ARJEN ANTHONY LUCASSEN’S STAR ONE – Nicht einfach nur Filmmusik zu bekannten Filmklassikern – neues Album „Revel in the Time “ erscheint am 18. Februar – Albumreview

Arjen Anthony Lucassen, niederländischer Multi-Instrumentalist, Gründer, Kopf und Bandleader von AYREON startet im Jahr 2002 sein zweites großes Projekt ARJEN ANTHONY LUCASSEN’S STAR ONE, mit dem er seither mit seinem Raumschiff und spacigen Sounds durch entfernte Galaxien surfte und sich dabei musikalisch eher an die etwas härter orientierten Musikfans richtet. Nachdem er letztes Jahr mit „Transitus“ mal wieder ein hervorragendes Doppelalbum mit AYREON veröffentlichte, welches stark gesangsorientiert, sich teils in Richtung Musical bewegte (den Review findet ihr hier), ist nun mit „Revel in Time“ wieder mal eine neue Scheibe von STAR ONE an der Reihe.

Arjen Anthony Lucassen ist ja bekannt für seine ausgesprochen fulminanten Kompositionen, sehr verspielte Melodien, Gitarren und Keyboards bzw. Hammond Orgel stehen fast gleichberechtigt nebeneinander und prägen den Sound seiner beiden Hauptbands. Wie immer bei seinen Veröffentlichungen hat sich Arjen auch auf „Revel in Time“ wieder zahlreiche namhafte Gastmusiker geangelt, die sich stimmlich oder instrumental auf der neuen Scheibe verewigen durften. Namen wie Floor Jansen, Steve Vai, Jeff Scott Soto oder Joe Lynn Turner um nur einige zu nennen, sind nun wahrlich keine Unbekannten und lassen wieder großartige Musik erwarten.  

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Wie meistens bei Arjen`s Veröffentlichungen, war sein Schaffensdrang auch dieses Mal wieder so ausgeprägt, dass beim nun nach 12 Jahren vorliegenden dritten Studioalbum von STAR ONE der Platz auf einen Silberling bzw. zwei LP`s nicht ausreichte, um all den kreativen Output gebührend unterzubringen. So wird auch „Revel In Time“ wieder als Doppel-CD bzw. dreifach-LP veröffentlicht. Ist ja nicht das erste Doppelalbum aus dem Hause Lucassen, ich frage mich mal wieder, welche Band hat eigentlich die meisten Doppelalben vorzuweisen?

Arjen hat ja bekanntlich eine ausgesprochene Vorliebe zu Spielfilmen, die ihn häufig als Grundlage für seine Songs dienen. Waren es beim STAR ONE-Debüt „Space Metal“ diverse Science-Fiction Filme wie z.B. „Alien“, die in fernen Galaxien spielten und so sicherlich auch zum Titel der damals durchgeführten „Intergalactic Space Crusader´s“-Tour führte. Was war das damals für ein geiler Auftritt in Aschaffenburg, bei dem ich live dabei sein durfte. Solch eine Fülle an verschiedenen Sängern auf einer Bühne gab es damals noch nicht in vielen Bands/Projekten, AVANTASIA waren damals noch am Beginn ihrer Karriere. Somit kann man getrost behaupten, dass Arjen Lucassen das Genre der Progressiven Rock-/Metalmusik mit Multi-Gesang auf der Bühne mitbegründet hat.

Nach den recht apokalyptisch, teils dystopisch angehauchten Songs vom Zweitwerk „Victims of the Modern Age“ ließ sich Arjen bei „Revel of Time“ dieses Mal von Filmen inspirieren, die sich mit dem Thema Zeitreise beschäftigen. So entsprang z. B. der Albumtitel aus einer Mischung aus „Travel in Time“, bei dem einfach das „T“ gestrichen wurde und dem Zitat „revel in your time“ aus Arjens Lieblingsfilm „Blade Runner“. Weitere Filme aus den Achtzigern wie „Zurück in die Zukunft“ oder „Terminator“ dienen ebenfalls als Vorlage für die Songs des Albums.

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Doch kommen wir zum musikalischen Inhalt von „Revel in Time“.

Wie nicht anders zu erwarten war, fällt das Album teils um einiges härter aus als AYREON`s „Transitus“.  Normalerweise interagierten die verschiedenen Sänger bei früheren Veröffentlichungen in den Songs miteinander. Wegen der Pandemie und internationaler Beschränkungen war es Arjen leider jedoch nicht möglich alle Tracks live im seinem Studio in Holland aufzunehmen, sodass er sich dafür entschied, für fast jeden Track einen anderen Sänger zu verwenden, der dann die Vocals einsingt.

