Heavy History – Historischer Ereignisse in Rock & Metal
Geschichte – Nur wenige Themengebiete, außer vielleicht der Herr der Ringe, werden so oft im Metal behandelt. Aber was steckt hinter Liedern wie „Run to the Hills“, „1916“ oder „Tirpiz“? Diese Rubrik stellt den historischen Hintergrund in unseren Lieblingssongs genauer dar und liefert die eine oder andere Hintergrundinfo und historische Einordnung.
Helrunar sind bekannt für hochwertigem Black Metal mit außergewöhnlicher Lyrik. Auf ihrem 2015 erschienene Album „Niederkunfft“ befasst sich die deutsche Black Metal-Truppe mit dem Europa zwischen Mittelalter und Neuzeit. Das Stück „Magdeburg brennt!“ thematisiert dabei ein Ereignis während des 30-jährigen Krieges, welches die Menschen noch über sehr lange Zeit schockierte. Dieser Krieg gehört im Metal doch eher zu den unerforschteren Feldern – Da lohnt sich eine Betrachtung dessen gleich doppelt!
„Die Heerschar stuermt
Und Wallenstein starrt auff die Sterne
Der Herr sei uns gnaedig! Magdeburg brennt!“
Helrunar – Magdeburg brennt!
Wir schreiben das Jahr 1631. Es ist Frühling. Das vermögende und einflussreiche Magdeburg erwacht am Ufer der Elbe aus einem harten Winter. (vgl. Schmidt, 2018, S. 361)
Doch erstmal ein Blick zurück.
Die Vorgeschichte
Auf europäischem Boden tobt seit 1618 ein Krieg unbeschreiblichen Ausmaßes. Ein Krieg, welcher insgesamt genau 30 Jahre andauern soll. Die Ursachen sowie die Beteiligten des Krieges sind dabei ebenso komplex wie zahlreich. Innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gab es bereits zuvor zunehmende Spannungen zwischen protestantischen und katholischen Herrschern mit dem habsburger Kaiser auf katholischer Seite. Außerhalb kämpften vor allem das habsburgerische Spanien und Frankreich um ihre Vorherrschaft in verschiedenen Gebieten. (vgl. Schmidt, 2018, S. 64ff.) Damit noch nicht genug versuchten in der Ostsee auch noch Schweden und Dänemark die Macht an sich zu reißen. (vgl. Arndt, 2007, S.26ff.)
Den endgültigen Ausbruch des Krieges besiegelte dann am 23. Mai 1618 der berühmte Prager Fenstersturz (Übrigens Nummer zwei von drei unfreiwilligen prager Flugerlebnissen), bei welchem die kaiserlichen Statthalter durch die Protestanten einen freien Flug aus dem Fenster erhielten. (Vgl. Schmidt, 2018, S. 160)
In den folgenden Jahren überzogen meist mit Söldnern gestellte Heere verschiedenster Parteien mal auf katholischer, mal auf protestantischer Seite die Gebiete Mitteleuropas mit Angst und Schrecken, während der ursprüngliche Kriegsgrund immer nichtiger wurde. (Vgl. Schmidt, 2018, S. 548)
Wir befinden uns nun im aktuell dritten Teil des Krieges. Unter König Gustav Adolf kontrolliert das vom einfachen Bauernstaat zur Großmacht aufgestiegene Schweden 1630 große Gebiete der Ostseeregion. Schmidt (2018) sieht darin die Gründung eines „Großreiches rund um die Ostsee.“ (Schmidt, 2018, S.346) Den Einmarsch in norddeutsche Gebiete würde Gustav Adolf bei Nachfrage vermutlich mit der Zielsetzung des Schutzes der deutschen Protestanten begründen, bedroht durch die Gegenreformation des katholischen habsburger Kaisers. (vgl. Arndt, 2007, S.104) Historiker wie Schmidt (2018) sehen die religiösen Gründe Gustav Adolfs jedoch eher zweitrangig. (vgl. Schmidt, 2018, S. 346 f.) Macht und Vorherrschaft stehen wohl eher im Fokus.
Wieso Magdeburg?
Attraktiv aufgrund seiner militärisch günstigen Lage und seinem Einflussreichtum sowie der großen Symbolik im Widerstand gegen die Rekatholisierung (vgl. Arndt, 2007, S. 108) geriet die Stadt Magdeburg bereits mehrfach in den Fokus politisch-religiöser Unstimmigkeiten. Auch vor 1630 kam es bereits zu einer kurzzeitigen Belagerung durch den kaiserlichen Heerführer Wallenstein (Vgl. Schmidt 2018 S. 361), bevor dieser durch Johann T’Serclaes von Tilly ersetzt wurde.
