Der zweite Festivaltag hatte Tribut bei mir gezollt. Nach der tollen Headlinershow von Eisbrecher war ich echt geschafft, weshalb ich mir den Auftritt von Live Tioz auf der Young Giro Stage verkniffen hatte. Zum Glück ist Karina da in die Bresche gesprungen und hat mit den Jungs eine Party gefeiert. Mich ereilte dieses Mal der Schlaf recht schnell in meinem Nachtquartier, dem Beifahrersitz meines Golfs…
Die Sonne brannte schon recht früh durch die Scheiben meines Gefährts, weswegen ich mich zeitig dran machte, Körperpflege aus dem Kofferraum meines Autos heraus zu betreiben. Immerhin war ich mit Wasserkanister, Zahnbürste, Waschutensilien soweit ganz gut ausgestattet. Die Versorgungsstation auf Campground 3 hatte ich am Freitag ja schon zu schätzen gewusst. Auch heute gönnte ich mir dort reichlich Kaffee und Rührei als Grundversorgung für den Vormittag.
Pünktlich um 12:00 Uhr stand ich somit fit am Bühnenrand der Hauptbühne, wo der dritte Festivaltag wieder von Torsten und Hermann mit einer kleinen Ansprache eröffnet wurde. Das Vergnügen, musikalisch in den letzten Tag zu starten, lag bei den Kielern Loudstark. Mit viel Power und Herzblut zockten die Jungs Songs wie „Schrei“, „Das Eine“ und „Zur Gleichen Zeit“. Nur bei „Begierde nach Macht“ wurde der Fuß vom Gaspedal genommen. Sänger Marc legte sich voll ins Zeug und animierte die Handvoll Leute vor der Bühne immer wieder zum Mitmachen, geriet, ob der großen Bühne, kurz außer Atem, was seiner starken Performance aber nicht schadete. Erstklassiger Auftritt des Kieler Fünfers. Den Namen Loudstark habe ich auf meinem Zettel notiert!
Danach wurde die Bühne wieder von internationalen Gästen übernommen. Arion waren aus Finnland angereist und lockten mit ihrem melodischen Power Metal ganz in der Tradition ihrer Landsmänner Stratovarius einige interessierte Leute mehr ins Infield. Bassist Gege Velinov und Iivo Kaipainen an der Gitarre ließen ebenfalls zu powervollen Melodic Perlen der Sorte„Seven“, Punish You“ oder „Unforgivable“ ihre Matten kreisen. Auch Sänger Lassi Vääränen konnte man bescheinigen, seinen Job gut gemacht zu haben.
Die Bühne blieb weiterhin fest in skandinavischer Hand. Auch die Schweden Dynazty haben sich melodischen Heavy Metal auf die wehenden Fahnen (oder Haare) geschrieben. „Firesign“ (Titeltrack des aktuellen Albums), „Raise your Hands“ oder „Titanic Mass“ verbreiteten jedenfalls eine Menge Spaß. Auch Nils Molin hatte das 1 x 1 eines guten Frontmanns drauf. In nordischen Gefilden scheint dafür ein gutes Klima zu herrschen.
Mit Null Positiv fand ein kompletter Austausch des Publikums vor der gut gefüllten Bühne statt. Die Brandenburger fuhren eine ganz große Show auf, bei der viel Haut von Sängerin Elli Berlin und ihren Tänzerinnen gezeigt wurde. Dem beeindruckten Publikum wurde der derbe Industrial Metal im Lack- und Lederoutfit mit harschen Growls und zuckersüßem Klargesang im Wechsel serviert. Songs wie „Koma“, „Schmerz“ und „Als ob wir Götter wären“ haben auch bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen.
Vor dem Auftritt der Berliner Straßenpunker Toxpack zog sich der Himmel wieder zu. Die angekündigte Gewitterfront zeigte erste Auswirkungen mit vereinzelten Schauern. Vollgasnummern wie „Bastarde von morgen“, „Arschloch“ oder „Aggressive Kunst“ passten aber prima zum Wetter – frei nach dem Motto: Hier kommt kein Hammer, hier fliegt der Amboss! „Jeder Kann König sein“ beschloss den kurzweiligen Set, bevor sich der Regen endgültig auf das Gelände ergoß.
