Am vergangenen Samstag fand nach mehrmaliger Tour-Verschiebung endlich das langersehnte Konzert der Ex-Nightwish-Frontfrau Tarja Turunen im Rahmen ihrer “The Raw-Tour 2023“ in Mannheim statt. Der Gig fand im MS Connexion Compley statt, der an diesem Abend mit ca. 1000 Zuschauern sehr gut besucht war.

Als Opener des Abends hatte die britische Band Serpentyne bei Ihrem ca. 20 minütigen Auftritt die Chance, sich den deutschen Fans zu präsentieren. Obwohl auch bei Serpentyne mit Maggiebeth Sand eine Frau am Micro stand, konnten die Briten mit ihren vier dargebotenen Songs das Publikum nicht richtig aus der Reserve locken. Auch wenn Meggiebeth versucht, wie Ihre Kollegin und wohl großes Vorbild Tarja Turunnen in den höchsten Tönen zu brillieren, blieb doch alles weitgehend bei einem Versuch. Hier wurde schnell klar, dass Welten zwischen ihrem Fähigkeiten und dem der Hauptprotagonistin des Abends lagen. Maggiebeth versuchte krampfhaft, die Töne zu treffen, was ihr aber leider nur zu selten gelang. Schon beim Vorabcheck auf den Gig konnten die Songs mich nicht vom Hocker reißen und so war der hohe Gesang, der teils ohne Songzusammenhang in die Höhe schnellte, live schon fast nervend. Melodien, die hängen bleiben waren leider nur sehr wenige zu verzeichnen. So konnten mich die Songs von Serpentyne absolut nicht begeistern. Keine Alleinstellungsmerkmal, keine eigene Identität und auch musikalisch nichts, was in Erinnerung bleibt. So war der Auftritt leider enttäuschend, um es vornehm auszudrücken. Auch die Mehrheit des Publikums dürfte wohl froh gewesen sein, dass der Auftritt nach nur 20 Minuten sein Ende fand, der Applaus viel sehr bescheiden aus – Schade, aber das war nix.

Serpentyne

Nach kurzer Pause durften dann die Italiener von Temperance ran, die sofort für merklich bessere Stimmung in der Kolbenhalle sorgten. Man merkte gleich, dass hier ein anderes Kaliber am Start ist. Mit dem Opener „Pure Life Unfolds“ vom aktuellen Album „Diamanti“ ist das Eis schnell gebrochen und sorgt für gute Stimmung im Publikum. Mit Frontmann Michele Guaitoli, der u.a. auch bei Vision of Atlantis am Micro steht, sowie der neuen, aus New York stammenden Sängerin Kristin Starkey, die mit Ihren italienischen Wurzeln wunderbar in die Band passte, hat die Band nicht nur optisch eine ganz andere Ausstrahlung. Auch wenn Kristin das ein oder andere Mal etwas zu kräftig die Stimme spielen lässt, harmoniert sie wunderbar mit Michele, die Beidenliefern sich wie zwei frisch verliebte Vocalisten das ein oder andere emotionsgeladene Gesangsduett.

Kristin Strkey
Michele Guaitoli
Alfonso Mocerino

Die Songs aus dem aktuellen Album „Diamanti“ stehen dabei im Mittelpunkt und neben dem Titeltrack zündet besonders „Breaking The Rules Of Heavy Metal“. Schön melodisch mit der nötigen Power, einer der Höhepunkt des Auftritts, der entsprechend begeistert abgefeiert wird. Auch die anderen Musiker können absolut überzeugen, besonders Marco Pastorino überzeugt mit seinem Gitarrenspiel. Immer virtuos und auch am Micro kann er überzeugen, was er beim Titeltrack beweist, als er gekonnt die dritte Stimme übernimmt. Doch nicht nur auf der Bühne ist er der Chef der Band, hat er am späten Abend auch das Steuer des Wohnmobils der Band fest im Griff, als man sich nach einer ausgiebigen Fotosession mit den Fans in der Nacht auf den Weg zum nächsten Auftrittsort macht.

