Sperling – Menschen Wie Mir Verzeiht Man Die Welt Oder Hasst Sie – Track by Track Analyse

Sperling setzen mit ihrem zweiten Album fort was sie auf „Zweifel“ begonnen haben, mit krassem Erfolg. Wieder konnten sie die Höchstbängzahl ergattern. Noch deutlich emotionaler geht es auf „Menschen Wie Mir Verzeiht Man Die Welt Oder Hasst Sie“, gleichzeitig wird auch mehr riskiert. Genau auf die Entstehung der Songs geht euch Sänger Jojo in der folgenden Track by Track Analyse ein. Ungefiltert und ungekürzt.

MEER

Der erste Track der Platte ist der Song MEER mit Joel Quartuccio von Being As An Ocean. Das ist schon etwas ganz Besonderes für uns, und wir sind superglücklich, dass das zustande kam. Wir haben im November 2021 mit Being As An Ocean, Acres und As Everything Unfolds eine Tour durch Europa gespielt. An unserem Off-Day, etwa in der Mitte der Tour, waren wir einen Tag in Stuttgart im CLUB CANN, in dem wir die Show am Vorabend gespielt haben. Ein paar von uns haben in der Zeit Freunde getroffen, ein paar andere sind schwimmen gegangen, und Malte und ich sind dageblieben und haben am Song geschrieben. Malte hatte die erste Demo ein paar Tage vorher geschickt, und ich habe dann oft nachts, nach der Show im Tourbus daran geschrieben. Ich hatte durch den schweren Gitarrensound und die Drums schnell ein Gefühl davon, in einer kalten Gegend unterwegs zu sein, in der es nicht einfach ist vorwärtszukommen. So kam schnell der Bezug zu Wasser und dazu, auf dem kalten, unruhigen Meer unterwegs zu sein. Wir haben im Club von den örtlichen Veranstaltern sogar einen eigenen Raum mit Mikro und Stativ bekommen, da konnten wir dann sogar die ersten Demos mit Text aufnehmen. Eher durch Zufall haben wir am selben Abend noch mit Joel gesprochen und von der Demo erzählt – da wusste aber noch niemand, dass wir den Song zusammen rausbringen würden. Der Song hat dann jedoch so gut zu ihm gepasst, dass wir ihn fragen mussten, und er war auch sofort am Start.

Es geht im Song um das Gefühl, auf der Stelle zu laufen (oder zu schwimmen) und an seinen Plänen und Vorstellungen zu scheitern, weil das Ziel so weit entfernt und unmöglich zu erreichen scheint. Wie soll man allein durch ein ganzes Meer schwimmen? Ich hatte zu der Zeit – und auch heute noch – oft das Gefühl, schon an einfachsten Herausforderungen zu scheitern und von Kleinigkeiten überfordert zu sein. Das löst bei mir sofort eine Art Ohnmachtsgefühl aus, und die Angst, niemals irgendwo anzukommen, wird nur noch stärker. Ich wollte einfach, dass sich etwas verändert und etwas passiert – ich wollte irgendwo ankommen.

„Halte mich fest, ich bin noch nie so weit geschwommen, und ich will nicht mehr, ich will nicht mehr als endlich weiterzukommen.“

Das Instrumental zum Song klingt recht düster, mit tiefen Gitarren und sehr schweren Drums, während das Cello eher klagend darüber spielt, was genau die Stimmung und Emotion der Lyrics unterstützt. Der Sound erzeugt sehr schnell das Gefühl von Kälte und Unwetter. Auch wenn das Album einen insgesamt eher hoffnungsvollen Charakter hat, hat uns doch sehr gefallen, dass das Album mit so einer schweren, ersten Note beginnt.

100 TONNEN KUMMER

Das Instrumental vom zweiten Song geht eher in eine poppige Indie-Richtung und ist vom Vibe her recht positiv gestimmt. Die Drums und der Bass treiben das Tempo an, die Gitarre, die über die Strophe spielt, hat aber trotzdem etwas Melancholisches.

