Ich treffe Wolfgang Oberländer -Gitarrenbauer und Inhaber von Äpfli Guitars– in seiner Werkstatt in der rheinischen Toscana nahe Bonn, auch Drachenfelser Ländchen genannt. Auf ihn aufmerksam wurden wir durch ein Interview mit Jürgen Breforth von der deutschen Hardrock/Heavy Metal Band MadMax, mit dem er gemeinsam dessen Lieblingsgitarre „Stormchild“ entworfen hat.
Grund genug für uns, Wolfgang Oberländer zu besuchen und herauszufinden, warum Breforth ihn für einen der besten Gitarrenbauer Deutschlands hält:
Rockmagazine (RM): Hallo Wolfgang, vielen Dank, das ich Dich hier in diesem idyllischen Dörfchen besuchen darf (als Gesprächsuntermalung summen im Hintergrund ca. 30.000 Bienen munter um ihren Stock). Jürgen Breforth hat Dich kürzlich im Interview als einen der besten Gitarrenbauer Deutschlands bezeichnet.
Wolfgang: Hallo Karina, ja, das ist ja schon die zweite Gitarre, die ich für Jürgen gebaut habe. Schon bei der ersten war er dermaßen begeistert und fand sie toll. Er hat in seinen langen Musikerjahren schon etliche Gitarren gespielt und da empfand ich das als nettes Kompliment.
RM: Wie bist du zum Gitarrenbau gekommen?
Wolfgang: Das war eigentlich eher zufällig. Ich hab früher selbst als Gitarrist in einer Band gespielt. Mitte Ende der 80er Jahre hat sich das alles irgendwie in Wohlgefallen aufgelöst und ich hab bestimmt 10 Jahre keine Gitarre mehr angefasst. Anfang der 90er Jahre haben wir dieses Haus gekauft und viel Arbeit hineingesteckt. In dem Fachwerk fanden wir alte Eichenbalken, die sehr marode waren und ausgetauscht werden mussten. Aus Neugier habe ich ein paar davon aufgeschnitten. Von innen waren die noch top, viel zu schade zum Wegwerfen oder Verbrennen. Bei diesem alten Holz kam mir die Assoziation zu Gitarren. Ende der 90er Jahre versuchte ich, aus diesem Eichenmaterial meine erste Gitarre zu bauen. Das Handwerkliche war gar nicht das Problem. Da ich aber kein gelernter Gitarrenbauer war, kam ich irgendwann nicht mehr weiter, bei der Bundierung zum Beispiel. Und was ist eigentlich eine Mensur? Früher habe ich Gitarre nur gespielt und mich nicht darum gekümmert, wie so ein Instrument aufgebaut ist.
Nun bin ich immer schon ein Autodidakt gewesen und erforschte dann 1,5 Jahre diesen Theoriekram. Damals hauptsächlich aus englischsprachiger Literatur, auf deutsch gab es nichts. Heute wäre das im Zeitalter des Internets natürlich alles viel einfacher, aber das gab es ja damals noch nicht.
So bin ich also dazu gekommen und dabei geblieben. Mit meinen ersten drei fertigen Gitarren fuhr ich zu einer befreundeten Band in den Probenraum, weil ich wissen wollte, wie sie im Zusammenhang mit einer Band klingen. Bei der zweiten Probe wollte ein Gitarrist mein Vorführstück kaufen. Ich sagte: Die kannst du nicht kaufen, das sind meine Probestücke. Aber er war so begeistert und hat mich so lange belabert, bis ich sie ihm gelassen habe.
Ich habe noch nie großartig Werbung gemacht, meine Internetseite ist immer noch aus der Anfangszeit. Die Kunden kommen durch Mund zu Mund Propaganda. Es hat sich über die Zeit rum gesprochen. Ich möchte auch gar nicht Masse produzieren. Ich modifiziere auch E-Gitarren, also baue sie um. Und für ein Musikhaus aus Troisdorf repariere ich unter anderem auch Streichinstrumente.
RM: Von Rechts- auf Linkshänder oder welche Umbauten machst Du?
Wolfgang: Das habe ich auch schon gemacht, aber viele wollen eine andere Elektrik oder ein anderes Pickup. Da muss man zum Teil fräsen, weil die Pickups sonst nicht passen. Andere möchten leichtere Gitarren. Besonders die Les Paul sind dafür bekannt, dass sie relativ schwer sind. Ich habe gerade so einen Umbau angenommen. Dem Auftraggeber ist die Gitarre einfach zu schwer geworden mit der Zeit. Er wollte sie eigentlich verkaufen, hat aber nicht den Preis bekommen, den er sich vorstellte. Und da hat er mich gefragt, ob man sie nicht leichter machen kann.
RM: Geht so etwas?
Wolfgang: Geht schon. Die muss man von hinten erst mal ein bisschen abfräsen und viel Holz rausholen. Wenn man Glück hat, wird sie bis zu einem Kilo leichter.
RM: Verändert sich dann nicht der Klang?
Wolfgang: Ja, der kann sich verändern, aber zum Guten. Das haben schon einige vor mir gemacht und die sagten alle, dass der Klang besser wird.