Marco Pastorino

Ein würdiger Support mit einer guten Show, der zu überzeugen wusste und mit dem die Band im Gegensatz zu Serpentyne sicherlich zahlreiche neue Fans gewinnen konnte. Leider war nach 30 Minuten schon alles vorbei. Hier hätten sich die begeisterten Fans sicherlich noch den ein oder anderen Song mehr gewünscht.

Gegen 21:10 startete dann die Hauptperson des Abends ihren fulminaten Auftritt. Bereits nach dem Intro gingen die Fans beim Auftritt von Tarja richtig ab. Gut gelaunt, immer mit einem Lächeln auf den Lippen startet eine der besten Metal-Sängerinnen der Szene ihren knapp 90 minütigen Auftritt. Den Anfang macht im Gegensatz zum `Raw`-Album der dortige Schlusstrack `Serene`. Die Setlist dominieren die Songs des letzten Studioalbums, wobei besonders `Diva` mit langem Solopart zwischen Gitarrist Alex Scholpp und dem Bassisten Doug Wimbish heraussticht, bei dem Dough ein kleines Schnapsfläschchen verwendet, um damit auch ein kleines Bass-Solo zu spielen – coole Nummer. Auch wenn seine recht emotionslose Mimik nicht jedermanns Sache ist, konnte er spielerisch absolut überzeugen und sorgte für den nötigen Groove in den Songs. Gegen Ende des Gigs war dann sogar ein kleines Lächeln in seinem Gesicht zu erhaschen.

Dough Wimbish
Aley Scholpp

Während der Soloeinlage nutzt Tarja die Zeit hinter der Bühne zu einem Outfitwechsel und erscheint pünktlich wieder im schwarzem Lack-Dress gekleidet auf der Bühne.

Tarja hat das Publikum fest im Griff und die Fans kleben Ihr förmlich an den Stimmbändern, ímmer wieder geflasht von den Tönen, die die Finnin von sich gibt. Gekonnt zeigt Tarja einen Querschnitt durch Ihre Solokariere, angefangen vom `I Walk Alone´ vom Solodebut, `Victim Of Rituals` von `Colours of the Dark` (mein persönlicher Album-Favorit), von dem leider nur der Titeltrack gespielt wurde. Doch natürlich durfte auch die Nightwish-Ära nicht übergangen werden und so gab es natürlich ihren größten Erfolg mit ihrer alten Band in Form des Alltime-Klassiker `Nemo`, der lautstark von den Fans mitgesungen wurde.



Mit ihrer akustischen, nur von Keyboard begleiteten Ballade `The Golden Chamber (Loputon Yö) / You and I` sorgt Tarja am Keyboard für Gänsehaut. Mit `Undertaker` folgt für mich einer der Highlights des Abends, denn hier vereint sich die Genialität von Tarjas klassischer Stimme und der Mischung aus Symphonic-Bombast und Metal besonders gut, und lädt Tarja zu diversen Tanzeinlagen ein. Bei `Tears in Rain` wird anschließend sogar ein kurzes Speed Metal Riff ausgepackt, der wohl härteste Track des Abends.

Neben der herausragenden Sopranstimme von Tarja, die geradezu spielerisch in allerhöchsten Lagen singt, kann natürlich auch die Begleitband absolut überzeugen. Ihr langjähriger Gitarrist Alex sorgt immer für die nötige Power und übernimmt ganz nebenbei auch mal den Vocalpart.

Eher im Hintergrund agierend überzeugt der 2m Hüne Max Lilja an seinem weißen Karbon-Cello und sorgt für die klassischen Töne, während der Mann an den Keys, Christian Kretschmar, für den entsprechenden symphonischen Gesamtklang verantwortlich zeichnet. Drummer Alex Holzwarth sorgt wie immer für den nötigen Doppelwums, ohne im Gesamtsound zu dominat zu wirken.