Ich erinnere mich, dass ich mich mit dem Song lange recht schwergetan und lange am Text gesessen habe. Wenn ich auf eine fertige Demo schreibe, habe ich schnell ein gewisses Gefühl für den Song und weiß, welche Stimmung ich transportieren soll. In diesem Fall ist mir das aber ganz schön schwergefallen, und ich war lange unzufrieden mit allem, was mir dafür eingefallen ist. Irgendwann kam mir der Gedanke „Warum sieht das bei anderen immer so leicht aus? Sind die auch so unsicher wie ich oder mache ich etwas falsch?“. Ich glaube, den Gedanken kennt jeder, und gerade durch Social Media oder andere Plattformen wird schnell ein Erfolgs- und Schönheitsideal verbreitet, dem man nicht gerecht werden kann. Während ich das alles gedacht habe, war mir auch klar, dass der Song genau davon erzählen soll. Er erzählt von dem Bild, was man selbst von sich hat, das von Selbstzweifel und Unzufriedenheit geprägt wird, während man allen anderen zusieht, wie sie vermeintlich alles auf die Reihe bekommen. Ich glaube dabei vergisst man sehr schnell, wie viele andere das Gleiche fühlen, dass jeder unsicher ist und jeder das Gefühl kennt, sich selbst schlechter zu machen als alle anderen.

NOVEMBER

Der Song NOVEMBER ist wohl einer der emotionalsten und auf jeden Fall der persönlichste Song der Platte. Das Instrumental ist recht minimalistisch, ohne Schlagzeug, mit sehr sphärischen und halligen Gitarren, die in den Strophen Akzente setzen. In der Pre-Hook und dem Refrain spielt eine Melodie, die sehr klagend, aber auch schön und melancholisch ist. Ein Klavier setzt klare Akzente und sorgt für einen schönen, vollen Klang in der Strophe, und unterstützt das Gefühl, auf einer Reise ins Nirgendwo zu sein.

Der Text zu NOVEMBER ist einer der wenigen, der nicht auf eine Demo geschrieben, sondern schon lange davor entstanden ist. Ich hatte irgendwann damit angefangen, einfach aufzuschreiben, was mir durch den Kopf geht, wenn ich wieder das Gefühl hatte, dass alles falsch läuft und ich nicht weiß, wo ich hingehöre oder hinwill. Oft waren das düstere Gedanken, manchmal aber auch etwas Hoffnungsvolles und Tröstendes, weil das meiste, mit ein wenig Abstand, gar nicht mehr so beängstigend aussieht. Das hat fast schon etwas Therapeutisches gehabt, weil man zum Beispiel am Anfang der Woche schreibt, wie sinnlos man sich fühlt, und am Ende der Woche doch einiges hinbekommen hat und sich anders reflektieren kann – das ist sehr motivierend, und man hat eher ein Gefühl von „Ist doch alles nur halb so schlimm“. Als ich dann irgendwann später das Instrumental von NOVEMBER gehört habe, wurde ich sofort in diese Gefühle zurückversetzt und habe mir dann meine monatelang angesammelten Notizen nochmal rausgesucht. So ist der Song am Ende eine Art Collage aus allen Gedanken und Impressionen der Monate vor dem Album geworden. Das macht der Song, wie es auch wirklich im Leben ist, mit einer manchmal positiven Sicht auf die Dinge. An anderen Stellen werden depressive Gefühle aber auch unverstellt ausgesprochen, und schlechte Gedanken einfach zugelassen, ohne gleich eine Lösung dafür anbieten zu wollen.

Aufgenommen wurde der Song von Beray Habip in seinem Studio Tonstudio Liebling in Duisburg, in dem auch ein Flügel steht. Luca hat mit Beray zusammen Harmonien und Sounds ausprobiert, und ich erinnere mich auch, dass wir sehr viel mit dem Cello experimentiert haben. In diesem speziellen Song hat uns das Klavier als Hauptakzent aber besser gefallen, und so hat der Song vielleicht nochmal eine andere Note als die anderen.

DIE KLEINE ANGST

DIE KLEINE ANGST ist der zweite Song mit einem großartigen Feature, auf das wir sehr stolz sind. Mario Radetzky, Sänger der Blackout Problems, ist mit uns dabei und ergänzt den Song mit seiner Stimme und seinen Lyrics perfekt.

