Genre: Progressive Rock/Metal
Land: Schweden
Kennt ihr das auch? Ihr seid Fan einer Band und bekommt endlich das neueste Album in eure Hände? Die im Vorfeld veröffentlichten Singles waren vielversprechend und haben eure Vorfreude nur noch erhöht? Jetzt könnt ihr endlich die neue Platte genießen! Und dann, zwei bis drei Rotationen im CD-Spieler später, stellt ihr fest: das Album ist irgendwie enttäuschend.
Genau das ist mir beim 2019er Release „Lotus“ von Soen passiert. Bis auf den Titelsong und vielleicht einem weiteren Track versuchte ich vergeblich, das Album zu genießen. Jetzt sind die schwedischen Prog Metaller zurück mit einer brandneuen Scheibe, betitelt „Imperial“, und ich habe glücklicherweise einen Promo Link in die Mailbox bekommen. Die beiden Singles gefielen mir im Vorfeld mehr (Monarch) oder weniger (Antagonist), aber ich fasste mir ein Herz und startete den Stream. Einerseits aufgeregt und andererseits verängstigt, die Erfahrungen von „Lotus“ würden sich wiederholen ….
Lumerian wird mit einem unerwartet harten Riffgewitter eröffnet, das in den Strophen nachlässt und dem soen’schen Prog Rock Raum gibt.
Gleich zu Anfang ist zu bemerken, wie viel Biss dieses Album hat und welche Aggression vielen Songs innewohnt. Die spezielle Abmischung (vor allem die der Drums) schreckte mich anfangs etwas ab und war auch ein Grund für mich, das Album abzuschreiben. Doch mittlerweile liebe ich, was die Band hier vollbracht hat. Die Produktion ist es, die dem Album seine Härte verpasst. Und dafür steht Soen.
Der Opener überzeugt mich mit seinem starken Refrain und dem ständigen Wechsel von ruhigen und actionreichen Momenten. Der Mittelteil beinhaltet eine der härtesten Passagen des Albums und das Western-Style Gitarrensolo im Anschluss passt wie die Faust aufs Auge.
Mit Deceiver geht geht es heavy weiter. Ein kurzes Intro, bevor Sänger Joel Ekelöf die gesanglich sehr punktierte Strophe beginnt. Der Refrain hat ein gewisses Eurovision-Feeling und ist leicht zu merken. Am Ende kommen sogar noch ein paar Zweitstimmen dazu, die im „Freestyle“ gesungen sind. Die Songmitte beinhaltet wieder einen komplett ruhigen Part, fokussiert auf Gesang und das Gitarrensolo. Bestimmt ein toller Live-Track!
Mit Sirenenalarm und dem unbestritten besten Riff des Albums startet Monarch. Diesmal sind es die Strophen, die von vollwertigen Metalgitarren begleitet werden und der Pre- und Chorus sind etwas zurückgenommener. Das Finale bringt nochmal einen neuen Gesangspart ein, der etwas melancholisch angehauchte Hoffnung in dem doch sehr düsteren Lied versprüht. Noch ein paar Streicher on Top und das Ende ist perfekt. Wirklich ein toller Song, der dem Hörer auch als Single einen guten Ausblick auf den Rest des Albums verschafft.
Wie ich anfangs schon erwähnt habe, war der Titelsong von „Lotus“ mein Favorit auf dem Vorgängeralbum und vielleicht auch mein Lieblingssong der Band. Illusion klingt wie eine Fortsetzung von genau diesem Track. Keyboard und Gesang leiten die Ballade ein, die schnell in ein gefühlvolles Gitarrensolo umschweift. Die entspannende Stimmung in Verbindung mit dem wirklich genialen Gitarrenspiel von Lars Enok Åhlund und Cody Ford haben schon Lotus zu einem Überflieger-Track gemacht und genau diese Magie fängt Illusion erneut ein. Mitsingen sollte auch spätestens nach dem zweiten Durchgang möglich sein.
