„Rock im Garten“ – Metallisches Gartenfestival bei ZDF – Berichterstattung und Anregungen

Fast 39 Jahre ist es inzwischen her, dass in der Dortmunder Westfalenhalle 1983 das legendäre „Rockpop in Concert“ vom ZDF veranstaltet wurde. Am 17. Und 18. Dezember traten damals die heutigen Megastars Iron Maiden, Judas Priest, Ozzy Osbourne, Scorpions, Def Leppard, Michael Schenker, Quiet Riot und Krokus gemeinsaman zwei Tagen in ausverkaufter Halle auf. Der Gig wurde damals in einer Zusammenfassung am 04.02.1984 im Fernsehen als Aufzeichnung ausgestrahlt und war eines der Schlüsselerlebnisse für mich als damals 14-jähriger blutjunger Metalfan.

Seither herrschte jedoch weitgehend Funkstille, was TV-Produktionen für uns Metalfans im öffentlich rechtlichen TV angeht. Doch am vergangen Sonntag dann das lang ersehnt Ende einer langen Wartezeit, denn am Sonntag spielte sich im riesigen Mainzer ZDF-Hauptquartier Außergewöhnliches ab.

Wo sich im Sommer normalerweise allsonntäglich Scharen von Schlager- und Volksmusikfans auf den Weg zum ZDF Fernsehgarten machen, um zwei Stunden seichte Sonntagsunterhaltung bei Andrea Kiewel und ihren musikalischen und nichtmusikalischen Gästen zu genießen wurde nach einer ersten rockigen Fernsehgartenausgabe 2021 in diesem Jahr erstmals der „Rock im Garten“ veranstaltet. Wie der Name schon vermuten lässt, lag der Schwerpunkt bei dieser Veranstaltung ausschließlich bei der Musik der etwas „härteren“ Art.

Auch wenn das ZDF sich bei der Auswahl der Künstler ausschließlich auf der melodischen Seite des schwermetallenen Genres bediente, war es natürlich eine gewagte Aktion, eine solche Veranstaltung in einer Location zu veranstalten, die ausschließlich für den ZDF Fernsehgarten erschaffen wurde und bei der normalerweise ein eher weniger Rock-affines Publikum vorherrscht .

So war bereits die Ankündigung ein gefundenes Fressen für des WWW, das Netz war fleißig mit kritischer Vorberichterstattung dabei und die Macher des „Rock im Garten“ mussten sich so manchen Shitstorm anhören.

Zugegeben, auch ich war zunächst erst einmal skeptisch, was ich von der Ankündigung des ZDF halten sollte, in diesem Jahr einen „Rock im Garten“ zu veranstalten. Doch die Neugierde war einfach zu groß und die angekündigten Bands waren ja auch nicht uninteressant.

Und so machte ich mich an diesem Sonntag bei bestem Sommerwetter auf den Weg nach Mainz, um mir selber einen Eindruck zu verschaffen, ob es dem ZDF gelungen ist, eine für Rockfans würdige Veranstaltung zu produzieren, die zur besten Fernsehzeit Live im Fernsehen zu begutachten war.

Als absoluter Fernsehgarten-Neuling war ich gespannt, was mich dort erwartet. So war ich zunächst einmal sehr überrascht, dass die Lokation für bis 6000 Besucher ausgelegt ist, hatte ich mir das doch wesentlich kleiner vorgestellt. Nach dem üblichen Kontrollprozedere mit langen Warteschlangen ging´s dann auf das eigentliche Geländes des Fernsehgartens. Das sehr schön gestaltete Areal um die beiden Bühnenbereiche in der Arena und an der Poolbühne hat eigentlich recht wenig mit einer Metal-Gig zu tun, doch versprüht die Anlage recht schnell eine gewisse Gute-Laune Stimmung und versprüht darüber hinaus bei Kaiserwetter durchaus auch etwas Urlaubsfeeling.

Äußerst bunt gemischt war natürlich das Publikum. Neben dem typischen Fernsehgartenpublikum waren verständlicherweise auch sehr viele schwarz gekleidete Metalfans extra wegen dem „Rock im Garten“ angereist, die sicherlich nie auf die Idee gekommen wären, sich diesen Sonntags-Klassiker im ZDF jemals Live anzuschauen. Bei all dem schweren Jungs und Mädels dürfte wohl der ein oder andere typische Fernsehgarten‑Besucher etwas verwundert geschaut haben, als er die schwarzen Massen im Metal-T-Shirt mit Totenköpfen, Wacken-Schriftzug und diversen Bands-Shirts der auftretenden Bands durch das Areal schlendern sah.