Auch der Name Caliban war mir in der Vergangenheit in den einschlägigen Magazinen immer wieder begegnet. Trotzdem traf mich der völlig durchgeknallte Metalcore der Essener etwas unvorbereitet. Die Hütte war aber brechend voll. Die Menge ließ sich von Sänger Marc Görtz schnell auf Temperatur bringen und zu einem beachtlichen Circle Pit animieren. Auch für eine amtliche Wall of Death war die aufgepeitschte Menge schnell zu begeistern! Marc stürzte sich danach selbst zum Crowdsurfen in die Menge und konnte dabei sogar noch weitersingen. Auch der Regen hielt niemanden in der Crowd auf, Abrissbirnen vom Schlag „Song About Killing“, „Ich Blute Für Dich“ oder „Later Becomes Never“ abzufeiern.
Mit Hämatom wurde es Zeit für „Neue Hymnen“ und Frontmann Nord startete die Bühnenshow in einem Käfig sitzend. Hämatom schöpften das volle Songrepertoire ihrer beeindruckenden Bandgeschichte aus und präsentierten dem begeisterten Publikum u.a. „Eva“, die starke Marteria Covernummer „Kids – 2 Finger an den Kopf“ und dem Klassiker „Leck Mich!“. Nord nimmt ein Bad in der Menge und Süd nimmt dabei gleich sein ganzen Schlagzeug mit. Eine gewohnt grandiose Show – großes Kino!!
Damit näherten wir uns der Zielgeraden des dreitägigen Spektakels hier in Fritzlar. Es sah so aus, als hätte wirklich jeder der Anwesenden auf die australischen Abräumer Airbourne gewartet. Die auf der Bühne aufgebaute Lautsprecherwand war jedenfalls beeindruckend und versprach eine amtliche Beschallung. Vom ersten Ton an war Sänger und Gitarrist Joel O’Keeffe on fire. Er stand kaum eine Sekunde still und war für die Fotografen eine echte Herausforderung. Klar ist die Show (Ritt durch das Publikum) und der Sound sehr an ihre Landsmänner AC/DC angelegt, aber Powerpakete wie „Too Much, Too Young“, „Bottom Of The Well“, „Heartbreaker“, „Raise Your Flag“ oder „Live It Up“ versprühen einfach rohen, wilden Rock ’n‘ Roll und machen unglaublich viel Spaß, wenn Joel den wilden Maniac gibt und Bierdosen mit dem Schädel zertrümmert, oder versuchte, das Publikum aus zehn Metern Entfernung mit gefüllten Bierbechern zu versorgen. Dabei hilt ihn der immer noch anhaltende Regen nicht ab, samt Mikro und Gitarre bis zum Rand der Rampe zu laufen. Eine absolut würdige Headlinershow beschließt die elfte Ausgabe von RaS 2019. Airbourne haben das Zepter von AC/DC übernommen, die nun beruhigt in Rente gehen können…
Young Giro Stage
Auf der kleinen Bühne eröffnet Nils den letzten Festivaltag von Rock am Stück 2019. Nur mit einer Gitarre bewaffnet feuert der 12jährige diverse Coverversionen u.a. von RatM „Killing in the name“, Ram Jam „Black Betty“, AC/DC „T.N.T.“, „Back in black“und Metallica „Seek and destroy“, „Nothing else matters“ in instumentaler Version ab.
Tonloch waren mit diversen Coverversionen am Start. Mit Songs von den Onkelz „Hier sind die Onkelz/Tonloch“, Black Sabbath „War Pigs“,Metallica „For Whom The Bell Tolls“ und RatM „Killing in the Name“ kann man nicht viel falsch machen und so hatten sich etliche Leute vor der Bühne versammelt.
