They Boys are back in town… nach knapp 7 Jahren meldet sich Alex Kraft mir seiner wilden Western-Gang zurück aus dem Studio. Nach intensiver Arbeit in seinem Saloon in Dossenheim bei Heidelberg (oder soll ich besser seinem Heimstudio sagen?), erscheint am 21. Juni im inzwischen 25. Jahr ihres Bestehens endlich das 6. Studioalbum der Western-Metal-Band DEZPERADOZ, das auf den Titel „Moonshiner“ getauft wurde.
Hatten die bisherigen Alben von DEZPERADOZ in der Vergangenheit das Leben von diversen Westernhelden wie Wyatt Earp oder Wild Bill Hickok inhaltlich zum Thema, beschäftigt sich die neue Langrille „Moonshiner“ thematisch gesehen mit der Zeit der Prohibition in den USA, kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs. So erzählen uns die vier Musiker in insgesamt 12 Songs aus diesem recht düsteren Zeitalter Geschichten und Mythen von der Ära der Schwarzbrenner und Schmuggler und dem Handel mit dem damals verbotenen Alkohol. Es herrschten schwere Zeiten, als der Verkauf, Transport und Konsum von Alkohol staatlich verboten war, sodass es schwierig war, legal oder illegal an einen edlen Tropfen zu gelangen. Die Zeit der großen Gangs und Syndikate war angebrochen und erlebte seine Blütezeit.
Das neue Label der Band, El Puerto Records lud Ende März zur Pre-Listening-Party in das Heimstudio von Alex Kraft ein. Auch wir vom Rockmagazine bekamen eine der exklusiven Einladungen, die wir natürlich nicht ausschlagen konnten. Und so trafen wir uns zusammen mit einigen anderen Vertretern aus der metallischen Medienlandschaft in der Musikwerkstatt von Frontmann, Gitarrist und Mastermind Alex Kraft, wo neben dem Proberaum auch seine Musikschule ihr Zuhause hat. Überall hängen – wohl nicht nur zu Dekozwecken – zahllose Gitarren und Bässe an der Wand, daneben Konzertposter, Stagepässe und andere Andenken an frühere Touren. Sogar ein Originalbrief von Ozzy Osbourne persönlich aus den 80ern dekoriert das Studio. Im Proberaum nebenan steht das Schlagzeug unter dem DEZPERADOZ-Backdrop an der Wand und auch ein stylischer Mikrofonständer zeugt von der Vorliebe der Band für den Wilden Westen – eine echt coole Location für dieses Event aus freudigem Anlass.
Hier im Keller eines Mehrfamilienhauses, wo sonst die Schüler von Alex nicht nur ihr Wunschinstrument erlernen, sondern auch zusammen mit anderen Musikern gemeinsam Musik machen können, wurde auch teilweise das Album eingespielt. Während des Pre-Listenings hatten wir vom Rockmagazine also die Ehre, als einer der ersten Medienvertreter das neue Album in seiner Gesamtheit anhören zu können. Dabei stehen Alex – im späteren Verlauf auch seine beiden anwesenden Bandkollegen Gitarrist Andi Kiesel und Bassist Manuel Mandrysch – geduldig Rede und Antwort und erzählen fleißig aus dem Nähkästchen über die Arbeit am Album sowie die Inhalte und Ideen hinter den einzelnen Songs.
Mit Alex als Songwriter des Albums haben wir einen mehr als kompetenten Fachmann vor uns sitzen, der wie aus dieser Zeit vor 100 Jahren ins Jahr 2024 gebeamt wirkt. Mit seiner sehr anschaulichen Art, die damalige Zeit mit seinen Worten und seiner Musik unterlegt zu beschreiben, wurde beim Zuhören sogleich das Kopfkino aktiviert und man sah unweigerlich verschiedenste Bilder aus dieser Zeit vor dem geistigen Auge.
Wie auch auf den früheren Alben der Band steht auch beim neuesten Werk der sehr speziellen Mix aus Metal und Westernsound im Mittelpunkt des Geschehens. Alex Kraft und seine DEZPERADOZ fangen mit Ihrem einzigartigen Sound gekonnt den Spirit dieser Zeit ein und bringen mit „Moonshiner“ wieder ein starkes Album in die Plattenläden. Auch der Ur-Dezperadoz Tom „Sodom“ Angelripper, der beim Debutalbum im Jahr 2000 die Vocals beisteuerte, hat beim neuen Epos mal wieder eine Gastrolle bekommen. Doch dazu später mehr.