Nachdem die letzten Minuten vor der Show-Übertragung noch für abschließende Proben und Pyroeinweisungen genutzt wurden, wurde gleichzeitig das Publikum von ZDF-Animateuren in den Ablauf der Veranstaltung eingewiesen und die Stimmung des Publikums getestet. Dieses Einpeitschen auf Kommando war schon etwas befremdlich, doch sollte natürlich die gute Stimmung auch im Fernsehen rüberkommen.

Punkt 12 Uhr war es dann soweit und Metal-Queen Doro Pesch durfte mit „All we are“ die Show auf der Hauptbühne eröffnen. Moderatorin Andrea Kiewel wurde von ein paar Rockern passend zu einer Rockveranstaltung im PS-starken Trike vorgefahren, um die Show zu präsentieren. Kiewel begrüßte die vielen Zuschauer bei lautem Applaus mit einer für mich sehr befremdlich wirkenden Ansprache in der 3. Person. Das „Sie“ und „Ihnen“ störte mich während der gesamten Show, ein Dutzen des Publikums auch bei den Gesprächen mit den Zuschauern wäre hier meines Erachtens die dem Anlass entsprechend passendere Form gewesen.

Dann folgte auch gleich der nächste musikalische Act des Tages. Nachdem Mando Diao ihren Auftritt aus gesundheitlichen Gründen leider canceln mussten, durften die schwedischen Hardrocker von H.E.A.T. als erstes die Poolbühne betreten und ihren neuesten Hit „Back to the Rhythm“ präsentieren. Wie für den Fernsehgarten üblich, wurde nicht live gespielt und die gesamte Musik kam als Playback vom Band (verständlich bei der Anzahl der teilnehmenden Bands und dem knapp getakteten Zeitplan), und so merkte man den Musikern teilweise recht deutlich an, wie ungewohnt es für sie doch ist, nicht Live zu spielen. Zwar wurde kräftig in die Saiten geschlagen und die Kunststofftrommelfelle ordentlich malträtiert, doch kam leider nur ein laues Lüftchen aus den Drums. Doch man gab sich Mühe und rockte trotz der fehlenden Rückmeldung aus den Monitorboxen kräftig ab. Auch das Stageacting war bei allen Bands nicht schlecht.

H.E.A.T.

Insgesamt war leider der Sound an der Poolbühne recht bescheiden, etwas mehr Wucht und Lautstärke aus der Beschallung des Bühnenpublikums hätte ich mir schon gewünscht. Hier wurde wohl Rücksicht auf das Standardpublikum genommen, um dieses nicht allzu sehr zu erschrecken.

Man hatte sich beim ZDF lange überlegt, ob man solch eine Sendung überhaupt machen könne. Doch man hatte den Mut und „war der Meinung dass man das könne“, so die Ansage von Kiewel.

Dann ging es Schlag auf Schlag im Programm, alles war minutiös durchgeplant. Zwischen den musikalischen Darbietungen der Bands gab es immer wieder einen Unterhaltungspunkt, der am Rande mit dem Thema Rockmusik zu tun hatte. So gab es u.a. von der Mode-Stylistin Astrid Rudolf im Rahmen einer kleinen Modenshow einen Anschauungsunterricht in Sachen passender Festivalkleidung. Stephan Schneider ist Fachmann für Messerkunde und gab Tipps, welches Messer für was in der Küche geeignet ist. Tekin Dogan versuchte einen neuen Rekord im Zerbrechen von Mauersteinen mit bloßen Fäusten aufzustellen. Ein Harter Kerl, der tatsächlich innerhalb von 20,5 Sekunden die 320 Steine halbierte und so seinen neuen Rekord aufstellte.


Optisch sehr ansprechend dann die Akrobatiknummer von Vivianna Rossi, die im Sexy-Outfit, an Schlaufen hängend ihren Auftritt zwischen Badewanne und Hochseil absolvierte. Auch einige Tipps für den Tag nach einem Suff (oder Festival) sollten nicht fehlen und so gabs fachliche Anregungen für das bewältigen des Katers danach.

Doch kommen wir zum musikalischen Teil, weshalb ich eigentlich vor Ort war.

Nach den Finnen von The Rasmus mit ihrem aktuellen Song „Rise“ präsentierten, lieferten Vision of Atlantis einen gelungenen Auftritt im Piratenkostüm ab. Der Song „Melancholy Angel“ war gut gewählt und kam auch bei den Nichtrockfans gut an, gehört er doch zu den eingängigen Songs der Band rund um Frontfrau Clémentine Delauney und ihren männlichen Gegenpart Michele Guaitoli. Machte Lust auf mehr.