Wagnis hatten mich zunächst irritiert. In Erwartung einer weitern Deutschrock Band überraschte mich der straighte Metal der Kasseler angenehm. Geradlinig und schnörkellos gefielen mir Songs wie „Revolution Of Dignity“ oder „Pay The Price“ richtig gut. Die Band sollte man im Auge behalten.
Und auch der Band hat es bei RaS richtig gut gefallen. Anderson schrieb mir:
„RaS war einfach genial. Die Crew war absolut Spitze, fetter Sound, sehr gute Bands aus der Region wie Reaper und Burden of Grief, aber auch Helden wie Rose Tattoo, Amorphis und Airbourne. Man hatte das Gefühl, unter Freunden zu sein. Hoffentlich sind wir irgendwann wieder dabei, vielleicht auf der Hauptbühne? RaS ist kein Festival, sondern ein Erlebnis!“
Die Hamburger Formation Godsnake konnte da sogar noch ein, zwei Schippen an Power drauflegen und ist mein absoluter Sieger der kleinen Bühne geworden. Was für ein fettes Metal Brett – dicke Hose Songs mit Groove und Riffs, Riffs und nochmal Riffs. Dazu mit Sänger Torger ein Frontmann, der über eine richtig gute und variable Röhre verfügt und Nummern wie „Hellbound Ride“, „Stone The Crow“ und „This Is The End“ von der Debüt EP ins begeisterte Publikum feuerte. Und Charisma hat der waschechte Hamburger Jung‘ auch. Außerdem wurden in dem halbstündigen Set noch der ein und andere bisher unveröffentlichte Track vorgestellt – u.a. „You Gotta Pay“ und „Sound Of The Broken“, um nur zwei zu nennen. Die EP der Jungs habe ich mir direkt nach dem Gig besorgt und signieren lassen…ich bin sehr gespannt auf das folgende Album – Rockmagazine.net wird es euch auf jeden Fall vorstellen, wenn es soweit ist.
Odium habe ich leider verpasst, da es inzwischen nach dem Auftritt von Toxpack doch ordentlich angefangen hatte zu regnen…sorry for that.
Burden Of Grief aus Kassel kann man schon als Szeneveteranen bezeichnen. Seit 1994 sind die Thrasher am Start und haben einige Alben in Umlauf gebracht. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich der Platz vor der kleinen Bühne ordentlich gefüllt hatte, um den Thrash Metal mit ordentlicher Death Metal Schlagseite bei Songs wie „Broken“, „Unchained“und „Rise like a Phoenix“ zu feiern.
Mit Drunken Swallows aus Oldenburg stand als nächstes wieder deutschsprachiger Punkrock auf dem Programm. Songs wie „Ich lass mich fallen“ oder „Jetzt und hier“ gingen gut ins Ohr, waren mir aber auch ein wenig zu zahm. Den zahlreichen Leuten vor der Bühne hat es aber definitiv gefallen, es wurde getanzt und gepogt, was das Zeug hielt.
Um 18.00 Uhr wurde Wacken-Opa Günter bei strömendem Regen auf der großen Bühne zu seiner Spenden-Sammelreise nach Wacken verabschiedet. In 10 Tagen wird er die knapp 480 km von Fritzlar nach Wacken mit seinem Rollstuhl mit e-fix-Antrieb (max. 6 km/h) zurücklegen. Der 71jährige wird dabei von seinem Freund und Rettungsassistent Ralf Deuter auf dem Fahrrad begleitet. Mit von der Partie ist Michael Schewe, der das Fluchtfahrzeug – äh, ich meine natürlich Begleitfahrzeug – steuert, für das leibliche Wohl der beiden sorgt und die Infostände an den 25 Standorten auf der Strecke auf- und wieder abbaut. Zur Verabschiedung kamen die Veranstalter Hermann und Torsten, der Sponsor vom RaS, Herr Range vom Autohaus Range, sowie der Bürgermeister der Stadt Fritzlar, Herr Hartmut Spogat. Dieser würdigte das große Engagement des Lautstark gegen Krebs Teams, aber auch das der Festivalorganisatoren von RaS. Wacken-Opa Günni konnte noch gerührt vermelden, dass beim RaS über 5.000 € an Spenden gesammelt werden konnten. Der Betrag kam unter anderem durch die Versteigerung der von der Band Knorkator signierten Gitarre am Freitag zusammen, die für 600 € unter den Hammer kam. Frontmann Alex von der Onkelz Tribute Band Los Tios ließ sich den persönlichen Abschied ebenfalls nicht nehmen und überreichte Ralf und Günter jeweils eine Tasche mit T-Shirt und Regenjacke, die die beiden hoffentlich nicht zu oft auf ihrer Reise werden tragen müssen. Rockmagazine.net wünscht dem Trio eine gute Reise und viele Spenden!!
