Kissin Dynamite – „Back with a Bang Live“ oder Die Wiedergeburt des Stadionrocks – Konzertbericht aus dem Schlachthof in Wiesbaden

Wer erinnert sich nicht gerne an die goldenen Zeiten des guten alten Stadionrocks, als Bands wie Bon Jovi, Journey, Aerosmith und wie sie alle heißen, abertausende von Rockfans in die größten Stadien der Welt strömen ließen, um dort richtig fett Party zu feiern. Leider sind zahlreiche Bands der glorreichen 80er inzwischen kurz vor der Rente, stimmlich teils nur noch ein Schatten ihrer glorreichen Zeiten und einige der besagten Bands haben musikalisch in den vergangenen Jahren mehr als nur einmal nur noch Durchschnittsware abgeliefert. Leider werden diese „großen“ Bands nach ihrem zu erwartenden (Live-) Abgang eine große Lücke hinterlassen, die nur schwer zu schließen sein wird.

Doch es keimt Hoffnung auf und die Zeiten großer Hymnen sind glücklicherweise noch längst nicht vorbei. Wie bei Asterix im Galierdorf, kommt in Sachen Stadionrock eine der großen Hoffnung aus einem kleinen Städtchen, diesmal im Schwabenländle:

Kissin Dynamitem aus Burladingen, der knapp 12500 Seelengemeinde im Zollernalbkreis, die sich seit 2006 auf den Weg machten, um in die großen Fußstapfen der oben genannten Bands zu treten. Ursprünglich als Schulband gegründet, schafften es die Brüder Johannes (Hannes) und Ande Braun zusammen mit ihren Freunden Jim Müller, Steffen Haile und Drummer Andi Schnitzer, der inzwischen durch Sebastian Berg ersetzt wurde, in den vergangenen 18 Jahren sich durch harte und ehrliche Arbeit kontinuierlich nach oben zu arbeiten und Schritt für Schritt immer größere Bühnen zu erobern und sich dabei eine treue Fanbase zu erspielen.

Der bisherige größte Erfolg in ihrer Karriere stellt sicherlich die erste Nr. 1 Plazierung in ihrem Heimatland für ihr aktuelles Album „Back with a Bang“ dar, welches im September in den Charts sprichwörtlich einschlug wie eine Bombe! (Das Albumreview findet ihr hier).

Nun startete letzte Woche auch die zugehörige „Back with a Bang-Tour“, bei der die Schwaben ihre bislang größte Produktion in ihrer Bandhistorie auf die Bühne brachten. Rockmagazine war natürlich für euch in Wiesbaden dabei.

Wie es sich heute fast schon gehört, werden auch Kissin Dynamite bei Ihrer Tour von zwei Supportbands begleitet. Den Anfang machte die deutsche Band Airstrike aus Frankenberg in der Nähe von Kassel, die sich mit ihrem peruanischen Sänger Julio Noriega und ihrem vom Rock ’n Roll angehauchten Songs leider etwas schwer taten und beim Publikum nicht die erhofften Begeisterungsstürme auslösen konnten.

Irgendwie wollte der Funke nicht richtig überspringen, vermutlich kannten die wenigsten der Anwesenden die Songs der Band, da half leider auch der Auftritt Noriega`s bei Voice Of Germany 2022 nicht richtig weiter.

Als zweite Band des Abends waren die Briten von Massive Waggons an der Reihe, die mit ihrem Radiohit „Missing on TV“ einen guten Einstieg hinlegten. Nachdem ich die Band zuvor eher in die AOR-Ecke gesteckt hatte, kamen die Songs mit Ausnahme des Openers live mit einem deutlichen Punkeinschlag wesentlich härter rüber als auf dem Album. Das folgende „A.S.S.H.O.L.E.“ vom aktuellen Album „Triggered“ legte den AOR-Mantel Teil endgültig ab und so ging`s recht rotzig weiter und Frontmann Barry Mills zeigte mehr als deutlich den Stinkefinger. Auch Massive Waggons brauchten etwas Anlauf, um das Publikum zu erreichen, doch im Laufe der Show taute das Wiesbadener Publikum zusehends auf und so stieg die Stimmung nach einigen Songs merklich an.

