Mit Bone Collector von Grave Digger wartet das noch junge 2025 gleich mal mit einem musikalischen Highlight auf. Kurz vor Weihnachten haben wir noch die Chance genutzt Chris Boltendahl ein paar Fragen dazu zu stellen, die er uns auch besten gelaunt beantwortet hat.
Christian B.(RM): Hallo Chris, schön dass du dir so kurz vor den Feiertagen noch Zeit genommen hast für uns. Gleich zu Beginn würde mich interessieren woher ihr die Inspiration für ein neues Album nehmt? Ihr bringt ja, trotz Euer langen Karriere, immer noch regelmäßig einen Longplayer auf den Markt!
Chris Boltendahl: Die Inspiration kommt aus der Liebe zu dieser Musik, sag ich mal. Wir mögen alle diese Art von Musik und sind auch damit aufgewachsen. Und wenn man was gerne macht, kommt die Inspiration doch irgendwie von alleine, und auch die Energie. Eigentlich haben wir uns für unsere Verhältnisse relativ viel Zeit gelassen, denn es waren jetzt zweieinhalb Jahre zwischen den Releases, und nicht wie üblich nur zwei. Was ja für uns schon eher ungewöhnlich ist. Aber wir sind guter Dinge und haben Spaß an der Sache und ich denke das hört man dem Album durchaus an.
Christian B.: Weil Du das eh gerade den Spaß an der Sache ansprichst, wieviel davon ist denn bei so einer Albumaufnahme noch da und wieviel ist reine Routine wie bei einem „normalen“ Job?
Chris Boltendahl: Bei einem normalen Job würd ich ja schonmal hingehen, um acht oder neun Uhr morgens aus dem Haus gehen um irgendwo Regale einzuräumen, oder so was. Ich hab mich nun mal für die Musik entschieden um kreativ sein zu können, und wenn man Musik macht ist eigentlich nichts normal. Auch Routine schleicht sich bei uns nicht wirklich ein. Denn wenn man anfängt zu komponieren und Texte dazu zu schreiben um ein Album aufzunehmen, das ist wie eine Reise die irgendwann aufhört wenn man das fertige Ding in der Hand hat. Und diese Reise ist ausgesprochen spannend, und man erlebt dabei eine ganze Menge. Daher kann man nicht von Routine dabei sprechen, und wenn es welche wäre würde es auch keinen Spaß mehr machen. Die meisten Dinge die aus Routine geschehen macht man nun mal meist ohne Freude, und daher sehe ich das komponieren und aufnehmen eines Albums schon eher als Geschenk und als Freude und deswegen machen wir es gerne.
Christian B.: Was macht Dir dann mehr Freude, das Aufnehmen eines Albums oder die Liveauftritte?
Chris Boltendahl: Das kann man gar nicht miteinander vergleichen, denn so ein Liveauftritt ist nur eine Momentaufnahme. Da kommt der Fan und bezahlt Geld dafür das er uns sehen kann, und die Situation auf der Bühne ist nicht immer die gleiche. Bei uns klingen die Songs auch immer etwas anders. Wir arbeiten ja bekanntermaßen nicht mit Backing Tracks, eingespielten Chören oder sowas, wir setzen da noch sehr auf Handwerk. Dann bin ich vielleicht mal nicht so gut drauf, verhasple mich mal oder ein anderer Musiker in der Band. Ein Album aufzunehmen ist dagegen was komplett anderes, man hat einfach Zeit und kann das Ding, wie beim Tetris Steinchen für Steinchen, zusammensetzen. Bis irgendwann eine Mauer entsteht, die wir dann Song nennen. Wie gesagt Live ist eine Momentaufnahme, und deshalb kann ich auch die Leute nicht verstehen die im Konzert stehen mit ihren Handys und alles aufnehmen. Als ich jung war ist ein Konzert das Größte überhaupt für mich gewesen. Klar, so ein Vinyl daheim aufzulegen war geil, aber bei einem Konzert in der ersten Reihe zu stehen, da ging einfach nichts drüber. Ich wäre nie auf die Idee gekommen da was nebenbei aufzunehmen. Vor zwei Jahren hab ich Rob Halford auf Wacken getroffen und der sagt so „He, du bist doch der Sänger von Grave Digger“ und ich so „ Ja super, das du mich erkennst, klasse!“ und da hab ich im erzählt „Du hör mal Rob, ich hab dich schon live gesehen da war ich noch nicht Sänger eine Heavy Metal Band, sondern da war ich Fan, hab in der ersten Reihe gestanden und hab dir auf die Stiefel geklopft“, da gab es diese Absperrungen nämlich noch nicht, „ und ich hab immer Rob geschrien und dir zugewunken“. Da hat er sich echt kaputt gelacht.
