Genre: Modern Metal/Post Rock/Synth Pop

Land: USA

Modern Metal sollte eigentlich die Zukunft unseres altgewordenen Genres werden. Bands sollten neue Wege gehen und gleichzeitig ihre Wurzeln in Form von Black Sabbath, Deep Purple oder Metallica nicht vergessen. Aber irgendwie gefällt mir die Richtung nicht, die die Newcomer größtenteils einschlagen. Wer meine Rezension zur neusten Platte von Fire From The Gods gelesen hat, wird sicher schon wissen, was mir an modernen Bands missfällt: „Schema F-Spotify-Hits“ und Playlist-Alben sind präsenter als je zuvor und moderne, gut strukturierte, als echte Alben konzipierte Werke, sind schwer zu finden.

Beim Auswahlprozess für die Rezension zum neuen Album von Dayseeker hatte ich direkt nach dem Anhören der Single Without Me das Gefühl, dass ich hier wieder einer „Fire From The Gods“-Situation gegenüberstehen würde. Aber “Dark Sun“ entpuppte sich schnell als so viel mehr als ein Playlist-Album.

Opener Dreamstate holt mit seinen luftigen Synth-Wänden und den weich angeschlagenen Piano-Melodien direkt den 18-Jährigen Dead By April-Fan aus mir heraus. Gemischt mit den harten Riffs der Gitarren klingt der Song wirklich stark nach der schwedischen Band und kommt mit dem absoluten eins-A-Refrain sogar an deren größten Hits heran. Während des obligatorischen Breakdowns wird sogar ein bisschen gegrowlt. Insgesamt klingt Dreamstate hart und zahm, aber lehnt sich nie zu sehr auf eine der beiden Seiten. Mit dem klasse Refrain ist der Opener definitiv einer meiner Lieblinge auf “Dark Sun“, aber hört doch selbst:

Mit Neon Grave wird es ein wenig härter. Die Riffs übernehmen direkt die Federführung, bevor es in die ruhigen Strophen geht. Vergleichbar mit softeren Songs von Imminence, nutzen die Strophen moderne Pop-Elemente, wie Lo-Fi-Drums, während der Refrain und der Breakdown ganz klar in Modern Metal präsentiert werden. Überraschend für mich war der Fakt, dass Neon Grave tatsächlich den härtesten Song des Albums repräsentiert. Denn ab diesem Punkt im ersten Hördurchgang war mir noch nicht klar, dass “Dark Sun“ in eine andere Richtung will, als ich es von Modern Metal-Alben gewohnt bin.

Without Me schlägt diese Richtung aber noch nicht ein. Die Single ist die Textbuch-Definition von moderner Powerballade. Das Spektakel beginnt zwar mehr wie ein Synthwave-Song als ein Metal-Track, aber das hindert Dayseeker nicht daran ab dem zweiten Refrain die volle Bandpower auszupacken. Also doch klassischer Build-up von klein zu groß. Wie schon in der Einleitung erwähnt, beeindruckte mich Without Me nicht sonderlich.

Die unerwartete Wende von “Dark Sun“ fasziniert mich jedoch immer noch und Homesick ist deren Startpunkt. Der Song klingt wie ein Mix aus 80er-Pop und Synthwave, der im Hintergrund durch härtere Gitarren und Drums unterstützt wird. Ich war bei meinem ersten Durchgang des Albums zwar überrascht, aber hielt den Song anfangs mehr für eine Anomalie als einen Wendepunkt der Platte. Wie falsch ich doch lag…

Midnight Eternal klingt im Intro nach sehr zurückgenommenem City Pop. Ein pulsierender Synth-Bass und die Vocals werden später durch computergenerierte Drums unterstützt. Es entsteht eine düster-traurige Atmosphäre, die, bis auf ein paar hallende Gitarrenanschläge, ganz ohne Rock oder Metal auskommt. Der kurze Track geht nahtlos in den Titelsong des Albums über.

Dark Sun fängt an wie ein 2022-Smash Into Pieces-Song: es wird fast im gesamten Song Sidechain genutzt und die 80er-Elemente sind stark spürbar. Der Refrain folgt wie ein Drop auf einen Build-up und klingt mit seinen gesidechainten Riffs und der Pianomelodie einfach einzigartig. Gegen Ende nehmen Dayseeker den Sidechain aus dem Refrain heraus und offenbaren so auch die Post Metal-Seite des Choruses, bevor ein Fade-out den Track beendet. Dark Sun ist ein genial platziertes Centerpiece für dieses Album!

