Bereits seit sechs Jahren lassen Killing Joke die Fans auf ein neues Album warten. Doch neuer Output scheint trotz Corona und keinen Konzerten bislang nicht in Sicht. Stattdessen wurde am 25. Juni nochmal das letzte (sehr empfehlenswerte) Studioalbum „Pylon“ auf farbigem Vinyl in einer Deluxe Edition neu veröffentlicht. Weniger untätig war hingegen Schlagzeuger Paul Ferguson, der am gleichen Tag seine erste Soloplatte „Virtual Control“ unter die Leute brachte. Mit stolzen 63 Jahren!
Mit Solo-Alben ist es ja immer so eine Sache. Die Fallhöhe ist tief, da natürlich Vergleiche mit der Hauptband gezogen werden. Auch im Falle von „Virtual Control“ ist das Rad sicher nicht neu erfunden worden. Gemeinsam mit Gitarrist Mark Thwaite (u. a. The Mission) liefert uns der alte Haudegen zehn Industrial-Nummern, wie man sie ebenfalls auf diversen Killing Joke-Alben finden könnte. Thwaites Gitarrensound erinnert hier teilweise auch an den von Geordie Walker. Im Falle von „Virtual Control“ ist das alles jedoch nichts Schlechtes. Die Songs sind gut herausgearbeitet und Paul Ferguson tut das, was er auch bei seiner Hauptband bestens kann: den simplen, riffbetonten Stücken mit seinem vielschichtigen Drumming den letzten Schliff zu geben. Beim Schlagzeugspielen aber belässt es Big Paul nicht, sondern er steuert gleich noch den Gesang für jedes einzelne der zehn Stücke bei. Seine Stimme wirkt dabei ein wenig dünn, doch bei Killing Joke ging es ja nie wirklich um virtuoses Getue und auch Sänger Jaz Coleman hat über die Jahre an stimmlicher Kraft verloren. Trotzdem hätte ich Coleman gerne auf dem düsteren The Unraveling gehört, einem der besten Songs des Albums.
Das restliche Material braucht sich allerdings auch nicht die Blöße zu geben, denn richtige Ausreißer nach unten gibt es keine. Shiny Toys beginnt mit einem Elektro-Beat, ehe Ferguson an den Drums loslegt. Gegensätze ziehen sich eben manchmal doch an. Selbst die erste Single Extrapolate, die bei mir nicht gerade auf Begeisterung stieß, weil sie für mich eher nach einem Killing Joke-Outtake klang, kann mich nach ein paar Album-Durchläufen schließlich doch abholen. Zwar nicht der Beste Song des Albums, aber immer noch gut genug um eine Daseinsberechtigung auf „Virtual Control“ zu haben.
Positiv hervorzuheben sind auch die Gäste. Bassist und Sänger Tim Skold (Ex-Marilyn Manson) schaut auf Seeping through the Cracks vorbei, wo ein einziges Riff quasi auf sechs Minuten gestreckt wird. Aber genau deshalb funktioniert der Song so gut und man möchte eigentlich die ganze Zeit mit bangen. Auf dem ruhigen Dystopian Vibe tritt dann noch Jürgen Engler (Die Krupps) am Keyboard in Erscheinung. Der deutsche Sänger revanchiert sich hier für ein Feature von Ferguson auf der neuen Krupps-Scheibe „Songs from the Dark Side of Heaven“. Mit dem Ambient Song, auf dem der Killing Joke-Drummer einen Spoken-Word-Text vorträgt, endet „Virtual Control“ nach 45 Minuten.
Fazit: Big Paul Ferguson liefert den Fans mit „Virtual Control“ ein solides Debütalbum, welches sich ideal zur Überbrückung bis zur nächsten Joke-Scheibe anbietet (bzw. bis zur Tour im nächsten Jahr). Natürlich können die Songs nicht ganz mit den unvergesslichen Hymnen der Hauptband mithalten, aber für einen Alleingang ist „Virtual Control“ trotzdem gelungen. Ich gebe 8 von 10 Bängs.

„Virtual Control“ kann hier als CD und auf rotem Vinyl erworben werden. Alternativ gibt es das Album auch auf den gängigen Streamingplattformen zu hören.
Trackliste:
1. Lapdogs (4:42)
2. Shiny Toys (4:26)
3. The Unraveling (5:11)
4. Extrapolate (4:35)
5. Sea of Judgement (3:12)
6. Seeping through the Cracks (feat. Tim Skold) (5:51)
7. Data Lama (3:49)
8. Glass Houses (2:53)
9. Plausible Deniability (6:29)
10. Dystopian Vibe (feat. Jürgen Engler) (4:22)
Big Paul Ferguson auf Facebook
Big Paul Ferguson auf Instagram