Land: Norwegen
Genre: Progressive Metal/Modern Metal
Ich hasse Werbung! Sie ist allgegenwärtig, heutzutage oft personalisiert und dazu gemacht um uns unterbewusst zum Kauf von Produkten zu bewegen, die wir eigentlich nicht brauchen. Das Schlimmste an ihr ist jedoch der Fakt dass sie funktioniert. Und so wurde auch ich durch ein Studio-Session-Video des legendären Leprous-Drummers Baard Kolstad erfolgreich „ge-influenced“. In diesem spielt der Norweger den Song 12800 der mir bis dato unbekannten norwegische Band Fight The Fight und erreichte damit über fünf Millionen Aufrufe auf Instagram… naja und jetzt sitz ich am Laptop und schreib eine Rezension zu deren neuen Album „Shah Of Time“. Verflucht sei die Werbung!
Fight The Fight offenbaren direkt mit dem Opener Serpent Of The Sand die Grundlage für den Sound des ganzen Albums: das Riffing wechselt zwischen orientalisch-klingenden Melodiebögen und technischem Headbang-Schrubbern; Synths werden deutlich, aber weitgehend im Hintergrund eingesetzt und Sänger Fredrik Teig Bergstrøm rappt mit tiefen Growls in den Strophen. Der Mann ist eine Bestie am Mikrofon! Der Refrain wird jedoch von einem kleinen Chor mit Klargesang vorgetragen und schafft so Abwechslung zu den härteren Strophen. Insgesamt erinnert mich der erste Track stark an eine Mischung aus einer weniger durchorchestrierten Version von Aeternam und „Eclipse“-Ära Amorphis.
Das Ende des Songs geht nahtlos in das Interlude Ascend über, das mit akustischen Percussions und Wüsten-Soundscape die Single-Auskopplung Monarch einleitet – und die hat es in sich! Ein sehr starker Lead-Riff und der Ohrwurm-Refrain setzen den Track gleich beim ersten Durchlauf im Gehörgang fest. Hier wird erneut mit Erfolg auf die Growl-Klargesang-Formel von Serpent Of The Sand gesetzt. Das Finale von Monarch mit dem epischen Synth-Lead und der Growl-Chor-Kombo ist eins der Highlights der ganzen Albums.
Midtempo-Brecher Shining übernimmt anschließend ohne großes Intro und mit voller Wucht das Ruder. Der Track glänzt vor allem durch die kreativen Drum-Fills von Kolstad und die Chor-Sequenzen. Ab diesem Punkt im Album wird langsam aber sicher klar, dass Fight The Fight proggige Musik produzieren können, die trotzdem leicht zugänglich und eingängig ist. Keine leichte Aufgabe.
Heart Of Stone dreht den Spieß um und nutzt die Growls hauptsächlich im epischen Refrain statt in den Strophen. Mit der Unterstützung des Hintergrund-Teppichs an Synth-Klängen entsteht einer der theatralischsten Songs von „Shah Of Time“. Doch denkt ja nicht, dass deswegen die Härte ausbleibt: die Instrumental-Sektion gegen Ende des Tracks lässt sicher keine Haar ungeschüttelt!
Das nächste Instrumentalstück namens AI erzeugt nicht die orientalische Atmosphäre des geistigen Vorgängers Ascend. AI klingt mehr nach den Startvorbereitungen einer bemannten Mars-Mission, die ein unschönes Ende nehmen wird oder der langsamen Enthüllung des Masterplans eines tyrannischen Weltraum-Imperators aus einem Sci-Fi-Streifen. Aber auch der nachfolgende Song beginnt eher wie ein finsterer Starset-Song als wie ein Track auf einem orientalisch-angehauchten Prog-Album. Alien ist eher langsam, baut in den Strophen die Spannung auf und entlädt diese im Refrain und der brutalen Bridge. Auch wenn der Song streckenweise etwas langatmig wirkt, wäre er wahrscheinlich die perfekte musikalische Untermalung für die Eröffnungssequenz von „X-Men: Apocalypse„, die ein Attentat auf den fiesen Herrscher von Ägypten während seiner Zeremonie zum Aufstieg in die Reihen der Unsterblichen abbildet.
Apropos fies: als Nächstes kommt endlich der Song aus der Werbung und ich würde lügen wenn ich ihn nicht als absolutes Highlight des Albums bezeichnen würde. 12800 packt so viel Inhalt in seine eineinhalbminütige Spielzeit dass manche Songs mit dreifacher Länge vor Neid erblassen würden. Gerappte Strophen, ein gegrowlter Ohrwurm-Refrain, Riffs bis zum Abwinken und der Drum-Part des Jahres! Die Fülle an Beat-Wechseln in dieser kurzen Zeit ist unglaublich. Erlebt das Spektakel aber am Besten selbst:
Und nach diesem musikalischen Äquivalent einer „Mortal Combat Fatality“ kommen wir auch schon zum letzten „richtigen“ Song des Albums. In Memory zählt erneut zu den Midtempo-Stampfern. Auch wenn die fast siebenminütige Dauer dem Track etwas zusetzt, baut er jedoch langsam Tempo auf und brilliert anfangs durch fette, langgezogene Riffs und gegen Ende durch die brutalen und epischen Sequenzen, bei denen die Drums für den Effekt durch Percussion unterstützt werden. Das, nach einem epischen Halo-Ende (leider ohne Voice-Over) klingende, Instrumental-Outro Descent beendet dann die Reise durch die Welt von „Shah Of Time“.
Die Werbung hat mal wieder zugeschlagen – und das mit Erfolg! „Shah Of Time“ begleitet mich mittlerweile seit einem Monat und ich habe das Album für diesen Beitrag einige Male angehört. Aber nach der Fertigstellung meiner Notizen zu den einzelnen Tracks lies ich das Album nicht links liegen und widmete mich wie sonst auch meiner privaten Musik, sondern hörte es trotzdem fast täglich. Und wenn ich ein „Review-Album“ noch zusätzlich in meiner Freizeit höre, ist das normalerweise ein sehr gutes Zeichen.
Fazit: Fight The Fight sind meine Überraschung von 2024. Mit „Shah Of Time“ bringen die Jungs ein kompaktes, leicht zugängliches, aber ebenso brutales und episches Prog-Konzeptalbum auf den Markt, das dank den exzellenten Performances aller Mitglieder noch lange in meinen Boxen erschallen wird. Jeder Song ist mindestens solide genug um im Kontext des Albums zu funktionieren und die Standout-Tracks zählen wahrscheinlich zu den besten Songs des Jahres für mich. Starke Leistung!
Von mir gibts dafür 9 von 10 Bängs!
„Shah Of Time“ erscheint am 31. Mai 2024 via Indie Recordings und ist als CD, LP und digitaler Download erhältlich.
Die Band:
Tord Statle Larsen – Guitar, Backing Vocals
Fredrik Teig Bergstrøm – Guitar, Main Vocals
Hans-Magnus Endestad Hermansen – Bass, Backing Vocals
Baard Kolstad – Drums
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