Barry fetzte während des gesamten Auftritts wie ein Wilder auf der Bühne umher und animierte die Fans zum Mitmachen, was nach anfänglichen eher verhaltenem Klatschen zum Ende in richtigen Beifall wechselte. Mit „The Good die Young“ kamen nochmals radiotaugliche Töne zum Vorschein, doch dominierten die punkig angehauchten Sounds, die mich auch mal etwas an Rise Against erinnerten. Mit „Bangin in Your Stereo“ gab´s die Chance zum Mitsingen, der auch das Publikum abgehen lies, bevor „In it together“ nach knapp 40 min den Gig mit lautem „Oh Oh Oh“ –Gesängen beschloss. Die Briten wurden gebührend mit Applaus verabschiedet. Insgesamt ein gelungener Auftritt, der das Publikum nun entsprechend für den Headliner angeheizt hatte.

Um 21:10 fiel dann der sprichwörtliche Vorhang für Kissin Dynamite, den heutigen Headliner. Nachdem die 5 Jungs gerade erst mit ihrem neuen Album die Spitze der Chart erklommen hatten, wollten die Schwaben völlig entgegen dem weitverbreiteten Ruf von den  „geizigen Schwaben“ bei dieser Tour nicht kleckern sondern klotzen und auch Live zeigen, was in ihnen steckt. Und so konnte man bereits beim Betreten der Halle in Wiesbaden sehen, dass KD bei dieser Tour eine große Produktion mitgebracht haben, wie sie sie im Laufe ihrer Karriere bislang noch nicht aufgefahren hatten.

Das Bühnenbild dominierten die mehrstufigen Podeste, auf deren obersten Ebene auch der Startschuss für ein tolles Konzert mit einer mitreisenden Show fiel. Als die 5 Musiker mit dem Titeltrack „Back With a Bang“ vor Ihr mehr als gespanntes Publikum traten, ging die Party sofort richtig los. Bestens gelaunt und wie immer mit steil aufgestellter blonder Haarpracht steht Frontmann Hannes Braun natürlich sofort im Mittelpunkt des Geschehens. Mit seiner sympathischen Art und gelungenen Ansprachen zwischen den Songs hat er seine Fans von der ersten Sekunde des Auftritts fest im Griff. Hannes ist wie gemacht für die Rockbühne, der geborene Frontmann, der ganz im Stile großer Entertainer wie Freddy Mercury oder auch Bon Jovi die Fans mitreist und mit jedem Song die Stimmung im Schlachthof weiter steigen lässt.

Anders als von mir erwartet, ist das Publikum im Schnitt weitaus älter als gedacht, die Scharen junger Damen die „König Hannes“ mit ihren Blicken zu Füßen liegen, findet man nur vereinzelt in den vorderen Reihen, ein Großteil der anwesenden KD-Fans ist wohl eher der Ü40/Ü50 Generation zuzurechnen. Doch das tut der Stimmung keinen Abbruch!

Bei der Songauswahl liegt der Schwerpunkt klar auf dem aktuellen Longplayer, beinhaltet daneben natürlich auch einige der größten Hits der Bandgeschichte. Die Playlist ist nur so gespickt mit Hymnen, neben den neuen Songs von „Back with a Bang“ wie die Singles „My Monster“ oder „The Devil Is a Woman“ können auch die älteren Gassenhauer wie „DNA“, „I´ve go The Power“ oder „I Will Be King“ mitreißen und werden von den KD-Anhängern  dankbar aufgenommen und lautstark mitgesungen. Bei Letzterem hält König Hannes sprichwörtlich das Zepter fest im Griff, thront lässig auf seinem großen Thron mitten auf der Bühne und blickt zufrieden auf sein Untertanen, die im liebend gerne seinen Zehnt in Form von lautstarkem Gesang abliefert.

Für Gänsehautmomente sorgt erstmals  die Ballade „Heart of Stone“, die von Hannes am Klavier präsentiert wird. Auch wenn die Streicher live fehlen, einer der Highlights der Show, der zeigt, mit wie viel Gefühl die Band auch umgehen kann, ohne so schnulzig und schmachtend wie Bon Jovi zu klingen . Mit dem folgenden „Queen of the Night“ zeigt Hannes dann, dass Klavier nicht nur für Balladen taugt. Stimmgewaltig schmettert er in der Folge  einen Hit nach dem anderen den begeisterten Fans entgegen, stets mit einer Ladung guter Laune versehen, die sich wie die riesigen roten Luftballone zwischen Bühne und Publikum hin und her überträgt.