Christian B.: Da muss ich dir absolut recht geben, das mit der Handyfilmerei ist schon eine furchtbare Sache, da hat man oft mehrere dieser Drecks Bildschirme vorm Gesicht und sieht teilweise nicht mehr wirklich nach vorne zur Band. Leute was soll das? Ansehen tut sich das eh danach keine alte Sau mehr!
Chris Boltendahl: Im Konzert soll man einfach Spaß haben, ein paar Bier trinken, einfach Rock´n`Roll , mitsingen, Party machen, headbangen und darum sollte es bei der Sache gehen. Bei großen Festivals wird ja eh professionell mitgeschnitten, da hat man auch noch einen guten Ton, schaut euch das doch Zuhause an wenn es unbedingt sein muss. Ich versteh solche Leute einfach nicht!
Christian B.: Ich gebe dir da total recht, aber lass und wieder ein wenig zu Eurer Musik zurückkommen. Wie ist das eigentlich bei dir, brauchst du ein spezielles Setup um in Stimmung zu kommen fürs Songwriting?
Chris Boltendahl: Ich muss schon irgendwie angetriggert werden. Damit meine ich jetzt das zum Beispiel der Tobi (Kersting – Gitarre seit 2023 bei Grave Digger – die Red.) mit einem Gitarrenriff um die Ecke kommt. Ich sage dann ob es geil ist oder nicht, dann schickt er mir halt nochmal was, bis was dabei ist wo ich sage das ist richtig catchy, komm lass uns da mehr draus machen. Das Ding muss dann eine Art Film bei mir auslösen um weiterzuarbeiten, nach dem Motto die Strophe könnte so sein und die Bridge so, vielleicht noch ein Solo dazu. Das ist dann schon eine Gemeinschaftsarbeit. Oder ich sage „lass und mal einen Song schreiben der klingt wie Song XY“, es gibt ja genug Referenzsongs im Heavy Metal die man nicht kopieren muss, aber als Inspiration nutzen kann. Wenn du jetzt unser aktuelles Album nimmst, da gibt es zwei Songs wo wir uns inspirieren haben lassen, zum einen wäre das Whispers Of The Damned. Da war die Inspiration ganz klar bei Diary Of A Madman von Ozzy Osbourne. Und dann noch Mirror of Hate, da gibt es eine Band aus den Achtzigern, die heißt WWIII und die haben einen Song raus gebracht mit dem Titel Love Me Till Death, du siehst wir lassen uns da gern mal von anderen inspirieren.
Christian B.: Du hast jetzt schon zwei Sachen angesprochen zu denen ich sowieso noch Fragen hätte. Das eine wäre der Tobi, der in den Reihen von Grave Digger neu ist, wieviel frischen Wind hat er bei euch reingebracht?
Chris Boltendahl: So neu ist er dann doch nicht, er hat ja doch auch bei meinem Soloprojekt (Chris Boltendahl’s Steelhammer) mitgespielt und ist ja ansonsten auch ein alter Heavy Metal Hase. Er hat ja vorher bei Orden Ogan gespielt. Und die haben sich in eine andere Richtung entwickelt als wir jetzt, denn wir sind wieder etwas härter geworden und Orden Ogan sind etwas softer geworden, etwas kommerzieller. Und Tobi liegt das Zeug das wir spielen halt etwas mehr. Er ist halt generell so ein kompletter Old School Typ. Der liebt das ganze alte Zeug und hat auch eine tierische Plattensammlung, kennt sich dementsprechend in dem Genre aus. Dazu kommt noch das er unseren alten Kram halt auch spielen kann, und das fast Originalgetreu. Demensprechend glücklich waren wir als er meinte er würde gern bei uns einsteigen.
Christian B.: Das andere wäre Mirror Of Hate bzw. auch Whispers Of The Damned die ein klein wenig Kontrastprogramm zum Rest des Albums bilden. Was macht Dir mehr Spaß beim Singen? Songs mit ruhigeren Passagen die mehr Gefühl erfordern in der Stimme oder die schnellen Nummern wie der Titeltrack?