Als Einstieg in die Präsentation von „Moonshiner“ erläutert Alex zunächst einmal kurz sein persönliches Vorgehen beim Schreiben der neuen Songs: er braucht nach eigenen Worten „ein Thema, das mich bewegt“ und benötigt immer einen Bezug für seine Texte – ein Thema, sei es eine Person, eine Story oder eine Zeit, „das Flair muss für ihn stimmen“. Dann erstellt sich Alex wie bei einem Film eine Timeline, in der er das gewählte Thema in Kapitel einteilt. Die Kapitel werden dann meist später auch die Titel für seine Songs. Im Anschluss weist Alex den Kapiteln einige Worte und Begriffe zu. Hierzu braucht er ein paar „starke Worte“, die den Song ausfüllen und dann zu einer Rhythmik und damit auch einer Instrumentalisierung führen. So entsteht auch ein Bild, welche Instrumente in dem jeweiligen Song verwendet werden sollen.
Normalerweise beginnen die Alben von den DEZPERADOZ immer mit einem 1-2 minütigen Intro, wie Alex erläutert, um dem Hörer die Gelegenheit zu geben, sich ein Bild von dem Album zu machen und sich den Songs anzunähern. Doch dieses Mal hat Alex es etwas anders angegangen. Er vergleicht die Zeit der Entstehung des Albums, die direkt in der Corona-Zeit lag, mit der Zeit der Weltwirtschaftskrise und Prohibition Anfang des 20. Jahrhunderts, als ganz einfache Dinge des täglichen Lebens plötzlich nicht mehr möglich und erlaubt waren. Er sieht hier deutliche Parallelen zu den Corona-Beschränkungen. Dieser Umstand faszinierte ihn, dass es Leute gab, die in der Zeit der Weltwirtschaftskrise und Verbote ihr eigenes Ding durchzogen, sich ihr eigenes Syndikat aufbauten, um Geld zu verdienen, sei es durch Schwarzbrennerei oder Alkoholschmuggel. Auf der anderen Seite gab es jedoch auch Leute, die in dieser schwierigen und harten Zeit einfach nur feiern und sich auch den alkoholischen Genüssen hingeben wollten, obwohl Alkohol teils nur noch in der Apotheke legal zu bekommen war. So entstand eine große Szene, die sich z.B. in den in sogenannten „Speak Easy-Clubs“ trafen. Der Begriff Speak Easy taucht daher auch mehrfach in den Songs auf dem Album auf und bezeichnet die geheimen Clubs, in die man nur per Klopfzeichen und geheimen Passwort Einlass bekam. Dort waren oft auch Politiker und angesehene Leute anwesend, die dort eigentlich nicht sein durften. Man merkt Alex die Faszination für diese Zeiten schon beim Zuhören an, er hat sich im Vorfeld mehr als ausführlich mit dem Thema und der Zeit der Prohibition auseinandergesetzt und kann sein Wissen mit seinen Ausführungen sehr bildhaft weitergeben. Und so startet er nach der kurzen Einleitung ins Thema mit der Präsentation des Albums, die bislang noch niemand außer den bei den Aufnahmen beteiligten Personen gehört hatten.
Der Eröffnungstrack „Evil Wayz“ handelt inhaltlich von John Dillinger, dem damaligen Staatsfeind Nr. 1 in den USA, der mit äußerst brutaler Art und Weise sein Syndikat aufbaute. Es war einer der harten Jungs der damaligen Zeiten, einer der gefürchteten Revolverhelden, die jedoch statt mit alten Winchester-Gewehren mit sogenannten Tommy Guns (Anm. d. Red.: eine US-amerikanische Maschinenpistole) unterwegs waren und für Angst und Schrecken in den Gassen sorgten.