RM: Und das hat sich noch nicht zu Gibson herumgesprochen?
Wolfgang: Doch, die machen das schon seit Jahren, weil sie das tolle alte Holz nicht mehr haben. Das Mahagoni, was sie jetzt verwenden, ist relativ schwer. Es gibt drei verschiedene Methoden, wie sie die Gitarren leichter machen: Entweder bohren sie Löcher hinein wie bei einem Schweizer Käse, bevor die Decke aufgesetzt wird. Oder sie machen Hohlräume rein. Manche werden fast komplett ausgehöhlt, das sind dann schon fast Semiakustik-Gitarren.
RM: Warum ist das Holz schwerer? Hat das mehr Feuchtigkeit, weil es noch nicht so alt ist?
Wolfgang: Es gibt verschiedene Sorten Mahagoni. Aus bestimmten Regionen ist der Handel schon länger verboten. Andere Mahagoni-Sorten sind einfach dichter und dadurch schwerer.
RM: Warum eignet sich Mahagoni gerade so gut für den Gitarrenbau?
Wolfgang: Eigentlich gibt es eine Menge andere Hölzer, die sich ebenso eignen würden, aber das hat ein bisschen was mit der Tradition im E-Gitarrenbau zu tun, den es ja noch nicht so lange gibt, erst seit Anfang der 50er Jahre. Gibson war ein traditioneller Hersteller, im Gegensatz zu Fender, die haben schon immer viel Mahagoni für ihre Instrumente verwendet. Mahagoni für den Korpus genommen und Ahorn für die Decke. Heute ist man natürlich auch in der Situation, dass man nach anderen Hölzern gucken muss.
Ich versuche immer, altes Holz zu bekommen. In den 60er oder 70er Jahren wurden in vielen Häusern Mahagoni Treppen eingebaut. Heute wollen die Leute helle Treppen und reißen das dunkle Holz wieder raus. Da ist dann auch oft besseres, über 50 Jahre altes, leichtes Holz dabei und aus denen kann man Gitarren bauen.
RM: Wie lange brauchst du, um eine Gitarre zu bauen? Kann man das überhaupt so sagen?
Wolfgang: Nein, das kommt auf die Gitarre an. Und ich nehme mir eigentlich auch gern ausreichend Zeit dafür. Die beiden Gitarren für Jürgen musste ich allerdings unter Zeitdruck bauen, weil er sie mit auf Tour nehmen bzw. für einen Videodreh haben wollte. Mit mindestens zwei Monaten muss man aber schon rechnen, weil alleine die Lackierung eine gewisse Zeit zum Trocknen braucht. Ich habe sieben Jahre lang dem besten Gitarristen des Toys2Masters (Anm.d.Red.: größter Bandcontest in NRW) eine Gitarre gebaut und gesponsert. Da stand ich immer unter Zeitdruck, weil sie bis zum Finale fertig sein musste.
RM: Was wird da für eine Lack verwendet? Schelllack?
Wolfgang: Ursprünglich war das Nitrolack, weil man den sehr dünn auftragen konnte. Der darf aber heute so nicht mehr verwendet werden. Mit einer dicken Lackschicht kann das Holz aber nicht mehr vernünftig schwingen. Das beeinträchtigt den Klang. Man kann natürlich auch noch auf die alten Methoden mit Schellack zurückgreifen. Fender verwendete früher Autolacke, deswegen haben die zum Teil diese Farben Mint oder Pink, ähnlich wie die Cadillacs. Das waren auch Nitrolacke, und dann sind irgendwann die Kunstharze und Acryllacke gekommen. Jetzt haben sie wasserbasierte Lacke.
RM: Im Handel gibt es ja auch Gitarren für um die 100-150 €. Wo ist da der Unterschied? Holz ist da ja wahrscheinlich auch drin?
Wolfgang: 2005/2006 wurde der Markt mit asiatischer Massenware überschwemmt. Diese billigen Dinger wurden gerne als Einsteigermodelle verkauft, aber meiner Meinung nach waren die so grausam, das waren gar keine Instrumente. Zum Teil haben die Spanplatten oder Sperrholz für den Body genommen. Zum anderen waren die auch in sich nicht stimmig. Da war die Brücke schief montiert oder der Seitenverlauf war ein bisschen anders, als der Hals das vorgegeben hätte. Man hat gemerkt, dass das Ding von Leuten zusammen gebaut wurde, die keine Ahnung haben von dem, was sie da tun. Da haben einige bauen lassen, aber die Fabriken wurden am Anfang nicht kontrolliert und die Ware wurde massenhaft auf den Markt geworfen. Innerhalb relativ kurzer Zeit wurden aber Fertigungskontrollen durchgeführt und mehr auf das Material geachtet. Heute sind die immer noch so günstig, aber die Qualität ist wesentlich besser. Die billigen Gitarren erkennt man immer auch daran, dass sie so eine dicke Lackschicht haben. Wenn eine Instrument mal einen Abplatzer hat, dann sieht man das. Das ganze Zubehör, was da dabei ist wie die Hardware, die Pickups etc., besteht oft aus billigem Kram. Man könnte so eine Gitarre durch Austauschen der ganzen Hardware ein bisschen aufwerten, wenn sie sonst okay ist.
