächtig ins Zeug, um die Fans auf Touren zu bringen. Wie für die Fans war es auch für die erfahrene Frontfrau gleichermaßen eine völlig neue Erfahrung. Mit gehörigem Sicherheitsabstand, ohne den direkten Kontakt zu Ihren Fans vor der Bühne, ohne lautstarkes Jubeln aus Tausenden von Kehlen galt es dieses Mal auch für den Vollprofi Doro und ihre Band, sich zunächst mit der neuen Situation zu arrangieren. Aber Doro ist eben eine Vollblutmusikerin, die mit allen Wassern gewaschen ist und so fiel es ihr nicht schwer, sich mit der neuen Konzertsituation anzufreunden. Bereits mit dem zweiten Song I rule the ruins hatte sie das Geschehen fest im Griff und man merkte auf der Bühne keinen allzu großen Unterschied zu einem ihrer früheren Konzerte.

Was den Sound der Übertragung anbelangt, kann man dem Mann am Mischpult eine sehr gute Arbeit bescheinigen. Das, was aus den Boxen der Autos ertönte, konnte sich locker mit jeder Live-CD messen. Astreine Abmischung, sehr detailliertes Gesamtsoundbild und jedes Instrument klar und deutlich unterscheidbar… völlig egal wo man vor der Bühne stand. Hier waren die Grenzen nur durch die eigene Autoanlage gesetzt. Insgesamt mal ein ganz klares Plus gegenüber den meisten Konzerten, wo man meist Abstriche machen muss, je nachdem wo man vor der Bühne steht.

Wer denn keine Lust auf den Autoradiosound hatte, konnte sich das Konzert natürlich auch durch die geöffneten Fenster oder durch das Dachfenster live von der Bühne anhören. Auch wenn nicht die Lautstärke wie bei einem Festival erreichte wurde, konnte Mann/Frau dem Geschehen auf der Bühne auch so gut folgen, ohne Gefahr eines Gehörschadens, ganz ohne Ohrenstöpsel.

Bevor es mit dem nächsten Hammersong Raise your Fist weiter ging, ergriff die Bandleaderin persönlich das Wort und begrüßte die Anwesenden ca. 150 „schwarzen Autos und natürlich auch die silbernen, blauen….“. Insgesamt dürften es etwa 300-400 Zuschauer in der leider nur gut zur Hälfte gefüllten Carantenna Arena gewesen sein. Dabei machte Doro auch deutlich, wie froh sie und die Band nun sind, endlich wieder live vor realem Publikum auftreten zu können, wenn auch unter verschärften Bedingungen. Dazu gehörte auch, dass ihr langjähriger Bassist Nick Douglas wegen Covid-19 nicht aus den USA anreisen durfte und deshalb an diesem Abend von Harrison Young am Bass und an den Keyboards ersetzt wurde. Young war ja in der Vergangenheit schon bei einigen Veröffentlichungen von DORO beteiligt und konnte das Fehlen von Nick problemlos kompensieren.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Gekonnt wurde eine gelungene Mischung zwischen alten Oldschool-Klassiker aus Warlock Zeiten à la Burning the Witches oder Hellbound und den neueren Songs ihres aktuellen Doppelwerkes Forever Warriors – Forever United und natürlich einigen ihrer zahlreichen Klassikern wie All we Are, Breaking the Law oder Für Immer geboten. Man merkte Doro und Ihren Jungs an, dass sie trotz der außergewöhnlichen Umstände sichtlich froh waren, wieder live zu spielen und entsprechend Spaß an diesem Auftritt hatten. Die gesamte Band gab ihr Bestes, um dem Publikum einen außergewöhnlichen Abend zu bieten.

