WITHIN TEMPTATION – „Bleed Out“ – neuer Geniestreich von Sharon & CO – Albumreview

Vier Jahre sind seit der Veröffentlichung des Vor-Coronna-Albums „Resist“ von den niederländischen Symphonic-Metallern von WITHIN TEMPTATION inzwischen vergangen. Neben zahlreichen Festivalauftritten war die Band um die sympathische Frontfrau Sharon del Adel jedoch keineswegs untätig. Nach ihrer Virtual Reality Show „The Aftermath“ im Juli 2021 wurden zudem in den vergangenen drei Jahren auch einige Singles in Eigenregie auf den Markt gebracht. Mit dieser neuen Herangehensweise wollten sich die Niederländer unabhängig von irgendwelchen Plattenlabels machen und alle Entscheidungen in die eigenen Hände legen.

Fotocredit: Tim Tronckoe

Mit dieser neuen Veröffentlichungsstrategie hatte die Band darüber hinaus auch die Möglichkeit, kurzfristig auf aktuelles Weltgeschehen wie z.B den Ukrainekrieg zu reagieren und innerhalb kurzer Zeit durch neue Songs musikalisch ein ganz persönliches Statement abzugeben, ohne auf den ansonsten mehrjährigen üblichen Veröffentlichungsrhythmus eines Longplayers Rücksicht nehmen zu müssen. So konnte zum einen die Aktualität der Songinhalte erhalten werden, was in der heute so schnelllebigen Zeit nicht immer leicht ist, da einzelne Themen recht schnell nicht mehr im Brennpunkt stehen. Außerdem konnte die Band in der schwierigen Pandemiezeit durch den unregelmäßigen Single-Output den Kontakt zu ihren Fans halten.

Nachdem ursprünglich geplant war, die inzwischen 7 Singles nur als eigenständige Veröffentlichung zu releasen, hat man sich im Hause WITHIN TEMPTATION nun glücklicherweise doch dazu entschieden, die 7 Tracks um einige weitere Songs zu ergänzen, um sie dann auf ihrem inzwischen 8. Studioalbum in ihrer Gesamtheit zu präsentieren, was alle Fans der Formation sicherlich mehr als freuen dürfte.

Ab Freitag 20.10. steht das lange erwartete Nachfolgealbum „Bleed Out“ nun endlich in den realen wie auch virtuellen Regalen für alle Fans des Symphonic Metals bereit.

Schon mit „Resist“ hatten WITHIN TEMPTATION ja ihren Style etwas verändert und die Keyboards mehr in den Mittelpunkt gestellt. Diese neue musikalische Ausrichtung hin zu einem sehr modernen Style wird im Jahr 2023 mit „Bleed Out“ konsequent weitergeführt. Auch dieses Mal dominieren wieder die modernen, oftmals sphärischen Keyboardtöne von Martijn Spierenburg an den Tasten. Ergänzt werden die teils zarten, immer hochmelodiösen Sounds durch die harten Riffs des Gitarrenduos Robert Westerholt und Ruud Jolie, die stets die nötige Power und Wucht in die Songs implementieren, wie gleich der Eröffnungstrack „We Go To War“ eindrucksvoll zeigt. Nach kurzer Keyboardeinleitung hauen WITHIN TEMPTATION gleich mal fette Metalcore-angehauchte Riffs raus, dazu der wabernde Bass von Jeroen van Veen, eine echt fette Produktion. Doch alle musikalischen Raffinessen, hier steht „We go to War“ exemplarisch fürt die insgesamt 11 Songs, werden jedoch nochmal von Frontfrau Sharon del Adel übertrumpft, die auf „Bleed Out“ ihre bislang wohl beste Gesangsleistung in ihrer erfolgreichen Karriere abliefert. In ihrer unnachahmlichen Art singt sie mit glasklarer Stimme, mal dezent zurückhaltend, dann wieder fordernd und ermahnend, bis in die höchsten Tonlagen.

Und auch textlich wird Sharon auf dem neuen Album mehr als einmal deutlich, thematisiert u.a. im Titelsong die Notlage von Frauen im Iran, die für ihre Rechte ihr Leben aufs Spiel setzen und für ihre Freiheit kämpfen.