RM: Dann kann man sich wahrscheinlich auch gleich eine machen lassen oder?
Wolfgang: Nein, machen lassen ist schon teurer. Aber es gibt natürlich auch hochwertige Fabrikware, die eine Ecke teurer ist.
Im Orchester Bereich bei Flöten, Geigen oder Celli haben die völlig andere Preise. Da ist es völlig normal, wenn eine Geige 20.000 € kostet. Aber für das Geld würde sich kaum einer eine E-Gitarre kaufen.
Ich baue am liebsten Gitarren, wenn der Musiker schon Vorgaben macht.
RM: welche Vorgaben gibt es da?
Wolfgang: Das Material natürlich. Wie gesagt, Mahagoni ist nicht das einzige Holz. Fender zum Beispiel verwendet ganz andere Hölzer. Die legen Wert auf einheimische Materialien. Leo Fender wollte Gitarren bauen, die auch un- oder angelernte Fabrikarbeiter zusammenbauen können. Er wollte Holz nehmen, was da ist und was er in einem Sägewerk kaufen kann. Das war Erle und Ahorn, und so sind seine Telecaster und Stratocaster entstanden. Der Hals ist im Gegensatz zu Gibson Gitarren geschraubt statt eingeleimt. Die Fender sind flach wie ein Brett. Sie sind ein bisschen geformt für die Armauflage oder den Bierbauch, aber ansonsten eher Bretter und nicht wie bei einer Les Paul in Violinenform. Das ist von der Herstellung natürlich sehr viel günstiger.
RM: Aber von der Form her kann man alles machen?
Wolfgang: Die Form spielt eigentlich keine Rolle. Beim Material wird immer nach Alternativen gesucht, auch wegen dem Gewicht. Ich habe kürzlich über Brian May gelesen, dass er ja wohl ein Herzinfarkt hatte und er führt das u.a. darauf zurück, das er 50 Jahre seine schwere Gitarre auf der linken Schulter hatte. Das kann gut sein. Ein inzwischen leider verstorbener Freund von mir hatte temporär starke Lähmungserscheinungen im Arm, weil ihm ein Nerv vom Gitarre spielen eingeklemmt worden war.
In den 70ern gab es Versuche aus Acryl, eine niederländische Firma versucht es mit einem Verbundstoff, also Kunststoff. Die sind aus einem Stück gegossen, klingen super, aber auch ein bisschen steril.
RM: Es gibt ja viele Gitarristen, die sehr an ihren Gitarren hängen und sie nie verkaufen würden. Du warst selbst früher Gitarrist, kannst Du mir diese Liebe zu einem Instrument erklären?
Wolfgang: Vielleicht, weil man da schon immer mit gespielt hat. Es gibt wirklich manche ältere Gitarren, die klingen einfach super, weil sie aus gutem Holz gebaut sind und mit viel Sachverstand. Bei Gibson z.b. hatten sie im Gegensatz zu Fender viele Gitarrenbauer in der Fabrik. Und da war es wahrscheinlich auch entscheidend, wer die dann gebaut hat. Damals war noch viel Handarbeit, heute wird alles mit CAD- Maschinen gefräst. Da sind natürlich auch nicht mehr diese Qualitätsunterschiede, die es früher gab. Die waren zum Teil schon enorm. Ich habe meine erste Gitarre auch noch aber ich hänge eigentlich nicht an ihr. Es ist auch eine sehr schwere Les Paul mit Sandwich-Body, also zusammengeleimten Resthölzern. In der Zeit wurde bei Gibson sehr auf Kostenreduzierung geachtet.
RM: Dann komme ich zu meiner letzten Frage: Würdest Du gern mehr Gitarren bauen?
Wolfgang: Ich habe keine Lust, Klinken zu putzen. Bis jetzt bin ich ganz gut damit gefahren, dass die Leute auf mich zukommen. Als ich anfing, mich mit dem Gitarrenbau zu beschäftigen, habe ich die Geschichte von Paul Reed Smith, dem Gründer von PRS Guitars gelesen, der auch als Autodidakt in seiner Garage angefangen hat, Gitarren zu bauen. Irgendwie ist Carlos Santana auf ihn aufmerksam geworden und ließ sich eine Gitarre von ihm bauen. Am Ende war die Nachfrage so hoch, dass Smith eine Fabrik bauen lassen musste. Besorge dafür erst mal das Geld! Smith hatte zum Glück eine Frau, die da ein Händchen für hatte. Ich bin da kein Typ für, deswegen bin ich sehr zufrieden, wie es gerade läuft.
RM: Ein sehr schönes Schlusswort von Dir. Wir vom Rock Magazine wünschen Dir, das es genauso bleibt und natürlich viel Gesundheit.
Wolfgang: Schön, dass ihr Euch für meine Arbeit interessiert. Bleibt gesund!