Als nach ca. einer Stunde immer mehr Zuschauer sich dezent aus dem Auto wagten, um sich auf dem Dach, der Ladefläche, in Fenster der Autotür oder auf der Motorhaube zu positionieren, kam dann kurz nach 22 Uhr mit Einbruch der Dunkelheit auch dank der angenehmen Temperaturen und der Lightshow so etwas wie Festivalstimmung auf. Unterstützt durch Blinklichter, Scheinwerfer oder die Hupe wurde das Geschehen auf der Bühne entsprechend von den Metalheads honoriert und mit Applaus bedacht.

Nach der Wacken-Hymne All for Metal konnte sich dann auch Doro nicht mehr zurückhalten und machte sich bei All we are auf den Weg ins Publikum. Zwischen huppenden und blinkenden Autos , gröhlenden Fans genoss auch die Queen of Metal sichtlich das Bad in der Menge, wenn auch mit gehörigem Abstand, was unter normalen Konzertbedingungen sicherlich anders abgelaufen wäre.

Leider gab es keine Livepremiere des bereits angekündigte neuen Songs Brickwall, der am 26. Juni veröffentlicht wird. Nach der stimmungsvollen Ballade Love me in black folgte dann ein spontanes Wunschkonzert, bei dem Doro die Zuhörerwünsche erfüllte. Als Sieger der Abstimmung ging dabei Metal Tango vom True as Steel-Album hervor, ehe nach East meets West abermals das Publikum zum Abschlusssong gefragt wurde.

Hier machte erneut Für Immer das Rennen, trotz heftigen Wiederstands und Abwinken von Drummer Johnny Dee, der wohl lieber einen anderen Song gespielt hätte. Aber hier überstimmt ihn Bandleaderin Doro, sicherlich wegen eines noch jungen Besuchers, der bei seinem ersten Konzert Für Immer unbedingt nochmals hören wollte. Doro erfüllte ihm diesen Wunsch bereitwillig, wohl auch im Hinblick, den Nachwuchs in der Metalszene zu sichern.

Nach der Wiederholung Ihres wohl größten und bekanntesten Hits war dann nach 1:50 Stunden leider schon das Ende des Konzertes gekommen. Unter lautstarkem Applaus in Form von Hupen, Lichthupen, Blinker und Klopfen auf das Auto wurde die Band gebührend verabschiedet. Sicherlich ein bewegender Moment für die Band, zufrieden, dass der Auftritt trotz alle Umständen gut gelungen ist.

Wie lautet nun mein Resümee zu Doro`s ersten Drive-In Auftritt?

Insgesamt kann ich für mich sagen, dass man auf der Bühne das geboten bekam, was man von DORO wie auch in den vergangenen Jahren erwarten durfte. Einen soliden Auftritt einer gut gelaunten Band, denen man die ungewohnte Gesamtsituation bei Ihrer Show eigentlich nicht anmerkte. Ein perfekt eingespieltes Gitarrenduro Princiotta/Maas sowie Drummer Johnny Dee bildeten die musikalische  Grundlage für Doro, die  ihr typisches „hey hey hey“ wo immer möglich ins Publikum schmetterte. Genauso hätte wohl auch ein Auftritt auf einem Festival vor 10.000 oder 20.000 Zuschauern an diesem Abend aussehen können.

Kleiner Kritikpunkt meinerseits bleibt jedoch die in meinen Augen zu kurze Auftrittszeit. Wenn man sich die Eintrittspreise anschaut und dann ist ohne Vorband nach gerade mal 110 min Schicht im Schacht, finde ich das etwas dürftig. Berücksichtigt man, dass dies der erste Auftritt nach langer Pause für Band und Publikum war, hätte man etwas Mehr und Überraschendes erwarten können. Sei es ein neuer Song, längere Spielzeit oder den ein oder anderen Song, der schon lange nicht mehr auf der Setlist stand, all dies hätte dem Auftritt sicher gut zu Gesicht gestanden und hätte ihn von sonstigen Auftritten von DORO abgehoben.  Auch wenn vermutlich das Ende der Veranstaltung aus Lärmschutzgründen auf 23 Uhr terminiert war, ein früherer Beginn hätte genügend Raum für eine längere Auftrittszeit ermöglicht.

