Genre: Post-Hardcore, Trancecore, Alternative
Land: UK
Schon wieder drei Jahre sind seit dem letzten Album der Briten vergangen. „Nothing Is True and Everything Is Possible“ klang anders, was bei einer Band wie Enter Shikari aber auch nicht weiter verwunderlich ist.
Ihre stetig wachsende Fangemeinde muss eigentlich schon seit dem Release des Debuts „Take To The Skies“ mit krassen Stilschwankungen rechnen, denn, das ist Fakt, kein Enter Shikari Album klingt wie das Andere. Auch „A Kiss for the Whole World“ ist hier keine Ausnahme, man kann aber schon mal sagen das es das kraftvollste Werk seit „The Mindsweep“ ist. Was das neue Album aber gänzlich anders macht ist die Tatsache das es nur mit Solarenergie aufgenommen wurde, so ist zumindest die Musik selbst klimaneutral. Ein Schritt der löblich ist und von dem sich doch bitte vor allem die wirklich großen Acts inspirieren lassen sollten.
Als Opener fungiert auch gleich der Titeltrack A Kiss for the Whole World x. Instrumental baut es durch die Bläser ganz klar die Brücke zum direkten Vorgänger auf, wären die Beats an noch ältere Tage der Band erinnern. Es wirkt als könnte uns hier die Summe aller Enter Shikari Facetten erwarten. Wir bekommen nicht nur die gewohnt einfach tollen Cleans von Rou, sondern auch gleich im Opener auch seine feinen chaotischen Screams geboten. Die Synths tragen den Track überweite Teile und gehen unfassbar direkt ins Ohr.
Die erste Single des Albums (pls) set me on fire versprüht schon etwas die Wut von „A Flash Flood of Colour“. Wieder sind die Synths sowas von fett eingebaut, gerade die Drums nehmen sich aber den Platz den sie brauchen, garniert mit feinen Riffs die schon eher etwas aus dem Hintergrund kommen. Für mich aber sind die gelegentlich eingestreuten Vocals von Chris das Highlight. Ich mag das Zusammenspiel von Rous und Chris Stimmen einfach ungemein. Auch das ist so ein Punkt an dem man erkennt das es Enter Shikari ist.
Als weitere Single wurde It Hurts ausgekoppelt, welches im Video die Handlung von (pls) set me on fire fortsetzt. Das erste Mal das wir auch deutlich die Gitarre hören, auch wenn der Fokus wieder klar elektronischer ist. Die Vocals kommen bisweilen schon fast schluchzend daher und vermitteln in diesen Momenten eine gewisse Hoffnunglosigkeit und doch ist die Aussage hinter der Nummer einfach so wichtig: Auch wenn wir fallen, wir machen kleine Schritte und erschaffen eine Veränderung.
Ein Synthfeuerwerk zündet das folgende Leap into the Lightning. Die ersten Sekunden täuschen da ganz klar etwas an was es nicht, so bleibt der balladige Sound nur kurz und wird recht schnell von einer fetten Breitseite der Instrumentalfraktion übernommen. Der erste richtige Ohrwurmtext, nicht nur aber gerade wegen dem schön eingängigen Refrain.
Kein Enter Shikari Album ohne Interludes, so haben sich auch auf „A Kiss for the Whole World“ drei davon versteckt. Den Anfang macht feed yøur søul, welches natürlich ein Abkömmling von Leap into the Lightning ist. Was soll man sagen? Nach dem Synthfeuerwerk kommt die Synthexplosion. Kann man nicht beschreiben, muss man einfach hören.
Ich liebe es wie das Quartett es immer wieder gekonnt schafft einzelne Zeilen einfach schon gefühlt über Jahre hinweg in Songs einzubauen, ohne es aufgesetzt wirken zu lassen. Auch wenn Deadwood hier nicht der erste Track ist der dies auf dem kommenden Dreher macht kommt es hier am direktesten an. Deadwood ist über weite Strecken hinweg ein von Streichern und den Vocals von Rou getragener Song, der klar an „Nothing Is True and Everything Is Possible“ erinnert und sich klar schafft von den anderen Songs abzuheben. Die Vocals von Rou kommen hier in allen Facetten wunderbar zur Geltung. Ich mag die Steigerung in der Nummer unglaublich gerne. Ab dem Moment in dem die Vocals mit Autotune bearbeitet wurden dreht die Nummer und Rory, Chris und Rob stoßen mit voller Kraft in den Sound hinzu. So ist Deadwood schon fast ein kleines Epos.