Wir haben schon lange vor dem Songwritingprozess mit den Jungs von Blackout Problems zu tun gehabt und waren uns superschnell sympathisch. Die Musikszene in Deutschland – gerade für die Art Musik, die wir machen – ist doch so klein, dass man sich bei Festivals oder so immer wieder über den Weg läuft. Als wir damals nach dem ersten Album den Song ANGST produziert haben, haben wir Mario schon gefragt, ob er nicht Lust hätte, dabei zu sein, weil wir einfach Bock hatten, mit ihm einen Song zu machen. Wir waren auch in Kontakt und haben sogar schon Parts hin und her geschickt. Es war dann aber alles so spontan und kurzfristig, dass leider doch zu wenig Zeit war, um etwas wirklich Cooles auf die Beine zu stellen. Aber die Idee und die Lust etwas zusammen zu machen ist geblieben, und so haben wir Mario für das Album einfach nochmal gefragt. Witzigerweise ist der Songtitel ja dann dem ersten Feature-Versuch sehr ähnlich geworden, der kam aber auch von Mario und durch seine Lyrics. Wir hatten den Track bis auf den Refrain fertig und waren schon sehr happy mit dem Song, aber Mario hat mit seiner einzigartigen Stimme und passenden Lyrics nochmal ein paar Schippen draufgelegt! Wir sind super happy mit dem Endergebnis und darüber, dass Mario für uns sogar einen deutschen Text geschrieben hat, obwohl er normalerweise auf Englisch schreibt.

Der Song handelt, wie der Name schon sagt, von einer Angst, die immer größer wird und einen dadurch lahmlegt. In der Strophe ist viel vom Vorankommen die Rede, davon weiterzumachen, weiter zu laufen, auch wenn sich Ziele und Träume unendlich weit weg und unmöglich zu schaffen zu sein scheinen. Er erzählt davon, wie es sich anfühlt, wenn der gerade Weg sich plötzlich so sehr verbiegt, dass man nicht mehr weiß, wo man hin will – aber auch nicht mehr, wo man hergekommen ist, und man auf der Stelle läuft.

„Es sind zwei Schritte zurück, nur um einen Schritt voranzukommen.“

WACH

Der fünfte Song auf dem Album ist der erste, der soundmäßig sehr stark in eine, für uns noch sehr ungewohnte Richtung geht. Er entfernt sich ein wenig von den szeneypischen, verzerrten Gitarrensounds und schweren Drums und positioniert sich irgendwo zwischen Synthpop und Shoegaze. Die Musik zum Song hat durch seine Geschwindigkeit und den indiemäßigen/poppigen Charakter eine einzigartige Note.

Die erste Demo dafür hatte Malte schon im Lockdown geschrieben: „Eher aus Langeweile und weil ich es voll interessant finde damit zu experimentieren – am Anfang war das auch gar nicht als Sperlingsong gedacht – sondern eher zum Ausprobieren.“

Ich erinnere mich gut, dass Malte mir die Demo bei sich zu Hause gezeigt hat, und ich sofort Feuer und Flamme dafür war. Wir haben uns öfter zu zweit getroffen, um in Demos reinzuhören, erste Texte auszuprobieren oder Melodien zu finden. Ich glaube, wir haben uns dann gegenseitig damit befeuert und hatten auf einmal mega Bock, etwas daraus zu machen. Wie das eben manchmal passiert, ist der Song auch mehr oder weniger am selben Abend fertig geworden. Ich habe auch superschnell die erste Strophe und den Text zum Refrain fertig gehabt – normalerweise schreibe ich Texte eher allein und über ein paar Wochen, hier kamen aber schnell coole Ideen.

Der Text ist eine persönliche Geschichte. Ich habe mich zu der Zeit mit einer Freundin getroffen, die ich sehr mochte, die Beziehung jedoch recht einseitig war, weil ich zu viele Schwierigkeiten mit mir selbst hatte, um mich ganz auf jemand anderen einzulassen. Sich einfach davon zu trennen und dann „alleine“ zu sein, ist mir aber auch zu schwergefallen, und daher handelt der Text eben von diesem Zwiespalt, in dem man eigentlich niemanden verletzen will – aber dadurch oft Dinge noch schwerer macht. Auch wenn man das weiß – sogar, wenn man das offen kommuniziert – ist es trotzdem eine große Herausforderung sich sowas auch zu stellen, und man fühlt sich irgendwann so, als würde man sich selbst und andere belügen.