Visions of Atlantis

Smash into Pieces schmetterten „All Eyes on You“, gefolgt von einem fulminaten Auftritt von Kissin Dynamite in der Arenamit „Only the Dead“, die am Ende des Song kräftig vom Publikum abgefeiert wurde und laute Zugabe-Rufe zur Folge hatte. Frontmann Hannes ist wie gemacht für die Bühne und hat auch die „Rock im Garten-Bühne “ ausgiebiggenutzt, um die Live-Qualitäten seiner Band einem großen Publikum zu präsentiere. Klasse Auftritt und einer der Higlights des Tages.

Smasch into Pieces
Kissin Dynamite

Wechsel zur Poolbühne: Saltatio Mortis spielten „Nie Allein“ von ihrer aktuellen Scheibe und rockten wie immer kräftig die Bühne. Auch das Playback war kein Problem, übertönte Alea einfach den Boxensound und ging voll ab. Geiler Auftritt, der noch durch den Synchronen Jump von Luzi und Alea in den Fernsehgartenpool gekrönt wurde. Triefend nass stiegen sie mit breitem Grinsen aus dem Wasser und hatten sichtlich Freunde an ihrer Action. Auch hinter der Bühne ließ das Grinsen nicht nach, man hatte irgendwie den Eindruck, dass das eine geplante Action der beiden gegen jede Regel des ZDF zu sein schien. Daumen hoch!

Saltataio Mortis

Doro durfte dann nochmals ran und präsentierte Ihre Metal-Hymne „Raise your Fist“, bei dem natürlich zahlreiche Metalfäuste gereckt wurden. Im Anschluss machte Doro dann noch etwas Werbung in eigener Sache zu ihrem anstehenden 40-jährigen Bühnenjubiläum im nächsten Jahr und der bevorstehenden Show „Music Impossible“ im ZDF, bei dem sie einen ihrer Songs in speziellem Gewand eines anderen Musikstil spielen muss. Kiwi`s Vorschlag zu einem Duett von Doro mit Helene Fischer erntete jedoch laute Puhrufe unter dem Publikum.

Doro

Etwas kitschig wirkte der Auftritt von den italienischen Spaßmetallern Nanowar of Steel, die ihr „Norwgian Reggaeton“ mit Schwimmflossen und in Badeshorts auf der Poolbühne aufführten. Nicht ganz mein Fall, muss man wollen. Doch den (Fernsehgarten)-Zuschauern gefiel der Mix aus Reggaesound und Metalklängen. Auch Ihr Auftritt endete mit einem Sprung ins Wasser.

Nanowar of Steel

 Da war der der Auftritt von Kissin Dynamite zusammen mit The Baseballs eine andere Hausnummer. Die Premiere von „Cadillac Maniac“ begann zunächst etwas nach Elvis klingend, mit dem Einstieg des blonden Schwaben Hannes und seinen Jungs geht er dann richtig ab und der Song entwickelt sich mit Ohrwurmcharakter so zu einem der Knaller des Tages, der das Publikum zu Jubelstürmen und langen Zugaberufen veranlasste.

The Baseballs + Kissin Dynamite

Bei einer Quote von 50 Metalfans je 100.000 Einwohner gehört Finnland zu den rockbegeistertsten Ländern in Europa, so Andrea Kiewel. Und so durfte Blind Channel, die Finnland beim letzten ESC vertraten, ihren neuen Hit „Dark Side X Bad Idea“ zum Besten geben. Etwas Poppig angehaucht entfaltet er jedoch schnell Hitpotential. Im September können sich Fans die Finnen live bei ihrer Tour auch in Deutschland anschauen.

Blind Channel
Bonfire

Nachdem Bonfire den Coversong „Burning Heart“ von Survivor aus Ihrem Coveralbum spielte war dann die große Chance für 3 Zuschauer gekommen, an einem Geschicklichkeitsspiel teilzunehmen, bei dem Gewinner Florian 2 Tickets für das nächste W.O.A. mit nach Hause nehmen durfte.

Florian, der stolze Gewinner der zwei W.O.A. Tickets

Auch Smash into Pieces durften ein zweites Mal wegen der Absage von Mando Diao auf die Bühne und rockten nochmals zu ihrem Song „Back like a Bumerang“.

Der Schlusssong der insgesamt gelungenen Veranstaltung blieb dann nochmals The Rasmus vorbehalten, die mit Ihrem Überhit „In the Shadows“ einen würdigen Abschluss gaben. Hier hatte auch Kiwi ihren Spaß, den ausnahmsweise kannte Sie den Song bereits.