Einer der Highlight stellt die Ballade „Six Feet Under“ dar, die laut Hannes ursprünglich vom damaligen Plattenlabel der Band als nicht passend abgestempelt wurde und eigentlich aussortiert werden sollte. Doch hat die Band darauf bestanden, den Song trotzdem auf das Album zu nehmen, was sich im Nachgang als absolut richtige Entscheidung erwiesen hat, gehört der Song doch inzwischen zu den Klassiker eines jeden Konzerts von Kissin Dynamite.

Wie Hannes bei seiner Ansage bemerkt, lohnt es sich im Leben Durchhaltevermögen zu zeigen, auch in schweren Zeiten nicht den Kopf in den Sand zu stecken und Stärke zu zeigen, denn auch Kissin Dynamite stand vor nicht allzu langer Zeit in der Corona-Pandemie nach eigener Aussage kurz vor dem Aus. Nach harten und schweren Zeiten, wo nicht ganz klar war wie es mit der Band weiter gehen sollte, raufte man sich zusammen und fährt nun nach harter Arbeit die Ernte ein und feiert eine erfolgversprechende Rückkehr auf die Rockbühne.

Mit den beiden Krachern „Best is yet to come“ und „Not the End of the Road“ geht es thematisch in die gleiche Richtung weiter, geben Kissin Dynamite mit den beiden Songs doch Hoffnung für die Zukunft, auch in aktuell schwierigen Zeiten. Unter tobendem Applaus verschwinden die Musiker danach kurz von der Bühne, um kurz darauf für die erste Zugabe auf einer kleinen Bühne inmitten der Zuschauer am hinteren Rand der Halle wieder aufzutauchen.

Auf der gerade mal knapp 3×3 Meter großen Bühne ist es richtig schnuckelig, viel Platz bleibt nicht und so hat Drummer Andi sein Schlagzeug einfach gegen ein Cajon eingetauscht. Eng aneinander gedrängt stehen die Musiker Auge in Auge mit den Fans. Es folgt mit „Not a wise Man“ eine weitere Ballade in akustischer Ausführung. Tolle und gelungene Aktion und so haben auch die Fans in den hinteren Reihe die Chance, mal ganz nah an die Band ranzukommen.

Zum grandiosen Finale geht’s dann nochmals auf die Bühne zurück, wo mit „You’re Not Alone“ nochmals alle Register einer großen Rockshow gezogen werden. Die Hymne zeigt nochmal eindrucksvoll, weshalb der Weg der Band in den vergangen Jahren nur ein Richtung kannte: steil bergauf. Ein Livekracher mit jeder Menge Goodtime-Feeling, der förmlich zum Mitsingen einlädt  und das Publikum nochmals in Ekstase versetzt.

Bei „You are Not Alone“ nutzt Hannes die Gelegenheit zu einer kleinen Fahrt im Schlauchboot über den Köpfen seiner Fans und kann damit den Songinhalt quasi bildlich  in die Halle übertragen: nur gemeinsam, Band und Fans, hat man es wieder geschafft, das gesteckte Ziel, die große Bühne wieder zu erreichen, wofür er sich auch bei seinen Anhängern für deren Treue bedankt.

Mit  „Raise Your Glass“ ist dann leider nach 95 Minuten leider schon das fulminante Ende eines tollen Konzerts erreicht, dass sowohl Zuschauer als auch Band selbst begeistert hat. Mit dem Outro „Turn up The Radio“ von Autograph  verabschieden sich Kissin Dynamite mit strahlenden Gesichtern von ihren Fans und werden gebührend von ihrer treuen Anhängerschaft abgefeiert!

Fazit:

Kissin Dynamite haben in Wiesbaden eine richtig fette Party gefeiert und mehr als deutlich gemacht, das in Zukunft mit dem „Steel of Swabia“ aus Burladingen zu rechnen ist und ein Platz in der Spitze des deutschen Hardrocks durch Schwabenpower belegt ist.