Der Eröffnungstrack „Fate of Man“ mit Britney Slayes von UNLEASH THE ARCHERS am Micro ist der perfekte Einstieg in die nächsten 66 Minuten Hightech-Metal mit unglaublich atmosphärischem Sound und einer Vielzahl an Details, die den Zuhörer die Kinnlade runterfallen lässt. Wie eine Fortsetzung von „Universal Migrator“ beginnt der Song recht spacig, ehe Keyboards und das Schlagzeug beginnen Fahrt aufzunehmen und sich der Song hin zum Power-Metal-Song wandelt, wie der „Terminator“ in der Songvorlage. Dann stößt Britney hinzu, drückt mit Ihrer geilen Stimme dem Song ihren Stempel auf und verleiht ihm das gewisse Etwas. Seit dem grandiosen „Abyss“-Album von UTA gehört Britney für mich zu den aktuell besten Metal-Shouterinnen auf dem Markt. Ein toller Album-Opener, so kann´s gerne weitergehen. Recht harte, rifflastige Melodien und ein fetter Schlagzeugsound von Arjens Stammkumpel Ed Warby an der Schießbude sorgen dank erstklassiger Produktion durch das ganze Album hindurch für den nötigen Wumms aus den Boxen.

Bei „28 Days (till the End of Time)“ übernimmt Russell Allen (Symphony X) nicht zum ersten Mal die Vocals. Inhaltlich behandelt der Song den Film „Donnie Darko“ aus den frühen 2000ern.

Doch nicht nur echte Metalheads werden ihre Freude an dem Album haben, auch alle Fans von AYREON werden wie z. B. bei „Prescient“  begeistert sein, hätte der Song mit seinen Musical-Anleihen doch auch ohne Probleme auf „Transitus“ einen Platz gefunden. Im Midtempo-Bereich angesiedelt, bildet der Titel mit dem typischen Lucass`schem Keyboard-Sound  eine Art Brücke zu dem besagten Album.

„Back from the Past“ beschäftigt sich inhaltlich mit den gleichnamigen Filmen aus den 80ern und ist wie geschaffen für Jeff Scott Soto an den Vocals. Erinnert zu Beginn etwas an dessen frühere Band Talisman. Ein fettes Soli von Ex-Guns `n Roses Gitarrist Ron „Bumblefoot“ Thal und der weibliche Backgroundchor bestehend aus Floor Jansens Schwester Irene Jansen und Marcela Bovio (MaYaN) ergänzen sich prächtig.

In die ähnliche Richtung geht es weiter, sei es der Titeltrack mit teils harten Gitarrenriffs und der tollen Stimme von Brandon Yeagley (Crobot) oder der wie immer überragenden Auftritt von Damion Wilson bei „Bridge of Life“, der einfach mit seiner etwas klagenden Stimme perfekt zum STAR ONE-Sound passt. Arjen hat ein Gespür für den richtigen Sänger zum passenden Song, da ist er einfach ein Meister seines Fachs. Fette Metalriffs und klingende Keyboardtöne sorgen für Abwechslung. Dazwischen taucht immer mal wieder der Backgroundchor der beiden Damen Jansen/Bovio auf, um das Geschehen etwas zu versüßen.

„Today is Yesterday“ gehört zu den härteren Songs des Albums. Immer wieder duellieren sich hier die Gitarren und die Hammondorgel, dazu der wabernde Bass von Arjen und die Sirenen der Damenfraktion bilden einen gelungenen Kontrast. Auch das Solo vom Niederländer Marcel Singor ist nicht von schlechten Eltern, könnte glatt auch von Arjen stammen, der ja auch schnelle Finger hat.

Bei „A Hand on the Clock“ gibt es dann ein erneutes Wiedertreffen der beiden Jansen –Sisters, die auch schon 2002 gemeinsam bei der STAR ONE-Tour den Background-Chor übernahmen. Floor, inzwischen ja Frontfrau bei NIGHTWISH und durch den holländischen „Sing mein Song“-Ableger „Best Zangers“ inzwischen gefeierter Star in den Niederlanden, zeigt hier als Frontsängerin nicht zum ersten Mal bei AYREON/STAR ONE ihre absolute Klasse. Mit Hammond-Sounds im Hintergrund spielt Floor hier zart mit dem Refrain, um dann wieder Gas zu geben, absolut gelungen…

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„Beyond the Edge o fit all“ beginnt spacig mit Deep Purple-Hammonds und Bachgroundchor, bevor Jaycee Cuijpers (u.a. Praying Mantis) erstmals seinen Auftritt hat. Er war ja schon mehrfach auch Live bei den AYREON-Shows dabei und gehört inzwischen zur festen Besetzung der Gastsänger. Auch auf CD 2 hat er nochmals drei weitere gelungene Auftritte.