„Glaub mir kein Wort, ich halt‘ dich nur wach, denn alles, was ich sage, hält nur noch für diese Nacht“

DÜNNER ALS PAPIER

Auch der nächste Song erzählt eine persönliche Geschichte und hat sogar den Albumtitel gegeben. “MENSCHEN WIE MIR VERZEIHT MAN DIE WELT ODER HASST SIE” passt auch zu keinem anderen Song besser.

Der Song ist von der ersten Note an sehr melancholisch und erzeugt durch langsame Half-time Drums und schöne – aber auch traurige Akkorde – eine träumerische und fast nachdenkliche Stimmung. Durch den sehr klassisch eingesetzten Cellosound bekommt der Song aber auch etwas Tragisches – er erzeugt in mir genau die Stimmung, die ich auch beim Textschreiben hatte: Etwas zu akzeptieren, weil man nicht im Stande ist, es zu verändern. Hier ist der Text – zumindest zum Teil – auch entstanden, bevor das Instrumental fertig war.

Ich habe aus den Schulzeiten eine sehr, sehr gute Freundin, mit der ich auch danach noch lange sehr engen Kontakt hatte. Wir sind dann irgendwann in andere Städte gezogen, und wie das so ist, ist der Kontakt dann mal mehr und mal weniger intensiv. Da ich aber sowieso sehr schlecht im Beziehungen pflegen bin, habe ich das oft vernachlässigt, obwohl mir das trotzdem wichtig war. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich so mit mir selbst zu kämpfen hatte – und nicht im Stande war, mich um mich selbst zu kümmern –, dass mir keine Energie blieb, um Freundschaften oder Beziehungen zu pflegen und für andere da zu sein. Das hat mir unfassbar leid getan und ich bin zu der Zeit auch so schlecht damit umgegangen, wie es nur geht – nämlich ganz abgetaucht.

Als wir dann während unserer Tour in Hamburg gespielt haben, haben wir uns dort getroffen und ein sehr intensives, aber auch sehr ehrliches Gespräch geführt. Ich weiß, dass wir in unserem Tourbus gesessen haben, es saukalt war und das Gespräch alles andere als einfach – aber im Endeffekt doch sehr befreiend war. Ich habe in den darauffolgenden 3-4 Tagen den Text fertig geschrieben.

Der Satz „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ rührt eben genau daher, nämlich aus der Angst mit sich überfordert zu sein und sich nicht um andere kümmern zu können, worunter diese Menschen leiden und einen irgendwann verlassen.

VERLIEREN

Der Song VERLIEREN war einer der ersten Songs der Platte, der fertig war – auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch anders klang und sogar nicht mal für das Album geplant war. Es gab einen anderen Text und das Instrumental war sehr viel post-hardcore-lastiger, als es nach der Produktion geworden ist. Wie das manchmal bei Songs ist, waren wir uns auch lange unsicher, und er ist dann für einige Monate in einem separaten Ordner gelandet, den wir für aussortierte Songs gedacht hatten.

Ich selbst bin leider krank geworden in der Woche und habe zu der Zeit sowieso meistens Texte geschrieben – während die anderen die Zeit hatten, sich mit dem Instrumental auseinanderzusetzen. In der Vorproduktionswoche mit Beray in unserem Proberaum in Mannheim haben wir dann aber wieder sämtliche Ordner und Demos ausgepackt und mit etwas Abstand haben wir doch wieder viel Potenzial darin gesehen und den Track ausgearbeitet.

Beray hatte dann die Idee, den Sound generell etwas aufzuräumen, cleanere Sounds zu benutzen und dem Beat einen Drum & Bass-Charakter zu verleihen. Das hat den Song komplett verändert und uns auf einmal wieder abgeholt – so sehr, dass der Song dann sogar die erste Single zum Album geworden ist.

Im Song geht es um eine Beziehung, in der es viele Schwierigkeiten gibt, man sich aber trotzdem nicht voneinander lösen kann. Obwohl ich weiß, dass ich der anderen Person nicht guttue, durch mein Verhalten und meine Beziehung zu mir selbst, binde ich denjenigen trotzdem an mich, aus der Unfähigkeit heraus, allein zu sein. Auch wenn mir bewusst ist, dass es in der Form keine gesunde Zukunft geben kann – weil viel in einem schlummert, was eigentlich ausbrechen will – klammert man sich weiter fest aus Angst, den anderen zu verlieren.