The Rasmus

Fazit:
Auch wenn der Rock im Garten dem o.g. Rock Pop In Concert in keinster Weise das Wasser reichen konnte, und es während der Sendung das ein oder andere Mal für Moderatorin Andrea Kiewel wegen fehlender Fachkenntnisse etwas peinlich wurde ( Manowar wurde als Manowaaahr ausgesprochen oder Sie hatte noch nie einen Zuschauer mit Blechgewand gesehen, so ihre Aussage zu einem Metalfan in Sabaton-Outfit à la Joakim Brodén) kann man dem ZDF grundsätzlich nur zu seinem Entschluss, eine Rockveranstaltung durchzuführen,gratulieren. Die Bandauswahl war für meinen Geschmack und dem Anlass entsprechend gut gewählt.  Auch wenn das Konzept des Fernsehgartens nicht unbedingt für den harten Rock und Metal prädestiniert ist, funktioniert unser allseits geliebter Musikstil auch im Fernsehen bzw. auf der Bühne des ZDF-Geländes.

Ein wenig Chill-Faktor, schönes Sommerwetter, ein Bierchen zischen und guter Musik lauschen, im Urlaub, egal wo man hinfährt muss man sich da des Öfteren weitaus Übleres anhören und keiner regt sich groß auf.

Auch wenn das ganze musikalische Spektakel als Playback ablief, so fand ich die Auftritte insgesamt fast durchweg gelungen und auch die Künstler machten den Eindruck, dass sie bei der Sache ihren Spaß hatten, wenn auch vielleicht mit einem verschmitzten Hintergedanken.

Klar kommen jetzt sicherlich im Netz Aussagen von Verrat , Kommerzialisierung und vielem mehr, doch warum soll eine Band solch eine Möglichkeit nicht nutzen sich im TV einem Millionenpublikum zu präsentiere. Vielleicht ist eine solche Veranstaltung auch eine Chance, die Skepsis gegen die wilden, schwarz gekleideten Metalheads mit Ihrer laut kreischenden Metalmuke zu beseitigen, den auch die Normalos unter den Zuschauern waren weitgehend positiv überrascht, was die Rocker am Sonntag geboten hatten, so die Aussagen einiger befragten Besucher nach dem Veranstaltungsende.

Vielleicht kann man sich beim ZDF ja in nicht allzu ferner Zukunft wieder mal dazu durchringen, den harten Klängen der Rockmusik wieder eine spezielle Plattform zur Präsentation im Hauptprogramm zu geben. Dann vielleicht mit einer/einem Moderator/in mit etwas mehr Fachwissen und einem persönlichen Bezug zur Metalszene, denn Andrea Kiewel war doch einige Male etwas überfordert mit all den Gepflogenheiten und Begrifflichkeiten der Szene, in der sie nicht zuhause ist. Wenn dann nicht alles schön auf dem Handzettel zum Ablesen bereitsteht, kann solch eine Sendung auch schnell mal mächtig in die Hose gehen.

Andrea „Kiwi“ Kiewel

Andrea, bleib Du besser bei Helene Fischer und Co., da kennst du dich aus. Wir Metalfans hätten da auch die ein oder andere begabte Dame (oder Herren) zu bieten, die eine solche Sendung präsentieren könnte. Jennifer Haben hat es z.B. bei der Übertragung vom W.O.A. im August zuletzt gezeigt, dass sie nicht nur Singen kann.

Liebe Fernsehmacher vom ZDF, „Rock im Garten“ waren zwei entspannte Stunden Unterhaltung, gerne wieder im nächsten Jahr, ich bin wieder dabei, auch wenn ich jetzt dafür virtuell gesteinigt  werde.

Blick in die Arena

By Thomas

Musikalisch bin ich seit den 80er vor allem im melodischen Hard& Heavy-Dschungel unterwegs und immer auf der Suche nach neuen und alten Perlen. Meine absoluten Faves sind Queenaryche, Y&T, Die Toten Hosen... u.v.a.....inzwischen kann ich mich aber auch für Mittelalterrockband wie Feuerschwanz oder Saltataio Mortis absolut begeistern. Ab und an geht mein Blick aber auch mal über den Tellerrand in Richtung Speed/Trash/Death...solange Melodien erkennbar sind. Auch wenn ich schon zu der Ü50-Fraktion gehöre, findet man mich bei Konzerten und Festivals fast immer Front of Stage, denn Sitzplatz beim Rockkonzerten, das passt bei mir einfach nicht zusammen. Erst wenn es ohne Rollator mal nicht mehr gehen sollte, ist die Tribüne vielleicht ne Alternative.

Related Post