Das folgende „Wireless“ gehört für mich definitiv zu den Highlights der Scheibe. Sharon legt hier jede Menge Gefühl in ihren Gesang, wohl nie zuvor war Sharon besser bei Stimme. Inhaltlich nimmt WITHIN TEMPTATION hier ganz deutlich Stellung gegen den Invasionsangriff von Russland in der Ukraine, was sie neben dem zugehörigen Video auch live auf der Bühne durch das Schwenken der blau-gelben Flagge der Ukraine zum Ausdruck brachten.

Mit „Worth Dying For Wake Up“ geht’s sehr flott in Richtung Highspeed, die Keyboards beamen einen beim Zuhören geradewegs in eine musikalische Parallelgalaxie. Geiler Track der sicherlich auch live zünden wird.

Etwas schwächer finde ich da schon die letzte Auskopplung „Ritual“, die bei mir irgendwie nicht so richtig zünden will. Ob das an dem teils maschinehaften Hintergrundgesang liegt? Klingt zwar innovativ und unterscheidet sich etwas von den anderen Tracks, doch irgendwie tue ich mich schwerer mit dem Songs. Auch wenn er jetzt nicht wirklich schlecht sind, gefallen mir die eingängigeren Tracks doch insgesamt besser.

Doch die kleine Delle im Stimmungsdiagramm wird gleich wieder ausgebügelt. Zunächst in ähnliche Richtung wie „Ritual“ geht „Cyanide Love“, das etwas stakatoartig und metallisch beginnt. Mit hartem Basspart und Sprechgesang von Sharon baut der getragene Song langsam Spannung auf. Mit seiner in deutsch gesprochenen Zeile „zwei drei vier, ich habe nichts gesehen, ich habe nichts gehört, ich werde nicht reden“ erinnert die Textzeile an die drei weisen Affen aus dem Sprichworts des Konfuzius und klingt wie ein Kindereim – tolle Idee! Die Dynamik steigert sich kontinuierlich und der etwas unkonventionelle Rhythmus mit wasberndem Bass mündet in einen sehr eingängigen Refrain.

Mit „The Purge“ geht dann wieder die Post ab und auch „Don`t pray for me“ überzeugen im typischen WT-Style mit Begleitchor im Hintergrund. Ein gelungenes Wechselspiel zwischen Sharon`s Stimme und den harten Drums bzw. knalligen Riffs machen hier den Reiz. Mit den ganz hohen lange gehaltenen Tönen gibts auch gewisse Verweise zu früheren Tagen der Band.

Wie auch schon in der Vergangenheit, ist mit „Shed My Skin“ auch wieder eine sehr gelungene Kooperation mit anderen Musikern vertreten, dieses Mal mit den beiden Sängern Christoph Wieczorek und Rudi Schwarzer von der deutschen Post-Hardcore Band Annisokay aus Halle. Die Kombination und der Kontrast zwischen der süßen Stimme von Sharon auf der einen Seite und den brutalen Crowls von Rudi andererseits verleihen dem Song das gewisse Etwas. Erinnert etwas an „And we ran“ von „Hydra“-Album mit dem Raper Xzibit.

Bevor dann „Entertain Me“ endgültig „Bleed Out“ beschließt, kommt mit „Unbroken“ noch ein weiterer Rohdiamant zum Vorschein, der mit seinem eingängigen Refrain und den poppigen Keys begeistert, und trotzdem eine gewisse dynamischen Grundhärte an den Tag legt, die einfach fesselt.

Fazit:

Glücklicherweise hat sich WITHIN TEMPTATION doch noch dazu entschlossen, mit „Bleed Out“ die vergangenen sieben (!) Singleveröffentlichungen auf einen Longplayer zu bannen, denn in der Gesamtheit kommen die Songs nochmals mit deutlich mehr Wucht daher wie als alleinstehende Songs. Unter der Leitung des langjährigen Produzenten Daniel Gibson haben die Niederländer ihren modernen Stil erneut weiterentwickelt und teilweise ganz neue Wege beschritten, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen.