Max Lilja

Nach einer kurzen Pause und erneutem Outfitwechsel startet mit `Innocence` der Zugabenteil, bevor mit `I Walk alone`, ´Dead Promises` (als weiteres Highlight) und dem würdiger Abschluss und sozusagen letzter Hauch „Until My Last Breath“ den fulminanten Abend beendet. Wer auf Female Fronted Metal steht, kommt an Tarja eigentlich nicht vorbei, auch wenn die hohen Töne sicherlich nicht jedermanns Sache sind. Doch schafft es Tarja wie keine andere, ihre klassisch ausgebildete Stimme mit dem Metal in ein einzigartiges Gesamtwerk zu verflechten, und dass nicht nur im Studio sondern auch livehaftig auf der Bühne.

Während der Zugaben bedankt sich Tarja dann auch bei ihren Fans für die große Unterstützung während der inzwischen auch schon 16 Jahre dauernden Solokarriere seit ihrem Debutalbum im Jahr 2007.

Mit nicht enden wollenden tosendem Applaus endet dann gegen kurz vor 23 Uhr der Abend und sowohl Tarja und ihre Band dürften genauso wie die Fans den Abend genossen haben. Zumindest Tarja scheint sichtlich gerührt von den lautstarken Liebesbekundungen der Fans zu sein, denn sie verneigt sich mehrfach mit glänzenden Augen vor dem begeisterten Publikum.

Ein wahrhaft meisterliche Leistung von Tarja, der Mitbegründerin des Genres und der wohl neben Floor Jansen (Nightwish) und Sharon del Adel (Within Temptation) besten Sängerin im Bereich des Symphonic Metals.


Setlist Temperance:

  1. Pure Life Unfolds
  2. Breaking the Rules of Heavy Metal
  3. Start Another Round
  4. The Last Hope in a World of Hopes
  5. Diamanti
  6. Of Jupiter and Moons
  7. Catch the Dream

Temperance

Lineup:

Alessia Scolletti – Vocals

Michele Guaitoli –  Vocals & Piano  

Marco Pastorino- Gitarre

Luca Negro – Bass

Alfonso Mocerino – Drums 

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Setlist Tarja:

  1. Serene
  2. Demons in You
  3. My Little Phoenix
  4. Anteroom of Death
  5. Diva
  6. Goodbye Stranger
  7. Silent Masquerade
  8. Nemo (Nightwish cover)
  9. The Golden Chamber (Loputon Yö) / You and I
  10. Undertaker
  11. Tears in Rain
  12. Victim of Ritual

Encore:

  1. Innocence
  2. I Walk Alone
  3. Dead Promises
  4. Until My Last Breath

Lineup 2023:

Tarja Turunnen – Vocals                                                                                                                                     Doug Wimbish – bass
Max Lilja – cello
Christian Kretschmar – keyboards
Alex Scholpp – guitar
Alex Holzwarth – drums


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By Thomas

Musikalisch bin ich seit den 80er vor allem im melodischen Hard& Heavy-Dschungel unterwegs und immer auf der Suche nach neuen und alten Perlen. Meine absoluten Faves sind Queenaryche, Y&T, Die Toten Hosen... u.v.a.....inzwischen kann ich mich aber auch für Mittelalterrockband wie Feuerschwanz oder Saltataio Mortis absolut begeistern. Ab und an geht mein Blick aber auch mal über den Tellerrand in Richtung Speed/Trash/Death...solange Melodien erkennbar sind. Auch wenn ich schon zu der Ü50-Fraktion gehöre, findet man mich bei Konzerten und Festivals fast immer Front of Stage, denn Sitzplatz beim Rockkonzerten, das passt bei mir einfach nicht zusammen. Erst wenn es ohne Rollator mal nicht mehr gehen sollte, ist die Tribüne vielleicht ne Alternative.

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