Genre: Metalcore, Progressive Metal, Djent

Land: USA

Meine Beziehung zu ERRA ist äußerst ambivalent. Seit mehreren Jahren versuche ich in regelmäßigen Abständen, mit der Musik der US-Amerikaner warm zu werden, bisher ohne Erfolg. Auch das aktuelle Album, „ERRA“, hatte ich absolut nicht auf dem Schirm. Hätte mich Mirko von Uncle M Music nicht noch einmal darauf aufmerksam gemacht, wäre mir wohl auch das bereits fünfte Album der Band unter dem Radar durchgerutscht.

Wo viele schon den Briten von Architects die Krone des Metalcore aufsetzen wollen, haben sie die Rechnung ohne die fünf Herren von ERRA gemacht. In einer Zeit, in der viele große Namen des Core einen Gang zurückschalten und sich oft in anderen Genres austoben, sind es Namen wie Northlane und ERRA, die ihrem Stil treu bleiben und auch etwas an Komplexität und Härte zulegen.

Das selbstbetitelte Album ist ein Brett vor dem Herren. Schon der Opener Snowblood zeigt mit seine an Tron erinnernden Synths im kurzen Intro, wie der Hase läuft. Schnell stürzen auch Gitarren und Drums in den Sound ein. Gerade die Drums leisten bemerkenswerte Arbeit und verpassen einem einen Schlag in die Magengrube nach dem anderen. So hart und kompromisslos, dass wir hier eigentlich noch gar keine Riffs bräuchten. Mit dem Einsetzen der Screams muss ich diese gerade eben gefasst Meinung aber schnell wieder revidieren, da die Djenti Riffs hier noch einmal dermaßen Power reindrücken und für ordentlich Bewegung der Nackenmuskeln sorgen. Im Refrain geht man dann eher einen melodischen Weg, natürlich auch aufgrund der Cleans, doch diese klingen anders als sonst. Kantig und mit der nötigen Power, um neben den starken Screams nicht unterzugehen.

Hymnischer geht es in Divisionary zur Sache. Gang Vocals, die mit einem Riff untermalt in einen etwas anderen ERRA Song einleiten. War ich es sonst von der Band gewohnt, Songs nach Schema F zu hören, sprich Screams in den Strophen, Cleans im Refrain, ist der Sound hier viel abwechslungsreicher und lässt die Screams und Cleans gemeinsam existieren, um eine noch viel spannendere Seite der Band zu zeigen. Auch wird hier mehr mit elektronischen Elementen gespielt, weshalb mir immer wieder Northlane in den Sinn kommt, die ihren Sound auf dem aktuellen Album nochmal verfeinert haben. Die Epicness und Intensität steht auch Starset in Nichts nach. Gerade der Synthwave Part mit den Djent Riffs brennt sich extrem gut in Kopf und Beine und leitet meinen lyrischen Lieblingspart ein, der einen wunderbar intensiven und wunderschön endenden Spannungsbogen umfasst und ins chaotische House of Glass mündet.

Hier hört man einen weiteren Einfluss der Band heraus. Gerade die Cleans im Intro könnten so auch von Between The Buried And Me kommen. Auch House of Glass glänzt neben der instrumentalen Raffinesse mit den extrem harmonischen Cleans und Screams der beiden Frontmänner.

ERRA ist ein Album wie ein Rausch: Man stolpert von einem Highlight zum nächsten. Mal drückt uns die instrumentale Darbietung gegen die Wand und im nächsten Moment werfen uns die Cleans in eine andere Dimension, nur um dann von den Screams direkt in die Hölle befördert zu werden. Ein unglaublich unterhaltsamer und abwechslungsreicher Ritt, der seinen Höhepunkt im epischen Lunar Halo erreicht. Verzerrte Vocals, die leicht aus dem Hintergrund ertönen, bevor man sich wieder progressiv ans Werk macht und gemeinsam mit den Screams die abgefahrensten Riffs des Album bietet. Superlative tragen diese Nummer, denn auch der Refrain ist wahrlich göttlich und fügt sich, wie so oft, wunderbar ein. Der ruhige Break nach gut drei Minuten vermittelt dann starke 30 Seconds To Mars Vibes, bevor wir ein absolut feines Solo um die Ohren geschmettert bekommen.

Mit Memory Fiction endet das selbstbetitelte Meisterwerk dann noch einmal sehr überraschend. Ganz ohne Screams würde man im ersten Moment vermutlich etwas Kitschiges erwarten, doch der Sound unterscheidet sich im Kern aber nur sehr wenig vom Rest. Klar um einiges ruhiger, immerhin bekommen wir hier über weite Strecken eine Ballade geboten, dennoch wirkt der Song nicht wie ein Fremdkörper, sondern fügt sich sehr gut ein und schafft so ein gewisses rundes Ende für die Metalcore Überraschung des noch jungen Jahres.

Fazit:

ERRA hat das Unerwartete vollbracht: Ich bin ein Fan, aber sowas von! In einer Zeit, in der eine Band wie Architects das Cover des einen oder anderen Magazins ziert, bekommt ERRA kaum Aufmerksamkeit.

Für mich ist aber ganz klar, das ERRA im Moment dem Metalcore wieder Leben einhauchen. Wo die Großen des Genre schön langsam die Pfade verlassen, zerstören ERRA die Pfade und machen sie neu. Mag sein, dass der progressive Metalcore der Band nichts Neues ist, dennoch zeigen Bands wie eben ERRA, dass man diesem Genre, auch ohne einen Schritt Richtung Mainstream gehen zu müssen, Leben einhauchen kann.

Musikalisch haben wir hier eines der spannendsten und besten Metalcore Alben der letzten Jahre vor uns. „ERRA“ zeigt, wie Metalcore im Jahre 2021 klingen sollte und hat definitiv das Potenzial, ein neuer Meilenstein des Genres werden.

Ich vergebe 10 von 10 Bängs.

zehn von zehn

„ERRA“ erschien am 19. März via UNFD und ist als CD, Vinyl, Digitales Album und Stream erhältlich.


Line-Up:

Jesse Cash – Guitar/Vocals

Joseph Cavey – Vocals

Alex Ballew – Drums

Conor Hesse – Bass

Sean Price – Guitar


Tracklist:

1. Snowblood

2. Gungrave

3. Divisionary

4. House of Glass

5. Shadow Autonomous

6. Electric Twilight

7. Scorpion Hymn

8. Lunar Halo

9. Vanish Canvas

10. Eidolon

11. Remnant

12. Memory Fiction


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By Patrick

geb. 1993, Musik-Fan seit 2010, Verheiratet, Ein Sohn, Bevorzugte Genres: Metalcore, Post-Hardcore, Progressive Metal, Pop-Punk, Alternative Rock. Neben seiner sozialen Ader ist Patrick auch für feinste Recherche und Tiefe in seinen Reviews und Berichten bekannt.

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