Genre: Progressive Metal
Land: USA
Mit The Reticent tritt eine Band bei mir in Erscheinung, die ich bisher gar nicht kannte. Bekannt für ihre Konzeptalben ist auch „the oubliette“ wieder eines dieser. Wir begleiten Henry, einen Mann der an Demenz erkrankt ist und einen Kampf gegen die Krankheit führt. Hier wird nichts beschönigt, sondern mit schonungsloser Ehrlichkeit in ein kleines Meisterwerk gepackt.
Musikalisch kann man es wohl am ehesten mit The Contortionist vergleichen. Progressive Metal mit gefühlt drei Millionen Nuancen und Kniffen aus anderen Richtungen und damit meine ich nicht nur ausschließlich aus Rock und Metal.
Die Geschichte erstreckt sich über sieben Songs und erzählt Henrys Geschichte detailliert und mit viel Gänsehaut. Ein wichtiges Element sind die Spoken Word Passagen, die die Handlung abseits des komplexen Aufbaus schnell nach vorne bringen und einen Grundriss des jeweiligen Handlungsrahmens geben. Sinnbildlich für die schwere Zeit nach der Diagnose und dem akzeptieren der Erkrankung stellt Stage 1: His Name Is Henry einen sehr vertrackten und doch äußerst atmosphärischen Start dar. Die Verzweiflung ist förmlich zu greifen. Stilistisch wird schon vieles in den Topf geworfen, ohne bereits am Anfang zu viel der Fähigkeiten von The Reticent zu zeigen.
Die Überleitungen zwischen den einzelnen Nummer sind absolut stimmig und kaum wahrzunehmen. Alles greift wirklich wunderbar ineinander, was die Atmosphäre noch einmal intensiviert. Stage 2: The Captive zeigt dann auch bereits wieder ein paar andere Facetten, so haben wir nach dem Spoken Word Intro afrikanische Trommelgeräusche und anschließend wird eine Riffwand erbaut die düster und beklemmend auf den Zuhörer hereinbricht. Neben den wunderbaren Cleanvocals werden hier auch vermehrt Screams genutzt, was die düstere Atmosphäre noch bekräftigt. Doch auch ein Lichtblick findet sich immer wieder, dieser wird als Saxophon Part aufgebaut.
Als Ballade aufgezogen kommt Stage 3: The Palliative Breath daher. Getragen von einer progressiven akustischen Klangwand, die aber immer wieder leicht bricht und wieder mehr Power rausdringen lässt, bevor die Ruhe wieder den Ton übernimmt.
Stage 4: The Dream zeichnet sich durch einen sehr psychedelischen Sound aus und erzeugt so auch wirklich das Gefühl, in einem wunderbaren Traum zu stecken. Als Gegenstück dazu folgt Stage 5: The Nightmare, das auch einfach ein Alptraum ist. Die Hoffnungslosigkeit holt Henry wieder ein und wir haben es mit einem tonnenschweren Klangteppich zu tun, der dem Licht keine Chance zum Durchdringen lässt. Ausweglos und disharmonisch.
Wir stehen kurz vor dem Ende von Henrys Odyssee und erreichen mit Stage 6: The Oubliette den emotionalen Höhepunkt. Neben den bereits bekannten Trademarks der Band wird auch sehr viel mit Hall gearbeitet was der Verlorenheit noch mehr Substanz gibt, dazu die schluchzenden fast weinenden Vocals. Ein großer Gänsehautmoment.
Das abschließende Stage 7: _____ ist dann nicht nur das Ende des Album, sondern auch das endgültige Ende von Henrys Leben. Ausufernde Instrumental Parts, die sich die Herr der Ringe Reihe gewünscht hätte begleitet von wunderschönen Frauengesang. Die Herztöne fallen ab und es ist vorbei.
Fazit:
The Reticent haben ein erzählerisches Meisterwerk geliefert und das zu einem Thema das gefühlt nie Erwähnung findet. Die Songs funktionieren gemeinsam natürlich am besten.
„the oubliette“ ist ein Meisterwerk. Punkt. Ich vergebe 10 von 10 Bängs und empfehle es ganz klar allen die mit komplexer Mucke was anfangen können.
„the oubliette“ erscheint am 25. September via Heaven & Hell Records und wird als CD, Digitales Album und Stream erhältlich sein.
Line-Up Studio:
Chris Hathcock – Guitar/Bass/Keyboard/Drums/Vocals/Additional Percussion
James Nelson – Lead Guitar
Line-Up Live:
Chris Hathcock – Vocals/Guitar
James Nelson – Lead Guitar/Backing Vocals
Cliff Stankiewicz – Bass
Mitch Moore – Drums
Tracklist:
Stage 1: His Name Is Henry
Stage 2: The Captive
Stage 3: The Palliative Breath
Stage 4: The Dream
Stage 5: The Nightmare
Stage 6: The Oubliette
Stage 7: _____