Genre: Modern Metal/Industrial

Land: England

Die Metalcore-Vorreiter sind zurück! Wer erinnert sich nicht gerne an die Veröffentlichung von Mega-Hit Doomsday und wie danach jede Core-Band technische Riffs à la Architects in ihre Songs einbauten? Schon beim letzten Album der Briten verschwanden jene technischen Riffs, die Screams und archetypischen “Bleghs“ – kurz: der Metalcore – immer mehr aus den Tracks. Jetzt ist der Übergang in die neue Architects-Ära vollständig. “the classic symptoms of a broken spirit“ ist ein Day 1-Fan-Verscheucher, wie er im Buche steht. Die Singles when we were young, deep fake und tear gas lies die Fans bereits im Vorfeld wissen: Wir entwickeln uns in eine neue Richtung.

Technische Riffs und Doublebass wichen einem industriellen, riffig-stampfenden Sound. Minimalistisch gespielt und mit astronomischer Produktion stark aufgewertet, klingen die Songs alle recht simple, beinhalten aber weit mehr Tiefe als auf den ersten Blick erkennbar. Vergleichbar mit industriellen Größen wie Rammstein werden hier Layers an Synthesizern meisterhaft in das Gesamtbild integriert, simple Riffs und Drumming effektiv und kontrastierend zu ruhigeren Parts eingesetzt und die Refrains extragroß geschrieben. Industrieller Stadion Rock/Metal könnte eine akkurate Beschreibung der Hits sein, die die Briten auf “the classic symptoms of a broken spirit“ präsentieren.

Einer meiner klassischen Kritikpunkte an Alben mit solche einer Genrebeschreibung ist, dass die Songs oft zu gleich klingen und nach Schema F geschrieben werden. Das trifft auf die neue Architects-Platte aber nicht wirklich zu. Während gerade die drei oben erwähnten Singles doch einen ähnlichen Aufbau haben und alle dem neuen Architects-Sound mit stampfenden Riffs und eingängig gesungenen Refrains entsprechen, hat doch jeder der Tracks seine eigene Identität.

when we were young überzeugt durch die melodischeren Gitarren, die durch die Synthesizer perfekt unterstützt werden. Außerdem liebe ich den „Nicht-Breakdown“, der in den Song integriert ist. Dadurch werden die Erwartungen an den typischen Architects-Track erfrischend ignoriert.

deep fake wiederum ist einer der effektivsten Opener, die die Band je präsentiert hat. Mit meinem persönlichen Lieblingsrefrain des Albums, einer guten Mischung aus Screams und Gesang und einem Alarmsirenen-artigen Breakdown, schöpft er Potentiale aus alten und neuen Techniken der Band.

tear gas präsentiert den rammsteinigsten Riff bisher. Paranoid klingende Schlagzeugpassagen prägen die Strophen, während der Refrain dank der Chöre erhaben und für wie für ein Stadion-Publikum eigens angefertigt klingt. Auf diese Art und Weise könnte ich sicher bei jedem der elf Tracks immer kleine Variationsmerkmale beschreiben. Jeder Song auf diesem Album hat seine Daseinsberechtigung, was eine klare Verbesserung zur Vorgängerplatte darstellt, die mit ihren 15 Songs doch etwas zu überbordend wirkte.

Ein paar der neuen Lieder möchte ich aber doch noch ein bisschen mehr Spotlight schenken: burn down my house kommt als vierter Song überraschend balladesk daher, verliert aber nie den industriellen Sound der Platte. Glockenspiele, Bass und Drums übertönen hier ganz klar die Gitarren und es entsteht eine morbide und schleppend klingende Halbballade, die irgendwie Sinn macht. Trotz der Stadionwirksamkeit ist “the classic symptoms of a broken spirit“ kein Wohlfühl-Album, sondern ein Werk mit ernsten und traurigen Texten.

Das Endgespann a new moral low ground, all the love in the world und be very afraid sind wie eine Zusammenfassung von dem, was das Album leisten will: neuen Grund erforschen, aber die alten Wurzeln in diesen neuen Grund integrieren. a new moral low ground repräsentiert mit seinem Gitarrensolo und dem heftigen Synthesizer-Einsatz definitiv die Explorationsfreude der Band. Und trotzdem ist er ein Architects-Song durch und durch. all the love in the world kommt mir wie der Hochpunkt des industriellen Stadion-Sounds der Band vor. Der Refrain ist noch grander als die der neun vorangegangenen Tracks. Es wird ordentlich gestompt und auch die Synthwände dürfen nochmal glänzen. Das Finale be very afraid vereint nun schließlich das Alte und Neue in Harmonie: Screams, Drumming und Breakdowns werden hier ordentlich aufgedreht und mit einer gehörigen Portion Industrial Metal und catchy Chorus vermischt. Den härtesten Song der Platte hätte ich aber, meiner Meinung nach nie als “so hart“ empfunden, wenn die zehn Tracks davor nicht im neuen Architects-Stil gewesen wären. Der Kontrast zum Rest des Albums hilft dem Closer einen so starken Eindruck auf mich als Hörer zu hinterlassen und das zeugt von einem großartigen Sinn für eine gute Songreihenfolge. be very afraid hätte als Opener oder Mittelstück sicher nicht funktioniert. Ja, hätte be very afraid die Opener-Position gehabt, würde der Rest des Albums sicherlich von vielen als “nicht heavy genug“ angesehen.

Ist “the classic symptoms of a broken spirit“ nun das perfekte Album? Nein. Einige Songs klingen doch etwas gleich und es gibt wie immer auch Favoriten, die mir besser gefallen als andere Tracks. Aber im Endeffekt gibt es keinen schlechten Song.

Fazit: “the classic symptoms of a broken spirit“ ist genau das, was ich von einem Album will: Architects entfalten auf dieser Platte ihren neuen Industrial Stadion Metal-Sound, aber sind trotzdem noch die Band von den letzten Alben. Die Produktion ist massiv, die Songs mit ihren schwer verdaulichen Texten sind catchy und heavy und das Album an sich ist (auch wenn alle Signale darauf hindeuten) kein Playlist-Album*, sondern ein kohärentes Werk mit schlauem Song-Placement. So hören sich keine Sell-Outs an, die ihre erfolgreichsten Alben zum fünfzigsten Mal kopieren. Architects ziehen hier ihr Ding durch und sind kompromisslos kreativ – Applaus!

Dafür gibt es von mir 9 von 10 Bängs!

neun von zehn

“the classic symptoms of a broken spirit“ erscheint am 21. Oktober 2022 via Epitaph Records und ist als CDLP und digitaler Download erhältlich.

Die Band:

Sam Carter – lead vocals
Josh Middleton – lead guitar, backing vocals, production
Adam Christianson – rhythm guitar, backing vocals
Alex „Ali“ Dean – bass, keyboards, drum pad
Dan Searle – drums, percussion, programming, production

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*Playlist Album = Album, das so geschrieben wurde, dass man sich ein paar Songs in die Playlist packt. Meist nicht dazu da um als Album angehört zu werden. Quasi ein Pick-and-choose statt ein komplettes Werk.

By Elias

Schreiberling aus Leidenschaft, Metal-Enthusiast seit der Schulzeit. Verirrt sich gern in den Tiefen des Prog und bestaunt moderne Ansätze zu Rock und Metal.

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