Den Schlusspunkt setzt dann der für mich neben dem Opener „Fate of Man“ beste Song des Albums, das ebenfalls bereits als Video veröffentlichte „Lost Children of the Universe, bei dem Roy Khan (Ex-Kamelot , Conception) die Leads übernimmt. Tragend mit Keyboard-Intro beginnend zeigt Roy sehr schnell, welch erstklassiger Sänger er noch immer ist und stellt die Idealbesetzung für diesen Song dar. Nach einem Break wird das Tempo und die Härte etwas angezogen und der Hellscore Choir gibt mit seinem in Latein gehaltenen Gesang dem Song die entsprechende Würze und einen sakralen Anstrich. Dazwischen immer wieder der sirenenhafte Gesang von Irene und Marcela, ein echtes Gesamtkunstwerk. Für den Solopart des Abschlusstracks hat sich Arjen niemand anderen als Gitarrenhexer Steve Vai an Bord geholt, der hier ein absolut geiles Solo abliefert, bei dem man sich unweigerlich ins Weltall verfrachtet fühlt … wie ein Astronaut der nach dem Abriss seiner Sicherungsleine von der Raumstation nun durch die Tiefen des Weltalls in die Dunkelheit abdriftet… traumhaft schön und grandios gemacht. Auch wenn ich mit den vai`schen Musikstil nie richtig warm geworden bin, überzeugt er mich hier zu 100%.

Auf Scheibe Nr. 2 hat Arjen alternative Versionen der Songs von CD1 draufgepackt, allerdings mit jeweils anderen Sänger/-innen an den Vocals.

Musikalisch habe ich jetzt keine allzu größeren Unterschiede feststellen könne, allerdings unterscheiden sich die Songs gesanglich teils schon gewaltig und geben den jeweiligen Version ein eigenes Erscheinungsbild. Welche Fassung bzw. welche Vocalparts nun die besseren darstellen bleibt jedem selbst überlassen. Auch hier sind wieder großartige Musiker am Werk, wie Tony Martin (Ex-Black Sabbath) , Adrian Vanderberg (Ex-Whitesnake, Vandenberg) , Will Shaw (Ex-Heir Apparent, Ayreon), und auch Master Arjen himself übernimmt bei „Today is Yesterday“ einmal selbst das Micro.

Fazit:

Wer bislang von den teils verspielten Songs des niederländischen Musikgenies Arjen Lucassen etwas überfordert war, der wird vermutlich auch mit dem neuen Werk so seine Schwierigkeiten haben und vielleicht von einer Art musikalischer Überfrachtung sprechen.

Lucassen-Fans jedoch können „Revel Of Time“ bedenkenlos kaufen, ganz egal ob nun AYREON oder STAR ONE ihre bevorzugte Band ist, die Schnittmenge dürfte sowieso recht nahe an der 100%-Grenze liegen. Wo Lucassen drauf steht ist eben auch Lucassen drin, da kann man sich fast blind drauf verlassen: progressiver Rock/Metal mit erstklassigem Sound, sehr viele verspielte Details und jede Menge exzellente Gastmusiker mit perfekt darauf ausgerichteten Songs machen auch „Revel of Time“ wieder zu einem Meisterwerk des Genres, das eines intensiven Hörens bedarf, um all seine Klasse zu entfalten.

Da „Revel Of Time“ sicher kein Album für den Schnelldurchgang ist, sollte erstgenannte Gruppe sich zumindest mal etwas Zeit nehmen und sich die Scheibe(n) in Ruhe zu Gemüte führen, vielleicht macht es dann auch bei ihnen Klick. Eigentlich braucht man einfach ein paar Durchläufe um alle Details wahrzunehmen und die Klasse dieses Ausnahmekünstlers und Genies an den Saiten und Tasten zu realisieren, der mal wieder die meisten Instrumente selbst eingespielt hat. Zusammen mit Ed Warby zaubert Arjen stets einen fetten Sound zu einem wieder mal hervorragenden Album, das von mir 9,5 von 10 Bangs erhält.

Hoffentlich kann sich Arjen dazu entschließen, auch mit „Revel Of Time“ wieder Mal aus dem Studio rauszukommen und mit dem Album auf Tour zu gehen. Die seltenen und äußerst erfolgreichen Shows mit AYREON in der Vergangenheit zeigen, dass die Fanbase kräftig zugelegt hat. Völlig ausverkaufte Gigs sind das beste Indiz dafür, dass die Fans Arjen regelrecht aus der Hand fressen, egal welches Album sie vorgelegt bekommen.