Infolgedessen hofft die Stadt auf den Schutz des schwedischen Königs Gustav Adolf und schließt mit diesem ein Bündnis. Unglücklicherweise hat auch dieser einige Finanzierungsprobleme. Interessant hierbei ist, dass die einzige und für seine Pläne nicht annähernd ausreichende Geldquelle des protestantischen Königs das katholische Frankreich ist. Unterstützend finanziert man sich daher, wie üblich, durch Raub und Mord an der Bevölkerung. (Vgl. Schmidt 2018, S.349-356)
Das Schicksal nimmt seinen Lauf
„Was huelft der Jungfer Mawern und Bastionen
Citadellen und Kanonen
wann der Schaender traengt mit Schwerdt und Spieß
weil sie zu lang ihn warten ließ?“Helrunar – Magdeburg brennt!
Die Stadt Magdeburg, deren Wappen eine Jungfrau ziert und die von verschiedenen zeitgenössischen Medien als „Jungfrau“ dargestellt wird (vgl. Tschopp 2005 S.86), ist außerordentlich gut befestigt und scheint für eine Belagerung bestens gerüstet.
Im Frühjahr 1631 zieht der katholische Heerführer Tilly mit 25.000 Soldaten gemeinsam mit kaiserlichen Truppen unter Pappenheim erneut vor die Stadt Magdeburg. Die Bevölkerung hofft auf die Schweden und vertraut auf ihre eigene Stadtbefestigung. Sie verweigert somit dem Magistrat der Stadt trotz mehrfacher Aufforderung durch Tilly die freiwillige Übergabe der Stadt. Den inzwischen desolaten Zustand der schwedischen Truppen ist ihnen verhängnisvollerweise leider nicht bekannt. Das Prinzip „Der Krieg ernährt den Krieg“ funktioniert nach inzwischen 12 Jahren Krieg nicht mehr. Es ist der 20. Mai 1631. Die katholischen Truppen belagern schon einige Zeit die Stadt und warten ungeduldig. In den frühen Morgenstunden starten dann die ersten Angriffe auf Magdeburg und die angrenzenden Dörfer. Geplant war ein Angriff von allen Seiten, unterstützt durch Pappenheim. Diesen über den genauen Zeitpunkt in Kenntnis zu setzen wurde allerdings versäumt, weshalb sich das Vorrücken der kaiserlichen Truppen verspätet. (vgl. Schmidt, 2018, S. 362 ff.)
„Ein blutig Hochzeit wird gehalten
mit mehr als zwaintzig Tausent Mann under Waffen.
Fern bleibt der Loewe aus Mitternacht
nun wird die Maid zur Hur gemacht!“Helrunar – Magdeburg brennt!
Gustav Adolf, der „Löwe aus Mitternacht“, ist nirgends zu sehen und so ereignet sich in der Stadt nach schneller Eroberung ein schockierendes tagelanges Schauspiel von Gewalt.
Dem Kriegsrecht nach ist eine eroberte Stadt für eine gewisse Zeit völlig ausgeliefert. Jedem ist somit klar, was der Eroberung folgt. Das Massakrieren der Bevölkerung dient dabei einer Darstellung der eigenen Überlegenheit und in den Augen der Söldner als Ausgleich der bisherigen Strapazen und ihr gutes Recht. Wer nicht ausreichend plündert bekommt anschließend außerdem Ärger mit der eigenen Frau, sie hofft schließlich auf neue Schätze. Manchen Berichten nach halfen sogar die Ehefrauen beim Plündern. (vgl. Schmidt, 2018, S. 366 f.) Trotzdem heben sich die folgenden Ereignisse vom üblichen Kriegsgeschehen ab, was selbst Zeitgenossen erschaudern lässt.
Zeitgenössische katholische Medien prägen später das Bild einer Hochzeit zwischen der widerspenstigen Jungfrau Magdeburg und ihrem Bräutigam, General Tilly. Während jedoch die katholischen Medien in der „Hochzeit“ eine geradezu legitime Unterwerfung sehen, beschreiben protestantische die Eroberung als die Schändung einer ehrhaften Magd bzw. Jungfrau oder Maid (Vgl. Tschopp, 2005, S. 87ff), wahlweise ist auch die Sprache von einer Bluthochzeit (vgl. Schmidt, 2018, S. 368). Die Darstellung der Eroberung als sexuelle Gewalt ist dabei vermutlich nicht zufällig, da diese bei der Eroberung Magdeburgs auch für damalige kriegsübliche Verhältnisse überdurchschnittlich gehäuft vorkommt. (Vgl. Tschopp, 2005, S. 92)
In Magdeburg wird nun gemordet, vergewaltigt, gefoltert, geplündert. Unabhängig von Alter und Geschlecht. (Vgl. Schmidt, 2018, S. 366 f.)