Als Gegenstück zu Deadwood könnte man tatsächlich Jailbreak sehen. Weg von Klassik, hin zu Elektronik. Sehr tanzbar und der wohl straighteste Song des Albums. Sehr synthlastig, bekommen wir dann mit den Vocals von Chris eine kurze Verschnaufpause. Die Drums sind abermals so gewaltig in Szene gesetzt das ich einfach nur vor Freude grinsen kann. Die Screams sind wohl platziert und machen wie gewohnt extrem Spaß.
Die bis dato letzte Single Bloodshot leitet schon in gewisserweise das Finale ein. Abermals sehr elektronisch, vermutlich der elektronischste. Anfangs hat Bloodshot nicht so recht gezündet, doch gerade in Verbindung mit den Lyrics ist alles einfach extrem stimmig und thematisiert unsere Abhängigkeit von Sozialen Medien, Filter die unsere Wahrnehmung stören und uns insgesamt hypnotisieren.
Als zweites Interlude baut Bloodshot (Coda) ist das Streicher Outro zu Bloodshot, welches wieder etwas Druck herausnimmt.
Druck der mit goldfĭsh ~ direkt wieder aufgebaut wird. Extrem düster und schwermütig mit den bisher genialsten Vocals jemals in einem Shikari Song. Rou variiert so enorm viel wie man bisher noch nie gehört. Die Lyrics, die Instrumentals. Alles ist sehr düster, schon beinahe apokalyptisch. Und doch einfach auch ein krasser Ohrwurm. Sicherlich eines der wohl größten Highlights des Albums.
Ein Album von Enter Shikari ist ein Album voller Superlativen und so endet „A Kiss for the Whole World“ für mich mit dem bisher genialsten Song den die Vier in ihrer Karriere je geschrieben haben. Alleine das Intro von Giant Pacific Octopus (i don´t know you anymore) ist sowas von genial und der Text ist krass direkt. Zeilen wie Does anybody even really have a clue who they really are und I don´t know you anymore or maybe I never did yeah maybe I never did and maybe I never will gehen schon ordentlich unter die Haut. Instrumental geben Enter Shikari alles und mit alles meine ich wirklich alles. Sie schaffen es in knapp 2,5 Minuten 20 Jahre Bandgeschichte zu verpacken. Man hört jede Phase der Band klar heraus, vermengt zu dem heftigsten was ich jemals von Enter Shikari zu hören bekommen habe. Schnell, angenehm hart und mit dem einem oder anderem Überraschungsmoment. Der Oktopus haut mich jedes Mal aufs neue komplett weg. Live könnte die Nummer auch dem obligatorischen Rausschmeißer Live Outside Konkurrenz mach.
Als letztes und abschließendes Interlude haben mit giant pacific octopus swirling off into infinity… das Outro zu Giant Pacific Octopus (i don´t know you anymore), das nach all dem Wirbel und Energie der Platte einen ganz und gar entspannten Abschluss bildet. Mit Wellen werden wir aus einem wahrlich großartigen Album entlassen.
Fazit:
Wenn man denkt es kann nichts mehr neues kommen erfinden sich Enter Shikari mit Hilfe ihrer Vergangenheit irgendwie noch einmal neu. Wie keine andere Band schaffen es Enter Shikari auch im 20. Jahr immer noch frisch und unverbraucht zu klingen und trotz neuer Facetten die gleichen zu bleiben.
Es gibt nichts was man als Fan an „A Kiss for the Whole World“ aussetzen kann. Ein weiterer Meilenstein in der Karriere der besten Band der Gegenwart.
Ich vergebe 10 von 10 Bängs.
„A Kiss for the Whole World“ erscheint am 21. April via SO Recordings und wird als CD, Vinyl, Kassette, Digitales Album und Stream erhältlich sein.
Enter Shikari sind:
Rou Reynolds – Lead Vocals/Programming/Synthesizer/Keyboards/Acoustic Guitar/Rhythm Guitar/Trumpet/Percussion
Chris Batten – Bass/Vocals/Synthesizer/Keyboards/Percussion
Rob Rolfe – Drums/Percussion/Backing Vocals
Rory Clewlow – Lead Guitar/Vocals/Percussion/Keyboards/Synthesizer
Tracklist:
1. A Kiss for the Whole World x
2. (pls) set me on fire
3. It Hurts
4. Leap into the Lightning
5. feed yøur søul
6. Deadwood
7. Jailbreak
8. Bloodshot
9. Bloodshot (Coda)
10. goldfĭsh ~
11. Giant Pacific Octopus (i don´t know you anymore)
12. giant pacific octopus swirling off into infinity…