Statt mit einem echten Intro zur Albumeröffnung beginnt der Opener dieses Mal mit einigen an einen Spielfilm erinnernden Soundeffekten. Gleich nach einem kurzen Schusswechsel und den zu Boden fallenden Patronen folgen Polizeisirenen und stimmen den Eröffnungstrack actionreich ein. Schnell wird klar, was man im nächsten Moment erwarten darf, mit kurzen Westernklängen mit Mundharmonika, die Glockenschläge, sie klingen beinahe wie aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“, doch lassen diese Einspieler nur kurz auf den Soundtrack aus einem Westernstreifen vermuten. Statt Wildwestromantik geht jedoch gleich mal die Post ab, durch den Einsatz der fetten Gitarrenriffs und den kräftigen Gesang gibt es keine Gnade für den Zuhörer und es wird deutlich, dass wir hier eher ein waschechtes Metalalbum zu hören bekommen. Auch wenn Alex nur zwei relativ kleine Studioboxen aufgebaut hat, lässt der Sound trotzdem auf eine fette Produktion schließen, was die inzwischen mir vorliegende Promo eindrucksvoll bestätigt. Ein kurzes recht melodisches Gitarrensolo unterbricht den insgesamt deftigen Song. Am Ende des Songs übernimmt der Sound eines hubraumstarken V8 Motors, der den Bogen gekonnt zum Intro spannt. Ein gelungener Einstand schon Mal, der Lust auf mehr macht.
Bei Track Nr. 2 „Running Shine“ wurde Alex von den Fluchtfahrzeugen der Moonshiner und Bootlegger, wie sich die Wiskeybrenner bzw. die Dealer in Zeiten der Prohibition selber bezeichneten, inspiriert. Sie waren die zugleich ersten Autotuner, die ihre Gefährte, meist das allseits bekannte Ford T1-Modell, entsprechend aufmotzten, um bei Gefahr schneller vor den „Law Dogs“, wie die Polizisten genannt wurden, die Flucht ergreifen zu können. Wie Alex als großer Fan von V8-US-Cars erklärt, sind aus diesen Running Shines später die NASCAR-Rennen hervorgegangen. Zunächst wieder im dezenten Western-Style beginnend, wird schnell das Tempo angezogen und die Flucht der Moonshiner und Bootleger beginnt. Natürlich wird sehr passend zum Text auch eine Flucht vor den „Law Dogs“ im Song eingebaut und abermals sind laute Polizeisirenen zu hören. Ein schneller Track, der mit quasi quietschenden Riffs durch die Kurven driftet.
Bei Track Nr. 3 hat Tom „Sodom“ Angelripper seinen Gastauftritt. Dazu erzählt Alex eine mehr als interessante Anekdote über sein erstes Treffen mit Tom, mit dem Alex im Jahr 2000 die damals noch als DESPERADOS benannte Band gründete. Wie er noch heute schmunzelnd erklärt, wurde er damals vor der Gründung der Tom Angelripper-Band von diesem in eine Bar eingeladen. Bei diesem ersten Treffen bekam er von Tom, der wie ein Mafioso in einer dunklen Ecke saß, einen Krug mit einer dubiosen schwarzen Flüssigkeit vorgesetzt, die sich „Cop Killer“ nannte. „Sah aus wie Altöl, schmeckte aber nach Lakritz. Wie gut, dass ich Lakritz mag“ so Alex zu dem Gebräu . Wie er ergänzt, hat das hochprozentige Getränk ihm dann sehr schnell die Lichter ausgeschossen, sozusagen „Straight Between The Eyes“, voll eingeschlagen, wodurch der Song auch seinen Titel bekam. Passt perfekt zum Thema der aktuellen Scheibe!
Aufgrund dieser Aktion von Tom wollte sich Alex irgendwann „rächen“ und so musste Tom sich als Wiedergutmachung gesanglich mit Alex bei diesem Song duellieren und erneut seine Vocals beisteuern. Als Ergebnis entstand natürlich ein fetter Dampfhammersong mit wummerndem Doublebass und ordentlich Druck im Kessel. Fans der ersten DEZPERADOZ-Scheibe wird dieser Track besonders gefallen, könnte er doch auch ein übrig gebliebener Bonustrack der damaligen Session sein. Originalton Alex: „der Song geht voll auf die Fresse“, und ist wahrlich der wohl härteste Song des Albums, was ganz sicherlich auch an Tom’s Vocals liegt. Der Song wurde inzwischen bereits als erste Videosingle veröffentlicht.