„Klammer‘ mich fest, gib mich nie wieder auf, denn wenn ich dich verliere, verlier‘ ich mich auch.“

Es ist aber nicht alles toxisch. Man tut sich an vielen Stellen gegenseitig gut, baut und fängt einen sogar auf. Diese Person ist eine Art Zuflucht – man gewöhnt sich nur schnell daran, die Probleme, die in einem versteckt sind und von denen beide wissen, zu ignorieren, weil es dann einfach leichter fällt so zu tun, als wäre alles gut. Im Zimmer einschließen und Decke über den Kopf ziehen, damit man von dem Sturm, der draußen tobt, nichts mitbekommen muss.

„Es gibt nichts, was ich brauche, nur uns in versteinerten Türen – ich will mich nur einmal nicht mehr scheiße fühlen.“

FALLEN

Der nächste Song hat auch etwas mit Zuflucht suchen zu tun. Es ist eine Metapher dafür, sich vor Problemen zu verstecken und sie so lange zu ignorieren, bis sie einen plötzlich einholen. Der Song erzählt hier die Geschichte von jemandem, der unter Menschen sein will, aus Angst nach Hause zu gehen und sich seinen Dämonen stellen zu müssen. Das trifft auch sehr gut auf mich zu, zwar bin ich ganz gerne allein – ich wehre mich aber auch so lange dagegen, Probleme und schwere Phasen zu erkennen und zu akzeptieren, bis sie viel zu groß für mich werden.

Ich finde das Bild vom „Fallen“ hier sehr passend, weil man den Boden unter den Füßen verliert, haltlos ist und man die Kontrolle abgibt.

Der Sound ist, ähnlich wie bei WACH, etwas Neues für uns und etwas, was wir gerne ausprobieren wollten und dann so viel Bock gemacht hat, dass wir ihn auf der Platte haben wollten. Die Demo dazu hatten wir auch schon fast zwei Jahre vor Produktionsbeginn fertig, mit anderem Text, und Malte hatte sogar eine Refrain-Melodie geschrieben. Natürlich verändert sich ein Song noch oft, wenn er so lange darauf wartet, produziert zu werden. Wir haben am Arrangement, dem Text und dem Refrain noch einige Zeit gearbeitet und verändert und waren auch eine Zeit lang unsicher, ob der Track tatsächlich auf dem Album landen wird. Das Instrumental beginnt mit einem sehr klagenden und tragischen Cello- und Gitarrenintro, verwandelt sich dann aber in stampfende MIDI-Drums, begleitet von wabernden Sounds, rauschendem Bass und Gitarrenakzenten.

Ich erinnere mich, dass wir einige verschiedene Versionen hatten und vor allem am Refrain lange gesessen haben. Es gab unterschiedliche Ansätze und Meinungen, was Text und Melodie betrifft. Wir haben dann einfach ausprobiert, bis wir alle mit dem Ergebnis happy waren. Wir haben auch eine Zeit lang überlegt den Song als Single (separat oder zum Album) zu veröffentlichen, grade weil der Sound in unserem Kosmos etwas Neues ist, haben uns dann aber doch für andere Tracks entschieden. 

FROST

Für mich persönlich ist FROST der „sperlingartigste“ Song von allen. Er ist durch Sound und Arrangement recht nah an der ersten Platte „ZWEIFEL“. Ich glaube deshalb habe ich mich auch sehr schnell mit dem Instrumental wohlgefühlt und hatte eine Ahnung, wo es hingeht. Ich wollte gerne eine Art Weltuntergangsszenario erschaffen, es sollte aber auch hoffnungsvoll sein. Darum sollte es gar nicht zu sehr um den Untergang – sondern viel mehr um die Wiederauferstehung der Welt gehen.

Ich sehe darin, auch wenn es eigentlich etwas Dramatisches ist, trotzdem ein schönes Bild und eine Metapher dafür, dass aus dem Schlimmsten doch etwas Gutes hervorgehen kann. Auch wenn die ganze Welt kaputt aussieht, schafft sich etwas Schönes Platz aus der Erde nach oben, sodass die Natur sich zurückholt, was Menschen kaputt gemacht haben. Wir haben die Angewohnheit alles als selbstverständlich anzusehen, dass wir die Krone der Schöpfung sind und uns erlauben können, was wir wollen. Man vergisst dabei, dass wir auf der Welt zu Gast sind und alles, was wir tun und nicht tun, Konsequenzen mit sich bringt.