Chris Boltendahl: Ich mag alles gerne. Ein Album muss auf jeden Fall facettenreich sein und da kann ich mit meiner Stimme dazu beitragen. Mal getragen, mal Screaming, ich fühl mich da in allen Bereichen wohl. Ich find es halt auch wichtig für die Fans, denn immer nur nach vorne auf die Fresse und nur Doublebass kann es auch nicht sein. Für mich ist es auch wichtig das eine Band Abwechslungsreich ist, mal Midtempo, mal slow, mal schnell fand ich eigentlich immer am besten. Wir haben da ja auch noch den The Devils Serenade auf dem Album, der eher Richtung Stadion Rock geht, der mit einem großen Schuss Heavy Metal gewürzt ist, sowas find ich ja auch geil.
Christian B.: Wie wichtig, oder rentabel ist so eine Albumproduktion noch für euch? Im großen und ganzen sind ja die Verkaufszahlen eher rückläufig. Vor allem jüngere Bands setzen da ja eher auf schnellen Content und hauen regelmäßig nur noch Singles auf den Markt.
Chris Boltendahl: Also Grave Digger sind auf jeden Fall eine Albumband. Alle zwei/drei Monate mal einen Song rauszuhauen würde mich, und auch unsere Fans, nicht befriedigen. Ich glaube das unsere Hörerschaft doch noch gerne Alben hört und dann machen wir das auch. Vor allem weil wir da auch Bock drauf haben. Ich kann halt so elf Songs schmieden, die aus einem Songwritingprozess stammen, und aus einem Guss klingen.
Christan B.: Weil wir gerade bei dem Thema sind, was hältst du eigentlich von Spotify und co.?
Chris Boltendahl: Was soll ich sagen, Spotify ist halt ein modernes Medium zum Musikhören. Ich bin jetzt nicht so der Nutzer, aber meinem Sohn, der ist jetzt 18, dem ist das Handy halt an die Hand gewachsen. Der hört den ganzen Tag Spotify, hat aber auch einen Plattenspieler. Mein Medium ist es jetzt aber nicht. Wenn ich Musik hören möchte nehme ich mir Zeit dafür, denn ich komme aus einer Generation wo, meiner Meinung nach, Musik noch Kultur war. Heutzutage ist ja doch eher sowas wie Fast Food und die Leute nehmen sich weniger Zeit um sich intensiv mit Musik zu beschäftigen.
Christian B.: Langsam kommen wir zum Ende meiner Fragen, und da hab ich so Standartfragen die jeder Interviewpartner von mir gestellt bekommt. Du bist in Deiner Karriere bestimmt schon an so manchem interessanten Ort aufgetreten, aber gibt es eine Location auf der du noch unbedingt mal spielen wollen würdest?
Chris Boltendahl: Absolut! Auf meiner Bucket List steht immer noch der Madison Square Garden, aber ich glaube dafür ist die Band zu klein das wir da spielen dürften. (da hat doch der Chris kurz geschmunzelt – Christian B.) Das wäre noch so ein Traum von mir. Ich hab mal in einem Hotel direkt gegenüber gewohnt, als wir das Excalibur Album in New York gemastert haben. Das Ding ist schon enorm, das würd ich gern mal machen.
Christian B.: Naja, vielleicht kann man ja mit Grave Digger bei Rammstein als Vorband anheuern, wer weiß was noch kommt. Weil wir eh schon gerade bei „Zukunftsmusik“ sind, welche Frage dürfte ich dir in zehn Jahren stellen?
Chris Boltendahl: Vielleicht ganz einfach, wie es mir gesundheitlich geht. Nein, keine Ahnung, die Leute fragen mich ja viele verschiedene Sachen, und ich rede ja auch gerne und stehe jeder Frage mit Antworten zur Verfügung. Aber ob es da jetzt eine spezielle Frage gibt kann ich noch nicht sagen, da müssen wir in zehn Jahren nochmal ein Interview machen.
Christian B.: Gern! Jetzt kommen wir eh schon zum Ende und du hast doch bestimmt ein Schlußwort für die Fans?
Chris Boltendahl: Auf jeden Fall, weil ich bin sehr stolz auf Bone Collector und finde das neue Line Up sehr geil, das erinnert mich ein wenig an die Ursprungstage von Grave Digger. Quasi an die Zeit zurück als ich 18 war und die Band gegründet habe. Das war ja schon ein Highlight in meinem Leben, denn die Band beschäftigt mich doch schon seit fast 45 Jahren. Und es macht mich immer noch glücklich das ich das machen konnte und hoffentlich noch viele Jahre machen kann um euch, und auch dir, mit unseren Alben Freude zu bereiten. Ich hoffe wir sehen uns dann alle auf der Tour, da gibt es dann schön was auf die Glocke von uns!
Christian B.: Davon geh ich aus. Dann bedanke ich mich für Deine Zeit, und noch viele Jahre Erfolg mit Grave Digger.
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