Der folgende Song „Moonshine“ ist dann das krasse Gegenteil zu „Straight Between The Eyes“. Inzwischen in der Timeline bei der Prohibition angekommen, widmet sich der Southern Rock Song einer unbeschwerten Auszeit in der Zeit der vielen Verbote. So wirkt der Song mit den Western-Anleihen eher fröhlich, locker und entspannt. Von Ballade zu sprechen wäre jedoch vermessen, doch kann man sich den Hauptprotagonisten im Song locker auf einer Veranda sitzend vorstellen, die Hacken locker auf dem Geländer übereinander geschlagen und gemütlich eine Zigarette rauchend. Dazu vielleicht ein verbotenes Gläschen Hochprozentiges in der Hand. Diese relaxte Stimmung wird sehr treffend auch durch die Akustikgitarren rübergebracht. Der Song erinnert etwas an Lynyrd Skynyrd, ist aber dann doch 1-2 Stufen härter und überzeugt vor allem durch seine lässige Ausstrahlung mit Mundharmonika. Einer meiner Highlights des Albums.
Bei Track Nr. 5 „Mexican Border“ huldigt Alex in der typischen DEZPERADOZ-Machart als glühender Fan von Ennio Moricone dem klassischen Italo-Western-Sound. Das Instrumental könnte problemlos aus einem Clint Eastwood-Western stammen und handelt lt. Alex von dem wahren „Highway To Hell“, wie die damalige Hauptschmuggelroute nach Tijuana in Mexico genannt wurde. Der Song musste an dieser Stelle kommen, ist man nun inzwischen mitten in der Prohibitionszeit angekommen. Alle Westernfans werden feuchte Augen bekommen: Schlangengeklapper, geile Mundharmonikamelodie, die etwas an das Metallica-Liveintro erinnert, das können neben Ennio Morricone sonst wohl nur die Dezperadoz so erschaffen. Wer hat sich da wohl von wem inspirieren lassen, fragt man sich da.
Bei Track Nr. 6 widmet sich Alex einem alten amerikanischen Folksong, einer Volksweise, dem sich neben Bob Dylan auch schon zahlreiche andere Künstler in der Vergangenheit angenommen haben. Man kennt den Song sicherlich, doch „Man of Constant Sorrow“ wurde dieses Mal in den typischen Dezperadoz-Style transferiert, der laut Alex „bei der Aufnahme gesanglich eine unfassbare Herausforderung für ihn darstellte“. Der Track mit seinem Hillbilly-Sound und den Square Dance Elementen ist im Midtempobereich angesiedelt, verleitet mit seiner Lockerheit schnell zum Mitwippen mit dem Fuß. Langsam startend, geht nach dem taktgebenden Einsatz der Drums dann die Post(kutsche) richtig ab. Pfiffe, Mandoline, Banjo und Geige spielen gemeinsam zum Tanz auf, die perfekt in jeden Saloon zwischen Ost- und Westküste passen würde. Coole Nummer!
Die sehr persönliche Ballade „River“ widmet Alex seinem Vater und ist eines der Herzlieder von ihm. Es handelt vom älter werden, von gestandenen Männern, die aus dem Krieg zurückkehrten und nicht mehr die gleichen waren wie früher. Dies erinnert Alex an seinen Vater, und es gibt Einblicke in die enge Beziehung zu ihm, der leider an Demenz erkrankte und schnell nicht mehr derselbe war, wie vor der Krankheit. Der als Akustiksong beginnende Titel verbreitet fast schon etwas Lagerfeuerromantik, nimmt erst im Mittelteil etwas Fahrt auf, mit Glockenspiel und Paukenschlag wird das sehr melodiöse Solo eingeläutet. Klasse Song zum Relaxen, der aber auch zum Nachdenken anregt.
„Lawless“ geht als waschechter Bikersong durch, handelt von ganz normalen Menschen, die in der Prohibitionszeit die Chance sahen, etwas Illegales zu machen, um „etwas zu fressen zu bekommen“, so Alex. Mit Akustikgitarre startend, gibt’s nach einem Break dann wieder voll auf die Zwölf, und die alten Dezperadoz aus den Anfangstagen kommen wieder aus der Versenkung. Fette Riffs und harter Beat von Drummer Lars Nippa, so kennt und liebt man die härtere Seite der Dezperadoz. Zum Ende hin wird dann wieder etwas auf die Bremse getreten. Nach dem kurzen soundtechnischen Auftritt einer Harley Davidson und einem starken Solo, klingt der Song wie im Sonnenuntergang mit Mundhamonika und Glockenspiel aus.