Weiter geht es mit Antagonist. Die erste Singleauskopplung, die durch ein medienkritisches Video gekrönt wurde, hat mich schon beim Release nicht wirklich abgeholt. Doch nach einigen Durchläufen im Kontext des Albums muss ich sagen, dass der Song doch recht gut funktioniert. Der leicht merkbare Refrain gibt hier Pluspunkte sowie auch das gute Riffing. Trotzdem ist mir der Track etwas zu lang und verliert im ruhigeren Mittelteil zu viel von seinem anfänglichen Punch.
Zu Modesty könnte ich eigentlich mit „dieses Intro“ alles gesagt haben. Doch um euch als Leser nicht im Dunkeln zu lassen, werde ich das Ganze etwas ausweiten. Die Streicher klingen so herzzerreißend und haben etwas von alten Liebesfilm-Soundtracks in ihrem Klang. Drummer Martin Lopez zeigt in diesem Song, was er drauf hat und auch die Arbeit von Oleksii “Zlatoyar” Kobel am Bass strahlt in den ruhigen Strophen. Der Chorus ist am Besten mit „ein Schreien nach Hilfe“ zu beschreiben und führt wunderschön wieder in das Streichermotiv vom Anfang zurück. Das für Soen charakteristische Gitarrensolo klingt diesmal sehr dreckig und kontrastiert gut mit dem Rest des langsamen Brechers. Modesty ist wirklich unglaublich!
Bei Dissident wird dann wieder auf den Putz gehauen. Der Track ist in der ersten Hälfte ungewohnt heavy und das durchgängig. Erst in der Mitte des Songs wird plötzlich alles zurückgefahren. Daraus wächst ein jazziger Mittelteil, der sehr ruhig und fast schon balladesk daherkommt. Langsam aber sicher baut sich dann alles wieder auf und endet in einem fulminanten Finale.
Jetzt wird es schwer. Der letzte Song vom „Imperial“ setzt ein. Eine doomige Atmosphäre lässt die epische Ballade Fortune heranwachsen. Der Text dieses Stücks ist vielleicht das Wunderbarste des gesamten Albums.
„And one day I’ll know you’ll understand, that your happiness depends on you“
Das ist der Satz, der den Pre-Chorus einleitet. In Fortune steckt so viel Hoffnung, wie ich sie in noch keinem anderen Musikstück der Corona-Pandemie gehört habe. Kämpfen, für sich und andere einstehen und wieder glücklich werden. Das ist es, was jetzt zählt und Soen wissen es! Eine Rückkehr der Streicher aus Modesty und Monarch geben der Musik einen zusätzlichen emotionalen Push, genau wie auch die traumhafte Performance von Sänger Joel Ekelöf. Im Mittelteil hört man sogar die eher für Leprous typischen Ohhhs und Ahhhs, die auch im großen Finale eingesetzt werden. Fortune ist ein Traum von einem Song mit starken Lyrics und göttlicher Instrumentierung. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass mir sogar etwas Wasser in die Augen kam, als ich realisierte, wie gut in diesem Lied alles zusammenpasst.
Mein einziges Problem mit „Imperial“ ist sein Releasedatum. 29. Januar?! Wie soll ich solange warten, bis ich das Album wieder hören kann? Dazu sei gesagt, dass sich meine Promo nur zehn Mal anhören lässt und ich das innerhalb von zwei Tagen geschafft hatte. Aber wer kann sich bei diesem Meisterwerk schon zurückhalten?
Fazit: Soen liefern mit „Imperial“ das emotionalste, härteste und wichtigste Album ihre Karriere. Es ist gespickt mit Botschaften von Hoffnung, die die Menschheit gerade mehr als gut gebrachen kann. Wir haben jetzt Januar und ich weiß nicht, wer diese Platte dieses Jahr noch schlagen soll!
Von mir bekommen Soen für diese Leistung 9,5 von 10 Bängs!
„Imperial“ erscheint am 29. Januar 2021 via Silver Living Music und ist als LP, CD und digitaler Download erhältlich.
Die Band:
Joel Ekelöf – Vocals
Martin Lopez – Drums
Lars Enok Åhlund – Keyboards and Guitar
Oleksii “Zlatoyar” Kobel – Bass
Cody Ford – Lead Guitar
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