Für mich persönlich hinterlässt das heutige Konzert somit einen zwiespältigen Eindruck. Auch wenn es schön war, mal wieder Livemusik sehen/hören zu dürfen, kann eine solche Veranstaltung nur als Notersatz für ein normales Konzert dienen. Mir fehlten bei dieser Art von Corona-Veranstaltung einfach zu viele Dinge, die mich in der Vergangenheit das ein oder andere Mal auch schon mal bei Konzerten richtig genervt haben, aber sich nun als essentieller und unverzichtbarer Bestandteil eines richtigen Liveevents zeigen: enges Zusammenstehen, viele optische und sinnliche Eindrücke jeder Art (auch wenn ich auf Achselschweiss vom Nachbarn gut verzichten kann), Gespräche mit dem Platznachbarn/in, (Sicht-) Kontakt zur Band auf der Bühne, lautstarker Applaus und gelegentliches Mitgröhlen bei den Songs, bei denen man in der Anonymität der Masse seine eigene Stimme nicht so deutlich hören muss… all das kann man in den eigenen vier (Auto-)Wänden so nicht erleben.

Bleibt zu hoffen, dass diese spezielle Phase in meinem wie auch Eurem Konzertgängerleben baldmöglichst vorbei ist, und wir uns alle wieder in großen und kleinen Hallen oder bei Festivals treffen können, dicht gedrängt nebeneinander stehend, um uns einige Stunden unserer Lieblingsbeschäftigung widmen zu können: unserer Begeisterung für Rockmusik, Laut, Live und ohne Beschränkung bzw. Virus.

Setlist Worms 13.06.2020:

  1. Earthshakler Rock
  2. I rule the ruins
  3. Raise your Fist
  4. Burning the Witches
  5. Time for Rock
  6. 1000 Years
  7. Night of the Warlock
  8. Blood Sweat and Rock n Roll
  9. Für Immer
  10. Hellbound
  11. Drumsolo Johnny Dee
  12. We Are the Metalheads
  13. Breaking the Law
  14. All for Metal
  15. All we are
  16. Love me in Black
  17. Metal Tango
  18. East meets West
  19. Zugabe: Für Immer

DORO are:

Doro Pesch – Vocals
Johnny Dee – Drums
Luca Princiotta – Guitar, Keyboards
Bas Maas – Guitar
Harrison Young – Bass, Keyboards (als Ersatz für Nick Douglas)

Neue Single: Brickwall Veröffentlichung am 26.06., als Vinyl am 31.07.2020

Ein weiterer Drive-In Auftritt findet im Autokino im Moviepark in Bottrop am 28.06.2020 statt. Tickets gibt’s hier –> https://wir-lieben-tickets.de/app.php?view=artist&id=389

Infos und weitere Tourdaten zu DORO für 2020 findet Ihr hier:

Webseite:             www.doromusic.de
Facebook:            https://de-de.facebook.com/DoroPeschOfficial

Für Rockmagazine am Start waren Thomas (Text) und Oliver (Fotos).

By Thomas

Musikalisch bin ich seit den 80er vor allem im melodischen Hard& Heavy-Dschungel unterwegs und immer auf der Suche nach neuen und alten Perlen. Meine absoluten Faves sind Queenaryche, Y&T, Die Toten Hosen... u.v.a.....inzwischen kann ich mich aber auch für Mittelalterrockband wie Feuerschwanz oder Saltataio Mortis absolut begeistern. Ab und an geht mein Blick aber auch mal über den Tellerrand in Richtung Speed/Trash/Death...solange Melodien erkennbar sind. Auch wenn ich schon zu der Ü50-Fraktion gehöre, findet man mich bei Konzerten und Festivals fast immer Front of Stage, denn Sitzplatz beim Rockkonzerten, das passt bei mir einfach nicht zusammen. Erst wenn es ohne Rollator mal nicht mehr gehen sollte, ist die Tribüne vielleicht ne Alternative.

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