Das Frontcover wurde übrigens von Arjens vertrauten Lieblingskünstler Jef Bertels gestaltet, der auch schon bei früheren AYREON-Alben für die Covergestaltung verantwortlich war..

Anspieltipps : „Fate of Man“, „Lost Children of the Universe“

P.S.  Ich frage mich manchmal, ob es da etwa ein internes Battle zwischen Tobias Sammeth und Arjen gibt, wer die meisten Musiker für seine Projekte AVANTASIA  bzw. AYREON/STAR ONE rekrutieren kann?

„Revel in Time“ wird am 18. Februar 2022 über InsideOutMusic veröffentlicht und ist erhältlich als

  • Ltd. Deluxe 3CD+Blu-Ray Artbook & Poster mit alternativen und instrumentalen Versionen
  • Ltd. 2CD Digipak
  • Gatefold 2LP+CD & LP-Booklet
  • Digitales Album (2CD) mit alternativen Versionen aller Songs

Das Album kann hier vorbestellt werden.

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Besetzung:

Arjen Lucassen: Gitarren, Bass, Keyboards und Gesang

Ed Warby: Schlagzeug

Erik van Ittersum: Solina-Streicher

Marcela Bovio: Hintergrundgesang

Irene Jansen: Hintergrundgesang

Gästeliste:

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CD I:

1) Fate of Man:
lead and backing vocals: Brittney Slayes, guitar solo: Michael Romeo

2) 28 Days (Till the End of Time):
lead vocal: Sir Russell Allen guitar solos: Timo Somers

3) Prescient:
lead and backing vocals: Micheal Mills and Ross Jennings

4) Back from the Past:
lead vocal: Jeff Scott Soto guitar Solo: Ron „Bumblefoot“ Thal

5) Revel in Time:
lead vocal: Brandon Yeagley guitar solos: Adrian Vandenberg

6) The Year of ’41:
Lead vocal: Joe Lynn Turner vocalization: Will Shaw guitar solo: Joel Hoekstra synthesizer solo: Jens Johansson

7) Bridge of Life:
lead vocal: Damian Wilson

8) Today is Yesterday:
lead vocal: Dan Swanö, Moog synthesizers: Lisa Bella Donna

guitar solo: Marcel Singor

9) A Hand on the Clock:
lead and backing vocals: Floor Jansen Hammond solo: Joost van den Broek

10) Beyond the Edge of it All:
lead vocal: John Jaycee Cuijpers_ guitar solo: Arjen Lucassen

11) Lost Children of the Universe:
lead vocals: Roy Khan, choir: Hellscore Choir; guitar solo: Steve Vai

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CD II – Same Songs, different singers

2) 28 Days (Till the End of Time):
lead vocal: John Jaycee Cuijpers

3) Prescient:
lead and backing vocals: Will Shaw

4) Back from the Past:
lead vocal: John Jaycee Cuijpers

5) Revel in Time:
lead vocal: John Jaycee Cuijpers

6) The Year of ’41:
lead vocal and synth solo: Alessandro Del Vecchio

7) Bridge of Life:
lead vocals: Wilmer Waarbroek

8) Today is Yesterday:
lead vocals: Arjen Lucassen

9) A Hand on the Clock: 
lead and backing vocals: Marcela Bovio and Irene Jansen (verses)

10) Beyond the Edge of it All:
lead vocals: Mike Andersson

11) Lost Children of the Universe:
lead vocals: Tony Martin

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Star One – Discography:

Space Metal (2002)

Live On Earth (2003)

Victims Of The Modern Age (2010)

Revel in Time (2022)

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ARJEN ANTHONY LUCASSEN’S STAR ONE online:
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InsideOutMusic online:
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By Thomas

Musikalisch bin ich seit den 80er vor allem im melodischen Hard& Heavy-Dschungel unterwegs und immer auf der Suche nach neuen und alten Perlen. Meine absoluten Faves sind Queenaryche, Y&T, Die Toten Hosen... u.v.a.....inzwischen kann ich mich aber auch für Mittelalterrockband wie Feuerschwanz oder Saltataio Mortis absolut begeistern. Ab und an geht mein Blick aber auch mal über den Tellerrand in Richtung Speed/Trash/Death...solange Melodien erkennbar sind. Auch wenn ich schon zu der Ü50-Fraktion gehöre, findet man mich bei Konzerten und Festivals fast immer Front of Stage, denn Sitzplatz beim Rockkonzerten, das passt bei mir einfach nicht zusammen. Erst wenn es ohne Rollator mal nicht mehr gehen sollte, ist die Tribüne vielleicht ne Alternative.

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