Es folgt ein Song mit dem sehr ungewöhnlichen Titel „My Lucky Graveyard Boots“, der einem Satz aus dem Johnny Cash-Song „Further on up the Road” entstammt und von dem berüchtigten St. Valentines Day Massaker im Chicago der späten 1920er handelt. Alex erläutert mit großer Faszination und Sachkenntnis von der damals die Straßen von Chicago beherrschenden Gangkriminalität. Das Geschäft mit Alkohol und Prostitution war in den Zeiten der Prohibition immer wieder Ausgangspunkt für zahlreiche Gewalteskapaden und Morde zwischen den Gangs. Einer der führenden Bosse war der berühmt berüchtigte italienische Mafioso Al Capone, dessen Gang „Chicago Outfit“ sich nachweislich eines Tages als Polizisten verkleidet bei ihren Rivalen von der irischen „North Side Gang“ zu einer „Razzia“ einfanden und deren Mitglieder alle mit dem Gesicht zur Wand stehend hinterrücks äußerst brutal exekutierten. Nach dem Massaker hatte Al Capone den Tatort besichtigt, weshalb auch die Textzeile „My Name is Gabriel, and I see you all in hell“ ihren Auftritt hat und perfekt zur Story des Massakers passt (Anm. d. Red.: Al Capone’s zweiter Vorname lautete Gabriel [Alphonse Gabriel „Al“ Capone]).
Der Song startet recht langsam mit Akustikgitarre, fast wie ein waschechter Country Song. Doch mit dem Break und dem Wechsel zur E-Gitarre wendet sich das Blatt. Die düstere Grundstimmung des Songs spiegelt die aufkommende Gewalt wieder und wird musikalisch durch die höhere Schlagzahl ungesetzt. Nicht so ganz einfach und etwas verzwackt, braucht der Song etwas Anlauf, um zu zünden. Am Ende zieht sich der Track allerdings (für den Hörer vielleicht zunächst etwas unbegründet) deutlich in die Länge, was Alex jedoch prompt mit seiner Liebe zum Beatles-Album „Abbey Road“ erläutert. Dort ist in der LP-Version eine unendliche Rille ins Vinyl gepresst, sodass das Album bis zum Sanknimmerleinstag weiterläuft, bis man dann endlich doch irgendwann den Arm vom Plattenspieler abhebt. Dies machte Alex in seiner Jugend wahnsinnig, daher auch dieses in die Länge gezogene Outro des Songs, bei dem die sich immer weiter steigernde Brutalität zwischen den Gangs im Song symbolisch durch das Hinzufügen von immer weiteren Instrumenten musikalisch umgesetzt wird.
Der nächste Track „Angels Share“ kann lt. Alex in dieser Art sicherlich niemand anderes spielen wie die DEZPERADOZ und wurde von ihm unter der Dusche geschrieben. Als Angels Share wurde umgangssprachlich die kleine fehlende Menge Alkohol in einem Fass Frischgebranntem bezeichnet, von der man nicht so genau wusste, wo diese nach dem Abfüllen hingekommen war. Was eigentlich rein auf die Verdunstung zurückzuführen ist, wurde umgangssprachlich jedoch den Engeln zugesprochen, die sich sozusagen ihren Teil aus dem Fass genehmigten.
Der Song selbst handelt von einem kleinen Jungen, der diesen Umstand ausnutzt und durch das regelmäßige Abzweigen des Angels Share aus den Fässern des frisch gebrannten Whiskeys seines als Schwarzbrenner tätigen Vaters sein Taschengeld aufbessert. Der flotte rockige Track mit seinem Elvis-Lick läßt das Bein unweigerlich mitwippen, mit Mundharmonika und Slide-Gitarre bekommt er seinen für die Band so typischen Sound im Western-Style. Megacoole Nummer.
