Genre: Post-Black-Metal
Am Freitag, den 24.01.2025 erschien das von Fans der Band Harakiri for the Sky sehnlich erwartete neue Album Scorched Earth. Vier Jahre vergingen bereits seit dem Erscheinen ihres letzten Longsplayers Maere. In dieser langen Zeit spielten Sänger Michael „JJ.“ Kogler und Musikinstrumentalist Matthias „M.S.“ Sollak neben den Aufnahmen des neuen Albums auch die ersten beiden Alben vom Anfang der mittlerweile 14-jähren Bandgeschichte neu ein und holten pandemiebedingt aufgeschobene Shows auf.
Via Social Media angekündigt als gesellschaftskritisch und mit Blick auf die derzeitige kaum friedvolle Weltsituation, verspricht das Album bekannte Themen aufzugreifen. Doch hat sich das lange Ausharren nun gelohnt?
Letztlich entstand ein Album mit 61 Minuten Gesamtspielzeit für insgesamt sieben neue Songs, wobei zusätzliche zwei Bonustracks die Special Editions ergänzen. Unterstützt wurde die Band hierbei von insgesamt vier namenhaften Gastvocals. Lyrisch thematisieren die Songs wie erwartet die bereits von Harakiri for the Sky bekannten Themen, so sind Trauer, Schmerz und Krisen maßgeblich beteiligt.
Doch wie sieht es auf musikalischer Seite aus? In den Stücken mit einer Laufdauer von zum Teil über zehn Minuten zeigt sich eine genreübergreifende Bandbreite. So finden sich neben einzelnem Black Metal
typischem blastbeatsuntermaltem Einton-Geschredder (bandtypisch aber mit Harmonie) auch äußerst melodische Passagen. Bei Letzteren möge man sich nun streiten, da diese so manchem Hörer aus düsterem Gefilde zu viel werden könnten. Andere sehen hier vielleicht auch die richtige Würze aus dem Melodeath oder weiteren helleren Bereichen des Metals.
Sowohl im Schlagzeug als auch in den Gitarren zeigen sich vielseitige Spielweisen, die auch von der technischen Weiterentwicklung der letzten Jahren zeugen. Gespickt wir das Ganze mit dem bandtypischen Piano und diversen, mal mehr, mal weniger präsenten weiteren Effekten, immer in hervorragender Tonqualität. Es lohnt daher, beim Hören des Albums nach Möglichkeit auf Medien mit unkomprimierter Klangqualität zurückzugreifen. Die verschiedenen Kompositionsteile werden oft durch ruhige, sich aufbauende Bridges verknüpft. Immer wieder jedoch kommt der Übergang auch unerwartet und recht abrupt. Harakiri for the Sky präsentieren hier wieder ihren ganz eigenen Stil irgendwo zwischen Post Metal, Blackgaze und Black Metal. Allerdings scheint diesmal in diesem Album innerhalb der einzelnen Songs oftmals kein roter Faden vorhanden zu sein. Zeigt sich beim Opener Heal Me gemeinsam mit Tim Yatras von Austere noch ein wunderbarer, sich steigernder Aufbau mit mitreißenden Blastbeats zum Kopfnicken, erscheinen die kommenden Stücke in einem anderen Gewand.
Immer wieder stellte ich mir beim Hören die Frage: „Wo kommt das denn jetzt her?!“. Ein Hinwegträumen und Versinken in den Liedern, ein volles Mitfühlen des Schmerzes und der Verzweiflung durch die einzigartigen Screams von J.J. wird hier, im Gegensatz zu vorangegangenen Stücken der Alben Mære oder meiner persönlichen Lieblingsscheibe Aokigahara, wiederholt drastisch unterbrochen. Ob dies von der Band intendiert ist und sich um ein künstlerisches Stilmittel handelt oder nicht, ist schwer zu sagen.
Gleichzeitig entsteht spätestens bei dem vierten Song des Albums No Graves but the Sea das Gefühl, dass sich der Grundaufbau der Songs grundlegend kaum unterscheidet.
Akustisch überrascht wird der Hörer dann kurzzeitig mit dem fünften Song With Autumn I’ll Surrender, welcher etwas frischen Wind zu bringen scheint. Für mich reichte jedoch auch diese sanfte Brise nicht zur Wendung des Blattes aus, auch wenn die Intros der nachfolgenden letzten Songs (u.A. gemeinsam mit Serena Cherry von Svalbard) vielversprechend klangen.
Positiv hervorzuheben sind jedoch die Bonustracks der Special Edidions. Das Radioheadcover Street Spirit (Fade Out) gemeinsam mit P.G. (Groza) hat endlich das, was mir bisher oftmals fehlte: Das Stück baut langsam eine Atmosphäre auf, nimmt den Hörer mit und lässt ihn versinken. Auch wenn genreübergreifende Cover häufig eher kritisch zu betrachten sind ist dieses doch sehr gelungen (zumindest aus der Sicht eines Black Metalers). Ebenso schafft das letzte Stück Elysian Fields zusammen mit Daniel Lang von Backwards Charm einen ruhigen und zutiefst emotionalen Abschluss. Im Gesamten vermittelte Scorched Earth mir den Eindruck, dass innerhalb der letzten Jahre viele gute Ideen entwickelt wurden, welche die Band versuchte in einem Album zu vereinen. Genau hier liegt aus meiner Sicht der Hund (oder in diesem Fall des Covertier Hirsch) begraben. Vielleicht wäre es hier förderlich gewesen ein paar der Ideen, insbesondere einige der Riffs, für das nächste Album aufzusparen und dafür manchen der atmosphärischen und energetischen Melodien, sowie den wundervoll treibenden Blastbeats mehr Raum zu geben und so in sich stimmigere Songstrukturen zu schaffen. Schön wäre es gewesen dem Hörer, wie bei vorangegangenen Alben, die Möglichkeit zum Eintauchen in die musikalisch geschaffene Atmosphäre zu geben- ohne diese Reise regelmäßig jäh zu unterbrechen. Ein durchgängiges Hörerlebnis und besagtes Eintauchen in das Gesamtwerk wurde mir durch die wiederholten musikalischen Brüche zunehmend erschwert. Hier mag sich der subjektive Geschmack scheiden, für mich allerdings zeigen Harakiri for the Sky mit Scorched Earth zwar ein technisch solides und im Allgemeinen stilistisch bandtypisches Album, welches jedoch meiner Ansicht nach nicht an das einzigartig Mitreißende der früheren Alben heranreicht.
Fazit: Scorched Earth hinterlässt zwar definitiv keine verbrannte Erde in der Bandgeschichte, wird aber auch keinen Meilenstein setzen. Es bleiben 5 von 10 Bängs, mit einem Zusatz Bäng für die Bonustracks.
Scorched Earth wurde am 24.01.2025 über AOP Records veröffentlicht.
Line Up:
J.J. Michael Kogler – Gesang
M.S. Matthias Sollak – Gitarre, Drums, Bass, Keyboard
Track List:
Heal Me (feat. Tim Yatras / Austere)
Keep Me Longing
Without You I’m Just A Sad Song
No Graves But The Sea
With Autumn I’ll Surrender
I Was Just Another Promise You Couldn’t Keep
Too Late For Goodbyes (feat. Serena Cherry / Svalbard)
Street Spirit (Fade Out) – Bonus Track (feat. P.G. of Groza)
Elysian Fields – Bonus Track (feat. Daniel Lang / Backwards Charm)
Harakiri For The Sky Bandcamp/Facebook/Instagram