Steinbrück, Eduard (1866): Die Plünderung Magdeburgs (Die Magdeburger Jungfrauen). Gemälde
„Die Jungfer schawdert von schwartzem Regen
aus hartem Eisen mit tausent Schlaegen.
Des Kaysers Knechte zernichten das Land
stecken ihr Kleidt und Haar in Brandt.
Bald fewrig ist die Lufft, bald finster um und um
wer nun nicht schreit, bleibt ewig stumm.“Helrunar – Magdeburg brennt!
Bald lodern Flammen über der Stadt, wobei bis heute nicht klar ist, welche Seite das Feuer legte.
Die Feuer legen letztlich die Stadt in Schutt und Asche und fordern weitere Todesopfer, denn viele Bürger verstecken sich in den Kellern und verlassen diese nicht aus Angst vor den Soldaten, wodurch sie den Tod durch die Flammen finden. Schlussendlich sind 90% der Häuser zerstört und lediglich der Dom sowie ein Kloster bleiben von den Flammen verschont. (vgl. Schmidt, 2018, S. 366 f.) Aus der einst überregional machtvollen Hansestadt wurde ein Ruinenfeld.
„Es ist gewiß
Seyd der Zerstoerung Jerusalem
Kein grewlicher Werck und Straff Gottes gesehen worden
All unser Soldaten seind reich geworden
Gott mit uns“Helrunar – Magdeburg brennt!
Papenheims Vergleich der Zerstörung Magdeburgs mit derer Jerusalems ist dabei nicht von ungefähr. Denn nicht mal ein Jahr vorher predigte der Domprediger mahnend über die Ankündigung der Zerstörung Jerusalems durch Jesus und zwang damit den Magistrat zum Bündnis mit Schweden. (vgl. Arndt, 2007, S. 202f.)

Stolz verkündet schlussendlich Tilly seinen Sieg, jedoch ist von der Eroberung nicht mehr viel übrig. Am Ende lässt etwa zwei Drittel der Bevölkerung, man schätzt ca 20.000 Menschen, ihr Leben. (Schmidt, 2018, S. 368) Die überlebende Bevölkerung flieht nach Braunschweig (vgl. Arndt, 2007, S. 108) und 1632 hat Magdeburg schließlich nur noch knapp 450 Einwohner. (vgl. Schmidt, 2018, S.368) Noch lange bleibt der Begriff „magdeburgisieren“ das Sinnbild für die völlige Zerstörung. Erst Jahrhunderte später soll ein neuer Krieg mit noch größeren Verwüstungen den Begriff ablösen.
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Quellen
- Arndt, Johannes (2017). Der Dreißigjährige Krieg. 1618-1648. Stuttgart: Reclam.
- Tschopp, Silvia Serena(2005): Rhetorik des Bildes – Die kommunikative Funktion sprachlicher und graphischer Visualisierung in der Publizistik zur Zerstörung Magdeburgs im Jahre 1631 in:
Burkhardt, Johannes, Werkstetter, Christine(Hrsg.) (2005): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München, Wien: R. Oldenbourg Verlag.
Link: https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/30910/file/30910.pdf (08.03.2025) - Schmidt, Georg (2018): Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. München: C.H. Beck.
- Helrunar (2015): Magdeburg brennt!. auf Niederkunfft. Prophecy Productions(Soulfood)
- Merian, Matthäus (1659). Magdeburger Hochzeit. Stich/Aquarellmalerei. Theatrum Europaeum. Public domain, via Wikimedia Commons
URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sack_of_Magdeburg_1631.jpg (10.03.2025) - Steinbrück, Eduard (1866): Die Plünderung Magdeburgs (Die Magdeburger Jungfrauen). Gemälde. Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Public domain, via Wikimedia Commons. in:
Puhle, Matthias (1998) „…gantz verheeret!“: Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg, Magdeburger Museumsschriften, 6. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag.
URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eduard_Steinbr%C3%BCck_Die_Magdeburger_Jungfrauen.jpg (10.03.2025)