Photo-Credit: Bettina Dittmann
„A Gunman Trail“ erzählt von einem inzwischen in die Jahre gekommenen großen Fisch der Szene, einem gefürchteten Gunman oder Revolverhelden, der aus seinem früheren Leben von den zweifelhaften Taten erzählt und eigentlich nur noch wegen seinem berüchtigten kriminellen Handeln und dem zweifelhaften Heldenstatus früherer Tage gefürchtet wird. Textlich recht derb, wie Alex betont, schlägt der Track natürlich nochmal deftigere Töne an, mit hartem Rhythmus und fettem Riff, bei dem man kurz mal unweigerlich an Metallica denkt.
Das beste kommt jedoch bekanntlich zum Schluss und so wird als letzter Track des Albums nochmals ein sogenannter Herzenssong aufgefahren. Der Titel „Never Stop To Start Again“ ist für Alex eine der Lebensweisheiten, die einen hohen Stellenwert für ihn im Leben hat und quasi sein „I did it my way“ darstellt, „ein Song wie für mich selbst geschrieben“, so der Songwriter über das Ergebnis.
Doch auch für andere Leute hat der Song sicherlich eine wichtige Bedeutung. So auch für den langjährigen Wegbegleiter Chris Malz, der Alex lange Jahre beim Korrekturlesen und Ausformulieren der Songtexte unterstütze. Er hatte den Song noch zu Lebzeiten mitbekommen, verstarb jedoch kurze Zeit später an einer Krebserkrankung. „Auch er zog sein Ding durch bis zum Schluss“, so Alex, was seiner Meinung nach extrem wichtig ist „immer weiter, immer weiter, bis der Wecker klingelt und man nichts mehr machen kann“.
Ein bedächtiger Song mit Gitarre und einer Vielzahl klassischer Instrumente, dazu die rauchige Stimme von Alex, verbreiten fast schon Gänsehaut. Langsam baut sich die Spannung bis hin zum geilen Solo auf. Das Highlight ist aber das lange Ende des Songs, das Outro à la Lingua Mortis Orchester ist echt hammermäßig, da wurde nochmal von den Jungs alles in die Waagschale geworfen, was im Studio an Instrumenten so alles rumgestanden hat. Geiles Finale eines mehr als gelungenen Albums!
Für alle Metalfans, die neben fetten Riffs und Doublebass auch mal etwas Country- und Western- Style akzeptieren, sollten sich „Moonshiner“ definitiv anhören und in die Welt von Alkoholschuggel, Tommy Gun und Al Capone abtauchen. Doch Achtung, ob Ballade oder Metalhammer, es wird überall scharf geschossen auf dem neuen Album.
Für mich das stärkste Album der DEZPERADOZ seit „The Legend of Truth“, daher gibt’s von mir 8,5 Patronen bzw. Bangs für „Moonshiner“.
Anspieltipps: „Never Stop To Start Again“, „Moonshiner“, „Mexican Border“
Zum Abschluss der Listening Session folgt prompt noch ein kleines Fazit von Alex. Es hat lange gedauert, aber Alex ist lt. eigener Aussage ein Perfektionist. Er kann sich nicht damit zufrieden geben, wenn die Sache nicht rund ist. Das Album wurde mehrfach verschoben, doch glücklicherweise hat das neue Label El Puerto Records erkannt, „dass die Musik auch Kunst ist und nicht nur einfach ein Produkt darstellt“. Deshalb auch ein besonderes Dankeschön von ihm für so viel Geduld beim Label, bis das Album dann endlich im Kasten war. Nachdem die Songs ausschließlich von Alex geschrieben wurden, hat man vor der Aufnahme des Albums viel im Proberaum zusammen rumexperimentiert, welche Instrumente man einsetzt, damit man sie auch live spielen kann. Während dieser Phase erhielt dann der ein oder andere Song einen völlig andern Sound verpasst, wie ursprünglich geplant.
Bei den Songs kommt es laut Bassist Manuel vorrangig auf die Qualität an, nicht auf die Stilistik, denn wie Alex einwirft „ein guter Song bleibt ein guter Song, egal was man draus macht“ und kann dann auch in verschiedensten Stilen gespielt werden. Die neue Scheibe bestätigt diese Aussage. Man kann gleich nach dem ersten Hördurchgang feststellen, dass die anwesenden Pressevertreter alle positiv vom gerade Gehörten der DEZPERADOZ positiv beeindruckt sind. Von allen Seiten gibt’s Lob für Alex, Andi und Manuel (Lars ist an diesem Tag leider verhindert) und so wird in der Runde auch schnell über mögliche Live-Umsetzungen der Songs auf der Bühne diskutiert.