Den 1400 Fans wurde an diesem Sonntagabend Hardrock vom Feinsten in bester Stadionrock-Manier geboten, wie man sich das im Vorfeld gewünscht hatte. Eine mitreisende Show und 5 Musiker in Bestform, dazu eine Vielzahl von Hymnen und eine immense Hitdichte, was will man mehr als Fan, der mit den in der Einleitung genannten Bands groß geworden ist. Eine gelungene Bühnenshow mit gutem Sound und hervorragender Ausleuchtung, ein grandioser Frontmann mit einer starken Ausstrahlung und einer tollen Stimme, all das zusammen ergibt eine grandiose Headliner-Show der „Gute Laune Musik“, die über 90 Minuten begeistert hat. Wir dürfen uns auf ein große Zukunft und große Shows im Stile „Stadionrock 2.0“ freuen.

Ganz nach dem alten Motto „Der König ist tot, lang lebe der König“ kann man für Kissin Dynamite den Ausspruch  „Der Stadionrock ist noch lange nicht tot, lang lebe Kissin Dynamite“ kreieren.  Bitte gerne mehr davon!

Alle Fans melodischer Rockmusik sollten sich die „Back with a Bang-Tour“ nicht entgehen lassen. Wer es dennoch im Oktober nicht mehr schafft, hat auch bei den 3 Winterfestivals der “The Hard Circle“ Reihe nochmals die Chance, wo Kissin Dynamite diese Woche als Co-Headliner bestätigt wurden. Weitere Infos zu den Indoor-Festivals in Bochum, Augsburg und Karlsruhe am 12.-14. Dezember findet ihr hier.

Einziger Kritikpunkt meinerseits war die sehr spärliche Ausleuchtung der Bühne bei den Auftritten der beiden Supportbands, die mal wieder auf Sparflamme gedrosselt wurde. Stromsparen oder Umweltschutzgedanke hin oder her, etwas mehr Licht haben die Vorbands in meinen Augen doch verdient. Das sollten sich auch Kissin Dynamite zu Herzen nehmen, schließlich ist es noch nicht allzu lange her, dass sie selbst in der bescheidenen Position waren, im Halbdunkeln für größere Bands eröffnen zu müssen. In diesem Punkt könnte man im Hause KD aus eigener Erfahrung im Interesse aller Beteiligten dieses Ärgernis mal anpacken und etwas anders machen um mit den Traditionen in der Musikbranche zu brechen – Fans und Supportbands würden es ihnen sicherlich danken!

Setlist Kissin Dynamite :

  • Nothing but a good time (Intro from Poison)
  • Back With a Bang
  • DNA
  • No One Dies a Virgin
  • I’ve Got the Fire
  • My Monster
  • I Will Be King
  • Heart of Stone
  • Queen of the Night
  • The Devil Is a Woman
  • Only the Dead
  • Six Feet Under
  • The Best Is Yet to Come
  • Not the End of the Road
  • Not a Wise Man
  • You’re Not Alone
  • Raise Your Glass

KISSIN’ DYNAMITE are:
Hannes Braun – vocals
Ande Braun – guitar
Jim Müller – guitar
Steffen Haile – bass
Sebastian Berg – drums

KISSIN‘ DYNAMITE online:
HOMEPAGE
FACEBOOK
INSTAGRAM
XNAPALM RECORDS

Text & Fotocredits : Thomas Jenne

By Thomas

Musikalisch bin ich seit den 80er vor allem im melodischen Hard& Heavy-Dschungel unterwegs und immer auf der Suche nach neuen und alten Perlen. Meine absoluten Faves sind Queenaryche, Y&T, Die Toten Hosen... u.v.a.....inzwischen kann ich mich aber auch für Mittelalterrockband wie Feuerschwanz oder Saltataio Mortis absolut begeistern. Ab und an geht mein Blick aber auch mal über den Tellerrand in Richtung Speed/Trash/Death...solange Melodien erkennbar sind. Auch wenn ich schon zu der Ü50-Fraktion gehöre, findet man mich bei Konzerten und Festivals fast immer Front of Stage, denn Sitzplatz beim Rockkonzerten, das passt bei mir einfach nicht zusammen. Erst wenn es ohne Rollator mal nicht mehr gehen sollte, ist die Tribüne vielleicht ne Alternative.

Related Post