Drei spannende Festivaltage sind vorbei, Zeit, ein Fazit zum RaS 2019 zu ziehen.
Als positiv würde ich vor allem die Organisation herausheben. Es gab keine nennenswerten Verzögerungen auf beiden Bühnen, die Security war immer freundlich und hilfsbereit, die Preise und das Angebot von Getränken, Essen und Merchandise waren wirklich gut. Die kurzen Wege auf dem Gelände waren ebenfalls sehr hilfreich. Die vielseitige Ausrichtung der gebuchten Bands fand ich sehr gelungen, so habe ich doch einige neue Bands kennengelernt, die ich bisher noch nicht auf dem Radar hatte. Auch die Menge und den Zustand der Sanitär Anlagen möchte ich positiv bewerten. RaS ist ein familienfreundliches Festival, bei dem der Alterschdurchschnitt zwischen acht und achtzig Jahren liegen dürfte. Das zeigte auch das große Interesse von Menschen mit Handicap an RaS, die gerne nach Fritlar gekommen sind. Abzüge gibt es für mich nur bei der Verwendung von Einwegbechern und das Fehlen von Duschmöglichkeiten auf den Campgrounds – was wahrscheinlich einfach sehr schwer zu realisieren gewesen sein dürfte. Das nächste Mal werde ich aber definitiv besser vorbereitet sein und zumindest ein Zelt im Gepäck haben!
Meine Gewinner von RaS 2019 sind auf jeden Fall Godsnake aus Hamburg. Was hat mir der Auftritt auf der GY Stage Spaß gemacht!!! Bitte unbedingt mehr davon. Auch Rose Tattoo haben mich auf der Bühne nicht enttäuscht, Hit auf Hit mit Herzblut gespielt. Leider war Mr. Anderson nach dem Auftritt weniger fanfreundlich, ein kurzes Hallo und ein Foto waren nicht möglich. Auch Airbourne haben bewiesen, dass die Lücke, die AC/DC hinterlassen werden, von ihnen gefüllt werden kann. Desweiteren haben Bands wie Wagnis, Loudstark, Leidbild und Null Positiv erstklassige Auftritte abgeliefert und mich als Fan gewonnen. Das macht von mir unterm Strich 8/10 Bängs für RaS 2019.
Dem vorstehenden Fazit von Michael kann ich mich anschließen. Meine musikalischen Highlights waren neben den bekannten Headlinern Brothers of Metal und unbedingt Los Tioz! Darüberhinaus möchte ich die Crew, Security und Besucher hervorheben! Selten so viele nette, sympatische und gut gelaunte Menschen auf einem Haufen angetroffen. Danke für die vielen neuen Bekanntschaften, guten Gespräche und schönen Begegnungen während des gesamten Festivals. Von mir gibt es 9/10 Bängs für RaS 2019. Abziehen möchte ich nur ein Pünktchen für fehlende Duschgelegenheiten und den eingeschränkten Internetempfang – aber es geht gut auch mal ohne. Bis zum RaS 2020! Der Vorverkauf startet am 01.08.2019.