Inzwischen hat man sich im Hause DEZPERADOZ natürlich auch schon erste Gedanken über die Live-Präsentation gemacht. Passend zum Western-Style der Musik will man versuchen, in der Live-Show nach einer halben Stunde als Metalkapelle einen Break einzubauen, um anschließend 20 Minuten eine spezielle Saloon-Show zu spielen. Dabei sollen dann u.a. auch verschiedene Instrumente wie Kontrabass, Mandoline und natürlich Akustikgitarren zum Einsatz kommen. Man darf gespannt sein, wie die „Moonshiner“-Songs bei der Live-Premiere im Rahmen der Releaseparty am 22.06. im Cafe Central in Weinheim bei den Western-Metal-Fans ankommen werden.
In lockerer Gesprächsrunde blieb anschließend noch genügend Zeit für ein Gespräch mit Alex, Manuel und Andi. Musik in verschiedenster Form war natürlich das beherrschende Thema. Alex fand sogar noch Zeit, für den Metalkeller, Deutschlands einziger „Metal Late Night Show“ zeitgleich im Studio live vor Ort einen neuen Podcast aufzunehmen. Dieser wird in absehbarer Zeit hier abrufbar sein.
Weitere Tourdaten der DEZPERADOZ werden sicherlich in Kürze folgen. Wir bleiben natürlich am Ball für Euch. Bis dahin heißt es zunächst: sattelt die Pferde, reitet nach Westen und wartet auf den Albumrelease!
Auch für ein Bier und ein stilechtes Glas Whiskey sowie kleine Snacks hatte unser Gastgeber Alex in seinem Studio bestens gesorgt, so dass der Mittag wie im Fluge verging. Zum Abschluss gab’s natürlich noch ein umfangreiches Fotoshooting mit Pressekollegen, Frank Wilkens von der Promoagentur Nauntown Music und den 3 anwesenden DEZPERADOZ, bevor wir nach knapp 3 Stunden mit großer Vorfreude auf den Albumrelease am 21.06. den Heimweg antraten.
Abschließend möchten wir uns vom ROCKMAGAZINE-Team nochmals für den tollen und informativen Nachmittag bei unserem Gastgeber und Westernexperten Alex Kraft, Promoter Frank Wikens für die Einladung zu Pre-Listening-Party sowie den beiden DEZPERADOZ Andi Kiesel und Manuel Mandrysch für die lockeren Gespräche und Einblicke in die Welt der DEZPERADOZ danken.
Wir wünschen der Band viel Erfolg mit dem neuen Album „Moonshiner“. Wir sehen uns in Weinheim!
DEZPERADOZ-Line-Up :
Alex Kraft – Vocals, Guitars
Andi Kiesel – Guitars
Manuel Mandrysch – Bass
Lars Nippa – Drums
Da Lars an diesem Samstag nicht anwesend war, durfte ich kurzfristig das Lineup vervollständigen und mich aufs Bandfoto mogeln, denn DEZPERADOZ ohne Doublebass ist ja beinahe schon wie die Prohibitionszeit ohne Alkohol oder wie AL Capone ohne Tommy Gun.
Mal sehen, ob das für einen Eintrag bei Wikipedia als ehemaliges Bandmitglied ausreicht?
„Moonshiner“ erscheint am 21.06.2024 über El Puerto Records und kann hier bereits vorbestellt werden. Neben der CD gibt es das Album auch als streng limitierte Auflage (nur 111 Stück weltweit!) in einer Wood-Box (mit Autogrammkarte, signiertem Plektrum und einer mit DEZPERADOZ-Schriftzug gelaserten Taschenuhr!!!). Da heißt es schnell sein, denn der frühe Vogel fängt den Wurm!
Tracklist:
01 Evil Wayz
02 Runnin‘ shine
03 Straight between the Eyes
04 Moonshine
05 Mexican Border
06 Man of constant Sorrow
07 River
08 Lawless
09 My lucky Graveyardboots
10 Angels‘ Share
11 A Gunmans Trail
12 Never Stop to Start again
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Text: Thomas Jenne
Fotos : Emerald Pics by Oliver Haremsa