Ich treffe Thomas Ewerhard in seinem Düsseldorfer Atelier.

Rockmagazine: Thomas, wie bist Du eigentlich zur Kunst gekommen?

Thomas: Interessiert hat mich das schon als kleiner Junge. Ich besuchte damals eine Malschule in Oberhausen und habe dann später auf dem Gymnasium ebenfalls spezielle Zeichenkurse belegt. Nach dem Abi habe ich mich bei vier Kunsthochschulen beworben, bin aber überall abgelehnt worden. Ich habe dann angefangen, aus Trotz Biologie zu studieren: Wenn mich die Kunst nicht will, dann mach ich halt was anderes, habe ich mir gedacht! Nebenbei bin ich in der Crossover Metal Band Breeding Fear aktiv gewesen und habe für unsere Poster und Demos die Grafiken gestaltet. Wir waren eine Zeit lang auf semiprofessionellem Level und lernten eine Menge andere Bands kennen, für die ich dann auch ein paar Grafiken gemacht habe. Meist für eine Kiste Bier oder so, also weit weg von einer professionellen Bezahlung. Irgendwann wurden die Bands aber ein bisschen größer und auf einmal gab es sogar Geld für meine Arbeit. Da war ich noch Student und hatte natürlich nicht viel Geld in der Tasche. Das war 1997 und damals kam mir der Gedanke: Das könnte ein Job werden!

Rockmagazine: Hast Du Design später noch studiert?

Thomas: Nein, ich bin komplett Autodidakt. Mein Ausstellungskollege Jan Meininghaus hat Visuelle Kommunikation studiert, aber nach einem Semester abgebrochen, weil er sagte, er lernt da nichts. Ein Studium ist nicht so entscheidend in diesem Bereich. Es ist natürlich gut, wenn man viele Möglichkeiten und Equipment zum Ausprobieren hat. Aber generell kommen die Autodidakten meiner Erfahrung nach besser voran. Und das was ich mache, ist natürlich auch eine Nischentätigkeit. Man muss Bezug haben zu der Musik, um verstehen zu können, welche Bildsprache für welche Band funktioniert.

Rockamgazine: Für wen hast Du schon gearbeitet?

Thomas: Am bekanntesten dürften die Artworks für Avantasia sein, dann habe ich für Volbeat ein DVD Cover sowie einige Shirtdesigns und auch ziemlich viel für Amon Amarth gemacht. Ausserdem Bands wie Therion, Hypocrisy, Jorn, Legion of the Damned, Jon Oliva’s Pain, At Vance oder Circle II Circle, viele auch im Progressive Rock & Metal wie Spock’s Beard, Enchant, Asia, Vanden Plas, Threshold oder Subsignal und auch ein paar im Pop Bereich wie Liquido oder Ray Wilson. Das hat eine schöne Bandbreite.

Rockmagazine: Hast Du das erste Cover noch, das du entworfen hast?

Thomas: Das erste professionelle Cover war für Richthofen. Wir haben im Stage One Studio von Andy Classen (Holy Moses) aufgenommen und darüber kam der Kontakt. Dafür gab es dann tatsächlich auch ein Honorar, das erste meiner beruflichen Laufbahn.

Rockmagazine: Kannst Du ein Werk gut loslassen, also findest du irgendwann den Punkt, wo du sagst – ja, jetzt bin ich zufrieden?

Thomas: Ja, der Punkt, an dem ich selber sage, das sieht jetzt gut aus, der ist eigentlich immer irgendwann da. Und das ist dann auch der Moment, den Entwurf zu präsentieren. Es gibt natürlich auch Fälle, wo die Leute erst mal nur einen ganz groben Entwurf haben wollen. Am liebsten habe ich es, wenn eine Grundidee steht und man diese ausarbeiten kann. Dann weiß ich direkt, wo ich anfange und kann mich nicht total auf den Holzweg begeben.

Rockmagazine: Ist man nicht fast schon ein bisschen beleidigt, wenn die Bands Änderungswünsche haben?

Thomas: Nein, überhaupt nicht. Da habe ich mich immer auch als Gebrauchskünstler gesehen, der ja auch Auftragsarbeiten macht. Und deshalb sind fast alle Bilder Kooperationen zwischen mir und den Musikern. 