Vom Instrumental sticht hier besonders das Cello hervor, was eine unfassbar dichte Stimmung erzeugt. Dabei legt es eher Noten über das Instrumental, sticht aber trotzdem durch seine starke Emotion hervor.

LUFT

Der vorletzte Song der Platte ist einer der positivsten und hoffnungsvollsten auf dem Album. Er beschreibt das Gefühl, aus einer schweren Phase oder einer schwierigen Situation herauszukommen, sich befreit zu fühlen und wieder Hoffnung zu schöpfen. Man kennt das ja, wenn einen etwas über lange Zeit beschäftigt. Man trägt es wie ein Gewicht ständig mit sich herum und hat das Gefühl, permanent nach unten gezogen zu werden.

Wenn man dieses Gewicht endlich losgeworden ist, bekommt man wieder richtig Luft und kann frei atmen. Trotzdem kann man oft die Zeit, die hinter einem liegt, nicht gleich vergessen. Es beschäftigt mich auch nachher noch, aber auch das kann einem Mut und Bestätigung geben in dem, was man geschafft und hinter sich gebracht hat.

„Du warst so lange im Dunkeln, hier kennst du dich jetzt aus, denn was hinter dir liegt fängt dich auf, wenn du taumelst.“

Die hoffnungsvolle Emotion wird von dem recht simplen und mutmachenden Instrumental getragen. Ursprünglich war der Song mit verzerrten Sounds und härteren Drums geschrieben, hat sich in der Produktionszeit aber ein wenig reduziert. Dadurch wurde der Song insgesamt viel leichter, dadurch kam auch schnell der Bezug zu Luft und dem Gefühl erleichtert zu sein.

DIE WELT IST SCHULD

Dieser Song ist auch sehr früh zu einem Song geworden, und es war auch sehr schnell klar, dass der Song auf dem Album landen soll. Es war auch der Plan, ihn vorher schon zu produzieren und zu veröffentlichen, dann haben wir uns doch entschieden, ihn mit in die Albumproduktion zu nehmen, weil wir zu der Zeit noch zwei andere Releases geplant hatten und dafür zu wenig Zeit war.

Die Demo zu dem Song ist noch in unserem alten Proberaum entstanden. Malte hatte ein Gitarrenriff geschrieben, das uns alle sofort abgeholt hat. Ich erinnere mich, dass ich das Riff Tage später noch im Ohr hatte. Es bringt eine tröstende Leichtigkeit, wie schon im Song LUFT, lässt aber trotzdem eine traurige und wehmütige Note einfließen. Das Cello bringt hier ebenfalls eine hoffnungsvolle Emotion mit sich – Beray und Luca hatten ursprünglich die Idee, dem Song einen Part mit Streichquartett hinzuzufügen, der nochmal sehr schön auffüllt und sich emotional großartig auf den Rest des Instrumentals setzt. Daraus geworden ist dann ein reines Cello-Quintett, das Luca während der Studioproduktionsphase fertig geschrieben hat.

Die Lyrics handeln auch hier von einer Ziellosigkeit und einer Ungewissheit, wo man hingehört. Der Song ordnet sich ganz dem Albumtitel „MENSCHEN WIE MIR VERZEIHT MAN DIE WELT ODER HASST SIE“ unter, indem er die Angst thematisiert, wichtige Menschen in seinem Umfeld durch seine Unzufriedenheit und Probleme zu vertreiben. Es ist nicht einfach und man muss geduldig und mutig sein, um sich dem in den Weg zu stellen, was einen nachts nicht schlafen lässt. Es ist immer einfacher, das zu ignorieren und zu sagen, dass man nichts daran ändern kann und die ganze Welt daran schuld ist.


Wenn euch das jetzt noch mehr Lust auf das Album gemacht hat, dann holt euch das Werk auf Vinyl oder CD!

Photocredit: Crankmerino

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By Patrick

geb. 1993, Musik-Fan seit 2010, Verheiratet, Ein Sohn, Bevorzugte Genres: Metalcore, Post-Hardcore, Progressive Metal, Pop-Punk, Alternative Rock. Neben seiner sozialen Ader ist Patrick auch für feinste Recherche und Tiefe in seinen Reviews und Berichten bekannt.

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