Wenn man sich in die modernen Klanglandschaften von „Bleed Out“ fallen lässt bekommt man ein erstklassiges Werk zu hören, das mal wieder deutlich macht, welch grandioses, eingespieltes Team hinter der Produktion steckt. Auch 2023 gibt es wieder superbe Melodien in der Familiengroßpackung mit hymnenhaftem Gesang von Sharon und einer bombastischen, druckvollen und gleichzeitig modernen Produktion.

Immer wieder überraschte die Band im Laufe Ihrer inzwischen 27-jährigen Karriere mit ganz neuen Tönen und Soundspielereien auf ihrem Weg von Ihrem ursprünglich eher dem Gothik zugehörenden Sound bis hin zum heutigen modernen Symphonic Metal. Niemals auf der Stelle stehen bleiben und stets neue Ufer erkunden, sowohl musikalisch als auch inhaltlich, so könnte man das Credo von WITHIN TEMPTATION kurz zusammenfassen. Erneut verzaubern uns Sharon und ihre Mitstreiter mit ihren Hymnen, stets auf allerhöchstem musikalischem Niveau, ergibt summa sumarum ein absolut geiles Album.

Auch wenn sicherlich der ein oder andere „echte“ Metaller die Produktion für überfrachtet bezeichnen dürfte, wird „Bleed Out“ allen Fans des Genres runtergehen wie ein guter Met am Lagerfeuer. Nicht umsonst nehmen WITHIN TEMPTATION zusammen mit NIGHTWISH verdientermaßen auf dem Thron des Symphonic Metal platz.

Da die Scheibe bei mir schnell zum Dauerläufer mutierte, gibt’s von mir für „Bleed Out“ nach dem für mich nicht ganz so starken „Resist“-Album wieder eine Top-Bewertung .
9,5 Bangs sind für ein innovatives und abwechlungsreiches Album definitiv verdient.

Anspieltipps:

Bleed Out, Wireless, Worth Dying For, Shred my Skin, Unbroken (Ups das ist ja schon das halbe Album, Anm. d. Red.)

 Track-Liste:

  1. We Go To War
  2. Bleed Out
  3. Wireless
  4. Worth Dying For
  5. Ritual
  6. Cyanide Love 
  7. The Purge
  8. Don’t Pray For Me
  9. Shed My Skin (feat. Annisokay)
  10. Unbroken
  11. Entertain You

„Bleed Out“ kann hier als CD, schwarzem und farbigem Vinyl oder MC-Kassette bestellt werden, auch verschiedene limitierte Bundles sind erhältlich. Auch auf den Streaming-Platformen ist das Album natürlich zu erhalten.


WITHIN TEMPTATION – Lineup:

Sharon den Adel: Vocals

Robert Westerholt: Gitarre

Ruud Jolie: Gitarre

Jeroen van Veen: Bass

Martijn Spierenburg: Keyboards

Mike Coolen: Drums


Im Herbst 2024 kommen Within Temptation dann mit dem neuen Material auf große Deutschlandtour:

WITHIN TEMPTATION – Bleed Out 2024 Tour

präsentiert von Metal Hammer und Sonic Seducer

06.10.2024 Köln – Palladium

14.10.2024 Berlin – UFO

15.10.2024 Hamburg – Sporthalle

16.10.2024 Leipzig – Haus Auensee

19.10.2024 München – Zenith

23.10.2024 Frankfurt – Jahrhunderthalle

03.12.2024 Stuttgart – Porsche Arena

Veranstalter: FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH


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By Thomas

Musikalisch bin ich seit den 80er vor allem im melodischen Hard& Heavy-Dschungel unterwegs und immer auf der Suche nach neuen und alten Perlen. Meine absoluten Faves sind Queenaryche, Y&T, Die Toten Hosen... u.v.a.....inzwischen kann ich mich aber auch für Mittelalterrockband wie Feuerschwanz oder Saltataio Mortis absolut begeistern. Ab und an geht mein Blick aber auch mal über den Tellerrand in Richtung Speed/Trash/Death...solange Melodien erkennbar sind. Auch wenn ich schon zu der Ü50-Fraktion gehöre, findet man mich bei Konzerten und Festivals fast immer Front of Stage, denn Sitzplatz beim Rockkonzerten, das passt bei mir einfach nicht zusammen. Erst wenn es ohne Rollator mal nicht mehr gehen sollte, ist die Tribüne vielleicht ne Alternative.

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