Rockmagazine: Denkt man beim Entwurf eines Covers schon darüber nach, wie das auf einem T-Shirt aussieht?

Thomas: Das ist ganz wichtig, gerade in der heutigen Zeit, wo die CD Verkäufe nicht mehr das sind, was sie mal waren. Da ist Merch unheimlich wichtig geworden. Und deshalb wird bei jedem Entwurf auch diskutiert, ob das auf einem T-Shirt funktioniert.  

Rockmagazine: Mir ist aufgefallen, dass die Artworker oft gar nicht namentlich genannt werden, beim Streamen zum Beispiel oder in Album Reviews. Bei Fotos steht dagegen meistens der Name des Fotografen dabei.

Thomas: Das stimmt, da gibt es Verbesserungsbedarf.

Rockmagazine: Würdest du dir das wünschen, dass der Name häufiger dabei steht?

Thomas: Ja, auf jeden Fall. Finde ich einen sehr guten Hinweis! Bei den Streamingdiensten werden die Alben ja teilweise tausendfach angeklickt. Ich fände das schon gut, wenn der Artworker genannt würde.

Rockmagazine: Bei deinen Werken fällt mir eine große Detailvielfalt auf. Ich kann mir ein Bild noch so oft ansehen, ich finde immer wieder etwas Neues.

Thomas: Das freut mich. Ich mag Bilder, die eine Geschichte erzählen. Das geht natürlich besonders gut mit Details, die dem Bild eine neue Facette geben. Ich baue die Bilder mit einem zentralen Element als Blickfang auf und im Hintergrund oder an den Seiten passiert auch noch was. Ich habe selten eine fertige Vision im Kopf. Ich mache viel mit „try and error“. Probiere Dinge aus und schmeiße sie dann wieder weg. Manchmal sieht es am Anfang echt kacke aus, da braucht man ein bisschen Durchhaltevermögen. Ich habe eine gewisse Erfahrung und weiß, irgendwann kommt dann der Moment, wo die Sachen zusammenpassen. In einigen Fällen bleibt der jedoch aus und ich muss alles wegschmeißen und nochmal von vorne anfangen. 

Rockmagazine: Da ist es natürlich schade, dass das CD Cover so ein kleines Format hat. 

Thomas: Deswegen bin ich über Vinyl und Earbooks sehr dankbar. Die haben eine schöne Größe, da kann man die Details natürlich auch erkennen. Ich hätte das nie gedacht in den Jahren, als Vinyl für tot erklärt wurde. In der Rock- und Metal Szene ist den Leuten das physische Produkt noch sehr wichtig und die Firmen haben das ja auch erkannt und geben sehr häufig Special Editions mit Live DVD, Bonustracks, Poster oder ähnlichem heraus, was man eben nicht bekommt, wenn man die Musik nur streamt. Deswegen glaube ich, das sich das zumindest in naher Zukunft auch nicht ändern wird. 

Rockmagazine: Wie wichtig ist das Artwork für den Verkauf eines Albums?

Thomas: Ja, immens (lacht). Natürlich steht immer die Musik im Vordergrund. Obwohl ich auch schon mal Alben wegen des Artworks gekauft habe, ohne zu wissen, welche Musik dahinter steckt. Aber das wird natürlich nicht die Regel sein. Ich interessiere mich dafür und da ist das eine Art Berufskrankheit. Aber das Cover ist natürlich ein Werkzeug, um die Leute aufmerksam zu machen. Man kann mit den Trademarks spielen, um zu signalisieren: hier findest Du, was du suchst! Da ist ein Artwork natürlich schon wichtig und dass es mit der Musik zusammen passt und alles insgesamt eine runde Sache ergibt. 

Rockmagazine: Was machst Du, wenn du nicht designest? Hast Du Hobbies?

Thomas: Ich bin sehr reiselustig und habe auch schon diverse exotische Ecken auf diesem Globus gesehen, beispielsweise Brasilien, Papua Neu-Guinea, Äthiopien, Kenia oder Botswana. Generell habe ich eine Schwäche für Afrika. Ich hatte ziemlich lange einen Hund, der ist leider letztes Jahr verstorben und ich habe noch keinen Neuen. Das war aber schon eine ziemliche Passion von mir. Ich gehe sehr gern ins Kino. Das ist natürlich auch sehr visuell und eine schöne Inspirationsquelle für mich. Bei Herr der Ringe zum Beispiel sind alle Aspekte abgedeckt, die in der Metal Artwork Welt vorkommen. Die Filme werden von den Bands auch immer wieder als Referenz genannt. 