Weiter geht es mit Quicksand. Hier präsentieren Dayseeker den Refrain gleich im Intro. Der Song ist erneut auf der ruhigeren Seite, aber nicht balladesk. Man könnte ihn mit Summer Is Over von KSI vergleichen – chillig und fokussiert auf den Gesang.

Foto: Amber Paredes

Den balladesken Part übernimmt dann Paper Heart. Jeder emotionale Teen-Romance-Film wünscht sich so einen Soundtrack. Süße Pianoklänge leiten den Song ein, der ganz klar von den Vocals getragen wird. Später kommen noch Streicher, Akustikgitarren und leichte Drums dazu. Der Refrain ist besonders gut gelungen – speziell der „fold“ und „hold“ Reim. Ohne Frage ein Highlight der Platte.

Crying While You‘re Dancing kommt sicher direkt aus einer musikbestückten Szene aus Vampire Diaries. Die Heartbreak-Teen-Romance-Energie, die dieser Track ausstrahlt, ist nicht zu überhören. Ein Gitarrensolo markiert Höhepunkt des Liedes, das ansonsten sehr stark auf den Refrain fokussiert ist.

Und wir bleiben beim Film: niemand kann mir erzählen, dass Parallel nicht einer der Songs ist, die es nur knapp nicht in die Kinoversion von The Greatest Showman geschafft haben. Angedämpfte Drums begleiten die hallende Stimme von Sänger Rory Rodriguez, der wie ein melancholischer Erzähler durch den Song leitet. Wer einen vergleichbaren Song sucht, sollte sich Tightrope aus dem oben erwähnten Musical-Film anhören.

Rausschmeißer Afterglow (Hazel‘s Song) bringt dann endlich wieder die ganze Band mit. Der Track hat zwar harte Riffs, bleibt aber melancholisch optimistisch, statt zu einem Headbanger-Track wie Neon Grave zu werden. Nach den vielen traurigen Liedern klingt Afterglow (Hazel‘s Song) wie ein kathartisches Ende für eine Lebensperiode. Das macht auch viel Sinn wenn man bedenkt, dass es in den Texten des Albums hauptsächlich um den Tod des Vaters und die Geburt der Tochter des Sängers geht. Zwei Events, die jeweils das andere Ende des Lebens symbolisieren.

“Dark Sun“ hat mich aufs Positivste überrascht. Ich erwartete ein 0815-Modern Metal-Playlist-Album und bekam eine Synthwave/Pop-Album mit Rock-Elementen, das in sich eine Reise widerspiegelt und als kohärente Album-Erfahrung genossen werden kann. Tatsächlich sehe ich die klassischen Modern Metal-Tracks des Albums (Neon Grave und Without Me) als die schwächsten Songs und frisch klingende Tracks wie Dark Sun oder Afterglow (Hazel‘s Song) gefallen mir sehr viel besser, obwohl sie definitiv weniger “Metal“ sind. Dem Anschein nach sind Modern Metal-Bands doch sehr viel kreativer als angenommen.

Fazit: “Dark Sun“ ist eine Reise durch verschiedene Gefühlslagen und Genres. Wer Modern Metal mit Experimentierfreude mag, wird bei Dayseeker garantiert fündig. Die Jungs haben es geschafft, ein 0815-Modern Metal-Album in etwas umzuformen, das nicht nach irgendeiner anderen Band klingt oder klingen will, sondern auf eigenen Füßen steht und sich keinen Genregrenzen beugt. Das Album bietet zwar Playlist-Material, ist aber in erster Linie als kohärentes Werk zu hören, damit die einzelnen Lieder ihr volles Potential entfalten können.

Dafür gibt es von mir 8,5 von 10 Bängs!

“Dark Sun“ erscheint am 4. November 2022 via Spinefarm Records und ist als CD, LP und digitaler Download erhältlich.

Die Band:

GesangRory Rodriguez
GitarreAlex Polk
GitarreGino Sgambelluri
BassAndrew Sharp
SchlagzeugMike Karle

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Dayseeker Website

By Elias

Schreiberling aus Leidenschaft, Metal-Enthusiast seit der Schulzeit. Verirrt sich gern in den Tiefen des Prog und bestaunt moderne Ansätze zu Rock und Metal.

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