Rockmagazine: Nimmst Du eigene Fotografien bzw. fotografierst du auch?

Thomas: Ich fotografiere auch, aber das ist weniger geworden. In den vielen verschiedenen professionellen Fotoarchiven, die es mittlerweile gibt, finde ich gutes Material, welches als Basis funktioniert. Wenn ich einen Totenkopf brauche, ist es praktikabler, mir im Archiv unter tausenden von Bildern einen auszusuchen, als ihn selbst zu fotografieren. Bei anderen Dingen muss man aber auch schon mal selbst zur Kamera greifen.

Rockmagazine: Wie kam die Zusammenarbeit mit Avantasia?

Thomas: Ich hatte vorher schon Designs für Edguy gemacht. Tobias Sammet ist bei beiden Bands der Mastermind. Als er 2007 an der Platte „The Scarecrow“ gearbeitet hat, fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, für Avanatsia auch einen Vorschlag einzureichen. Und das war für mich ein absoluter Glücksfall, weil gerade das Scarecrow Cover sehr gut angekommen ist. Die Platte hat sich gut verkauft und ich glaube, daran hatte das Cover einen nicht so ganz kleinen Anteil. Das war wirklich eine total runde Sache. Ist eine Weile her, aber das war für mich schon ein Meilenstein.

 Rockmagazine: Leider gibt es die Cover ja selten als Poster zu kaufen.

Thomas: Das ist einer der Gedanken, die wir bei der Ausstellung Painted in Blood hatten: Das Bild zu nehmen und in den Vordergrund zu rücken. Und eben ohne Bandlogo, sonst wäre es ja Bandmerchandise. Es war ein Experiment. Wir hatten alle keine Ahnung, ob das überhaupt jemanden interessiert. Wie Du schon gesagt hast, so ein Artworker wird manchmal ein bisschen stiefmütterlich behandelt, was Credits etc. angeht. Inzwischen merken wir, dass den Leuten die Ausstellungen gut gefallen. Es ist eine eigene Kunstform, die ein bisschen unterrepräsentiert ist und dazu noch eine Wanddeko, die man nirgendwo anders bekommen kann.

Rockmagazine: Hast Du die Musiker kennengelernt, für die Du gearbeitet hast?

Thomas: Die Mehrzahl lerne ich persönlich nicht kennen. Das ist ja auch schwierig, wenn ein Band zum Beispiel aus Kanada kommt. Oder aus Ecuador wie Black Sun, für die ich vor einiger Zeit ein Artwork gemacht habe – wie soll man sich da kennen lernen? Es läuft fast alles ausschließlich über E-mail. Persönliche Kontakte entstehen eher dann, wenn man schon über eine längeren Zeitraum zusammengearbeitet hat. Und das sind dann eher Bands aus Deutschland, die man persönlich kennen lernt.

Rockmagazine: Kannst Du eine Top 3 deiner eigenen Artworks zusammenstellen?

Thomas: Mich beeinflusst dabei auch, welche Bilder bei den Leuten gut ankommen. Ich merke, dass die Bilder bei mir eine andere Wertigkeit bekommen. Das Bild „Irony of Fate“ mit den drei Schicksalsnornen zum Beispiel habe ich für eine ganz unbekannte Band namens No Time For Redemption gemacht. Das hatte ich gar nicht mehr so richtig in Erinnerung und dann habe ich mir vor der ersten Ausstellung alles angesehen, was ich so gemacht hatte. Dabei bin ich über dieses Bild gestolpert und fand es ziemlich cool, so dass ich es in die Ausstellung aufgenommen habe. Und es kommt sehr gut an! Es wird oft als Poster oder im größeren Format mitgenommen, weil viele Leute die Geschichte kennen, die dahinter steckt. Das Bild hat jetzt eine ganz andere Bedeutung für mich als noch vor vier Jahren und gehört für mich auch in die Top 3. So wechselt die Wahrnehmung, die man von seinen eigenen Sachen hat. Und Geschmäcker ändern sich auch. Sachen, die ich selber vor 15 Jahren gut fand, finde ich heute nicht immer noch gut.
Also – Nr. 1: „The Scarecrow“, Nr. 2: „Irony of Fate“, Nr. 3: „Dark Conquest“.

Rockmagazine: Trauen sich junge unbekannte Bands mit einem kleinen Budget überhaupt, so bekannte Künstler nach einem Artwork zu fragen? 

Thomas: Doch, das passiert sogar relativ häufig. Oft sind das die angenehmsten Kooperationen. Unbekannte Bands haben sich ihr Budget zusammengespart und die Summe X für das Artwork, Summe Y für das Studio und dann noch etwas für Bandfotos eingeplant. Da wird gar nicht diskutiert und man muss auch nicht lange auf Zahlungen warten. Es kann natürlich sein, dass das, was die Band eingeplant hat, nicht reicht. Aber oft habe ich die Erfahrung gemacht, wenn eine Band ihr Debut oder die zweite Platte aufnimmt, dass die dann auch besonders motiviert und total dankbar ist, wenn alles Formen annimmt. Meistens ist das ja genau ihr Traum oder Wunsch gewesen. So etwas hat mir immer mit am meisten Spaß gemacht. Das Artwork zu entwickeln und vielleicht auch ein bisschen mit den Weg zu ebnen hin zu professionellen Dimensionen. 

Rockmagazine: Du hast schon eure Ausstellung Painted in Blood angesprochen. Wie kam es dazu?

Thomas: Wir sind zu dritt: Jan Meininghaus, Björn Gooßes und ich. Wir kennen uns schon seit Jahrzehnten, wir sind alle in derselben Blase im Heavy Metal sozialisiert worden mit unseren eigenen Bands, haben auch schon zusammen auf den Bühnen gestanden in allen möglichen Jugendzentren und sind dann alle auf mehr oder weniger direkten Wegen in diesem Job gelandet. Aus einer Bierlaune heraus kamen wir auf die Idee, mal eine Ausstellung zu machen. Da ist dann aber sechs Jahre oder so erst mal nichts passiert. 2016 hatten wir dann endlich unsere erste Gemeinschaftsausstellung in Bochum in einer kleinen Galerie. Seitdem sind wir da am Ball geblieben und inzwischen hauptsächlich auf Festivals vertreten, so zum Beispiel auf dem Summer Breeze, beim Copenhell, in Wacken, beim RockHarz und Rock Hard Festival. Meines Wissens waren wir die Ersten, die das gemacht haben. Es war ein Experiment, bei dem vorher keiner wusste, funktioniert so etwas, interessiert das überhaupt jemanden, sind die Bilder nachher alle kaputt, weil es staubig ist oder regnet? Aber es macht total Spaß und jedes Mal ist es ein bisschen anders. Festivalarbeit halt, da muss man auch schon mal improvisieren. Aber es läuft gut und ich freue mich schon auf die Ausstellungen 2020!

Rockmagazine: Meine letzte Frage: Mit wem würdest Du gern mal zusammenarbeiten?

Thomas: So einen Megaseller wie Aerosmith oder Metallica würde natürlich jeder gern machen. Ich fand es ziemlich schade, das die Zusammenarbeit mit Volbeat aufgehört hat, als sie zu einem Major gegangen sind. Da würde ich gern eine neue Kooperation starten. Was ich auch sehr gerne machen würde, wäre eine Ausstellung auf dem Hellfest. Da haben wir uns auch schon ein paar Mal beworben, aber hatten da noch nicht so richtigen Erfolg. 

Rockmagazine: Ich danke dir für Deine Zeit Thomas und das interessante Gespräch!

Thomas: Sehr gerne und ich hoffe, wir sehen uns auf dem ein der anderen Festival bei unseren Painted In Blood Ausstellungen. 

Thomas Ewerhard im Netz:

www.thomas-ewerhard.com
www.facebook.com/thomasewerhardartwork
www.facebook.com/paintedinbloodexhibition

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Thomas Ewerhard

By Karina

Karina ist für uns an Rhein und Ruhr unterwegs. Sie hört neben Metal auch Irish Folk Punk, Deutsch- und Mittelalterrock. Für gute Musik ist ihr kein Weg zu weit.

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